Jeder Mutter muss hin und wieder ihr Kind auch mal in der Öffentlichkeit stillen, das ist eine völlig normale Sache. Während es für die einen ganz klar um die Befriedigung eines Grundbedürfnisses geht, fühlen sich die anderen genau davon gestört. Immer wieder eskaliert die Situation und Mütter werden beispielsweise aus Cafés verwiesen, weil sie ihren Kindern die Brust geben wollten. Wie groß ist dieses Tabu des öffentlichen Stillens immer noch? Was sagen Statistiken über die Mütter, die öffentlich stillen?
Mehrheit aller Frauen stillen ungern in der Öffentlichkeit
Nichts Gutes! Eine Studie aus dem Jahr 2020 unter mehr als 2.000 Deutschen hat genau diese Fragen gestellt und kam zu dem Ergebnis: Stillen in der Öffentlichkeit ist auch jetzt noch ein großes Tabu. 77 Prozent geben demnach an, sich beim öffentlichen Stillen unwohl zu fühlen. Die Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Femtech-Unternehmens Elvie erhob auch, welche Orte als besonders stillfeindlich empfunden wurden. Dabei ergibt sich folgende Platzierung:
1. Öffentliche Toilette: 68 Prozent
2. Öffentliche Verkehrsmittel: 66 Prozent
3. Läden / Geschäfte: 59 Prozent
4. Restaurants oder Cafés: 58 Prozent
5. Arbeitsplatz: 56 Prozent
Und so wundert es auch nicht, dass 76 Prozent der Mütter am liebsten Zuhause stillen.
Stillen wird noch immer nicht überall akzeptiert
Ein möglicher Grund für das Unbehagen so vieler Frauen könnte sein, dass 48 % aller Befragten angeben, es als unangenehm zu empfinden, wenn eine Mutter ihrem Kind an öffentlichen Orten die Brust gibt. Interessant: Frauen fühlen sich in der Zuschauerrolle sogar noch unwohler (50 Prozent) als Männer (45 Prozent). Die meisten Befragten haben ein Problem damit, stillende Frauen auf Toiletten anzutreffen (43 Prozent), gefolgt von öffentlichen Verkehrsmitteln (34 Prozent) Geschäften (31 Prozent) und Cafés bzw. Restaurants (29 Prozent).
Hinzu kommt, dass es einer beachtlichen Zahl unangenehm ist, über das Stillen im Allgemeinen zu sprechen. Mehr als jede zehnte Frau fühlt sich laut der Studie unwohl, über das Stillen zu reden. In den besonders relevanten Jahrgängen der 25 bis 34-Jährigen ist es sogar jede fünfte Frau.
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Sexualisierung, wo keine sein muss
Zu oft wird der natürlichste Vorgang der Welt mit einem öffentlichen Nackig machen verwechselt. Der Grund, weshalb sich auch viele Frauen beim öffentlichen Stillen unwohl fühlen, ist auch die Angst, ungewollt sexualisiert zu werden. Eigentlich ist die weibliche Brust ein Geschöpf der Natur mit genau dem Zweck des Stillens, in der westlichen Welt hat es jedoch vor allem eine sexuelle Bedeutung.
So gelten Frauen, die in der Öffentlichkeit ihre Brust freilegen, als „obszön“ und „abstoßend“, bei Männern und bei Frauen. Dabei muss eine Mutter ihrem Kind einfach nur ihre Nahrung geben, jedoch wird schlichtweg ihre nackte Brust als etwas Sexuelles gedeutet.
Still-Shaming gibt es auf beiden Seiten
Trotz vieler Kampagnen zum Normalisieren des Stillens empfinden in der heutigen Zeit die Mehrzahl der Mütter Unbehagen in der Öffentlichkeit zu stillen. Und nicht nur das: Auch viele Anwesende fühlen sich von stillenden Frauen gestört oder schämen sich sogar. Hier ist also auf beiden Seiten noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um Stillen wirklich zu der normalsten Sache der Welt zu machen.