Vielleicht hast du schon einen Schwerbehindertenausweis oder stehst gerade vor der Frage, ob du ihn überhaupt beantragen sollst. Mit der entsprechenden Feststellung des Grades deiner Behinderung stehen dir bestimmte Leistungen zu, die dich im Alltag und auch finanziell entlasten sollen. Die dauernden Herausforderungen, die eine chronische Erkrankung oder andere körperliche sowie psychische Beeinträchtigungen mit sich bringen, sind nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt dann auch noch die Sorge vor Benachteiligung und Diskriminierung im Job. Aber sind diese Bedenken begründet?
Vorurteile im Arbeitsleben: Realität oder Ausnahme?
Die meisten Vorurteile basieren schlichtweg auf Unwissenheit. Viele Menschen haben sich einfach noch nie mit dem Thema Schwerbehindertenausweis beschäftigt – vielleicht weil sie es nicht müssen oder selbst davor zurückschrecken. Menschen mit Behinderung werden beispielsweise häufig als weniger leistungsfähig vorverurteilt, obwohl es dafür im Arbeitsalltag keinerlei Anzeichen gibt.
Laut Aussage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erleben Arbeitgeber:innen sogar äußerst positive Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten als Arbeitnehmer:innen. Dennoch sind diese immer wieder massiven Defizitunterstellungen ausgesetzt. Tatsächlich sind Arbeitgeber:innen jedoch gesetzlich dazu verpflichtet, Menschen mit Schwerbehinderung gleichberechtigt zu behandeln. Ob das immer so stattfindet?
Angst vor dem Unbekannten? Wir müssen über den Schwerbehindertenausweis sprechen
Laut Statistischem Bundesamt leben 2021 zum Jahresende 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland – also 9,4 Prozent der Gesamtbevölkerung im Land. Hättest du gedacht, dass es so viele sind? Dabei ist weiterhin zu bedenken, dass nicht alle berechtigten Personen auch tatsächlich eine Feststellung des Grades der Behinderung beantragen: aus Unwissenheit oder Angst vor Benachteiligung.
Gegen diese Vorurteile durch Unwissenheit hilft nur Aufklärung. Dabei kann es helfen, wenn Betroffene sich sichtbar machen, auch wenn die Hürde groß ist. Wer seine Schwerbehinderung im Job offen kommuniziert, kann zum einen Vorurteile zu geringerer Leistungsfähigkeit widerlegen und zum anderen auf mehr Verständnis stoßen, sollte es doch einmal zu einem Arbeitsausfall aufgrund der Behinderung kommen. Außerdem können auch nur bei Vorlage des Schwerbehindertenausweises Entlastungen gewährt werden.
Das kannst du bei Diskriminierung im Job aufgrund deiner Schwerbehinderung tun
Auch wenn es strenge rechtliche Rahmenbedingungen gibt: Es kann immer wieder passieren, dass du bei Vorlage deines Schwerbehindertenausweises Diskriminierung im Job erfährst. In diesem Fall kannst du rechtliche Schritte einleiten, denn das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie ein besonderer Kündigungsschutz stärken dir den Rücken. Aber was heißt das konkret und wie kannst du dein Recht in der Praxis durchsetzen?
Wir haben ein paar Tipps für dich gesammelt:
- Sprich offen mit deine:r Arbeitgeber:in: Oft sehen Vorgesetzte gar nicht, welchen Herausforderungen du dich im Arbeitsalltag stellen musst. Ein klärendes Gespräch kann schon einiges bewirken.
- Kontaktiere die Schwerbehindertenvertretung deines Unternehmens: Eine außenstehende Person bringt in solchen Fällen die nötige Neutralität ins Gespräch und verfügt über das notwendige Wissen, um deine Rechte durchzusetzen.
- Auch externe Beratungsstellen, wie beispielsweise der Sozialverband oder Integrationsämter, stehen dir ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite.
Übrigens: Du bist nicht verpflichtet, deine Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch zu erwähnen. Erst wenn dein Arbeitgeber spezielle Vorkehrungen für dich treffen muss, solltest du dies offenlegen.
Fazit: Der Schwerbehindertenausweis bringt dir mehr Entlastung als Nachteile
Die Sorge vor beruflichen Nachteilen durch den Schwerbehindertenausweis ist verständlich, doch in den meisten Fällen unbegründet. Vielmehr eröffnet dir der Ausweis Möglichkeiten, deinen Arbeitsplatz deinen Bedürfnissen anzupassen und dir mehr Sicherheit im Job zu verschaffen.
Vorurteile und Missverständnisse gibt es natürlich, doch mit offener Kommunikation und einer klaren Kenntnis deiner Rechte kannst du diesen erfolgreich entgegentreten. Am Ende überwiegen die entlastenden Leistungen – von zusätzlichem Kündigungsschutz über verbesserte Arbeitsbedingungen bis hin zu mehr Urlaub, den man mit einer solchen Dauerbelastung durchaus brauchen kann.
Und nicht zu vergessen: Wenn nicht über diese Herausforderungen gesprochen wird, können Vorurteile und Irrtümer nicht aufgelöst werden. Auch wenn die Überwindung schwerfällt: Der Mut, sich offen zum Schwerbehindertenausweis zu bekennen, zahlt sich in vielerlei Hinsicht aus.
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