Ungefragt Ratschläge zu bekommen, kennt wohl jede:r. Es gibt aber eine Spezies, die besonders oft der Meinung anderer ausgesetzt ist. Ich spreche von Müttern. Ganz egal, ob Freunde, Familie, Bekannte oder sogar Fremde – sie alle hauen Sprüche raus wie „Da musst du jetzt durch“, „Das ist noch nichts, warte mal die Pubertät ab“ oder mein absoluter Liebling: „Ein Kind ist kein Kind„.
„Ein Kind ist kein Kind“ – Äh, waren Sie mal 24 Stunden mit meinem zusammen?“
Was soll mit diesen vermeintlichen Ratschlägen bezweckt werden? Dass ich rein aus Recherchezwecken ein zweites bekomme, um dann zu sagen „Okay, ja, ich gebe zu: Sie hatten recht“?! Zufällig habe ich nach meinem Sohn noch eine Tochter bekommen und bin jetzt sozusagen prädestiniert dafür, den Spruch „Ein Kind ist kein Kind“ zu veri- oder falsifizieren. Kleiner Spoiler: Die Antwort wird wohl den wenigsten gefallen.
Ich weiß noch genau, wann ich diesen Satz zum ersten Mal bewusst zu hören bekam. Ich hatte mit meinem Erstgeborenen einen Ausflug zum See gemacht und war nonstop dabei, ihn davor zu bewahren, nicht zu ertrinken. Er war gerade zwei Jahre alt geworden und hatte das Konzept vom Rumsitzen und Buddeln noch nicht verstanden. Stattdessen peste er entweder quer über den Strand oder rannte ins tiefe Wasser.
Als ich meinen Sohn wieder zu fassen bekam, sprach ihn eine ältere Dame an. „Na, was bist du denn für ein süßer Racker?“. Ich lächelte nur, weil ich nicht wusste, ob und wie ich darauf antworten sollte. „Ja, die Kleinen halten einen ganz schön auf Trab, nicht wahr?„, fuhr sie mit ihrem Monolog fort.“
Aber wissen Sie was? Ich habe zwei von der Sorte großgezogen und lassen Sie sich eins gesagt sein: „Ein Kind ist kein Kind“, schwätzte sie und lachte etwas zu laut. „Naja, ehrlich gesagt, ist der wie zwei Kinder!“, entgegnete ich und ging mit meinem Sohn ins Wasser. „Ein Kind ist kein Kind“, grummelte ich vor mich hin. „Die soll mal 24 Stunden mit meinem verbringen!“
In Wirklichkeit wollen solche Personen sich nur selbst feiern und zeigen, dass sie ihr Leben als Mama auch mit zwei Kindern gewuppt haben. Anders kann ich mir das einfach nicht erklären.
Autorin der Momsense-Kolumne
Was sollen solche Belehrungen?
Es soll sie geben, die Mamas, die angesichts eines „Ein Kind ist kein Kind“-Spruch dankbar sind, „nur“ eins zu haben. Vielleicht nehmen sie sich die Worte auch zu Herzen und stellen sich bereits darauf ein, wie es sein würde, wenn noch ein Wirbelwind dazukommt. Aber soll ich dir mal was sagen? In Wirklichkeit wollen solche Personen sich nur selbst feiern und zeigen, dass sie ihr Leben als Mama auch mit zwei Kindern gewuppt haben. Anders kann ich mir das einfach nicht erklären.
Die Wahrheit ist doch, dass das Kinderkriegen und -großziehen eine sehr individuelle Erfahrung ist. Die einen sehen in der Schwangerschaft aus wie das blühende Leben, die anderen fühlen sich elendig. Die einen empfinden das Stillen als eine innige Erfahrung, die anderen sind froh, wenn das Kind ein Fläschchen nimmt. Die einen sind unendlich traurig, dass das erste Jahr mit Baby schon rum ist, die anderen können es gar nicht erwarten, wieder zurück in den Job zu gehen. Und so verhält es sich eben auch mit den Erfahrungen, ein Kind oder zwei Kinder zu haben.
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Woher will denn jemand anderes als die Eltern wissen, ob es nun mehr oder weniger anstrengend mit einem einzigen Kind ist? Seine Erfahrungen auf andere zu projizieren, ist nicht nur unnötig, sondern schlichtweg falsch, ja sogar übergriffig. Keiner kann das empfinden, was du empfindest. Und es zeugt auch nicht gerade von Empathie solche Gefühle in Frage zu stellen – besonders in den ersten sehr sensiblen Monaten als Mama.
Mein Sohn war kein einfaches Baby. Er wollte meine Aufmerksamkeit immer, non-stop, ohne Unterbrechung. Das war für mich fürchterlich anstrengend. Aber: Diese Zeit hat mich perfekt auf das Leben mit zwei Kindern vorbereitet.
Autorin der Momsense-Kolumne
Die Floskel „Ein Kind ist kein Kind“ trifft bei mir überhaupt nicht zu
Ich persönlich kann sagen, dass meine Erfahrungen komplett von der „Ein Kind ist kein Kind“-Theorie abweichen. Beim ersten Mal wurde ich ins eiskalte Wasser geworfen, musste mich erst mal in meine neue Rolle einfinden und meine Bedürfnisse oft komplett zurückstellen.
Dazu kam, dass mein Sohn kein einfaches Baby war, er wollte meine Aufmerksamkeit immer, non-stop, ohne Unterbrechung. Das war für mich fürchterlich anstrengend. Aber: Diese Zeit hat mich perfekt auf das Leben mit zwei Kindern vorbereitet. Dadurch wurde ich stressresistent, belastbar und habe mich von Kleinigkeiten nicht mehr so aus der Ruhe bringen lassen. Davon hat meine kleine Tochter definitiv profitiert.
Natürlich würde ich lügen, wenn das Zweite, wie ja ebenfalls so oft behauptet wird, „einfach mitläuft“. Nein, meine Tochter ist genau wie ihr Bruder kaum zu stoppen und lässt mich selten mal sitzen. Und manchmal fühle ich mich auch wie ein Oktopus, weil ich gleichzeitig die Bedürfnisse von einem Klein- und einem Schulkind befriedigen soll.
Trotzdem ist mein Workload gefühlt weniger als mit einem Kind. Das ist aber meine ganz persönliches Empfinden. Nur weil ich es so erlebe, heißt es noch lange nicht, dass die Floskel bei jemand anderem nicht zutreffen könnte.
Das kannst du statt solcher Besserwisser-Sprüche sagen
Wichtig ist doch, dass wir uns unterstützen, statt anderen Müttern das Gefühl zu geben, dass sie ihren Job nicht gut genug machen. Wenn ich andere Mamas – und auch Papas – sehe und den Eindruck habe, dass sie mit ihrem Kind alle Hände voll zu tun haben, verzichte ich auf solche Besserwisser-Sprüche à la „Ein Kind ist kein Kind“.
Stattdessen nicke ich nur mal verständnisvoll rüber oder wenn man ins Gespräch kommt, versuche ich auf ihre Situation einzugehen: „Oh, ja, ich weiß noch wie das war. Ich fühle total mit dir.“ Wenn man sich besser kennt, kann man auch seine Hilfe anbieten: „Was ist der beste Weg, um dich gerade zu unterstützen?“. All das signalisiert Einfühlungsvermögen und würde unzähligen Müttern nicht das Gefühl geben, dass alle anderen ihren Alltag mit Kind im Griff haben, nur sie nicht.
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