Nur knapp 20 Prozent der Start-ups hierzulande wurden 2023 von Frauen gegründet. Damit sind Gründerinnen in der deutschen Startup-Szene unterrepräsentiert. Das Problem: Frauen gründen seltener ein Start-up, da sie zu selten auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen.
Wir haben mit Jessica Wölke gesprochen, die 2019 als zweifache Mutter vor genau dieser Frage steht: Kann ich das wirklich? Fünf Jahre später wissen wir: Ja, sie kann! Heute ist sie erfolgreiche Geschäftsführerin der Upcycling-Kosmetikmarke No Planet B. Wmn verrät sie ihr Geheimrezept!
Jessica, du bist Gründerin, aber auch Mutter und Ehefrau: Wie war für dich der Weg zum eigenen Start-up mit Mitte 40?
„Ich habe die letzten 20 Jahre in vielen großen Unternehmen gearbeitet, hatte tolle Jobs, habe gut verdient. Aber irgendwas in mir wollte mehr. Die Kosmetikbranche ist nicht wirklich nachhaltig. Da mir das Thema aber selbst sehr am Herzen liegt, wollte ich einen echten Beitrag leisten. Mit meinem Mann an der Seite wurde es 2019 mit dem Gründen dann ernst. Kurz gezweifelt haben wir aber trotzdem, grundsätzliche Fragen nach der Finanzierung und wie wir das mit den Kindern machen, kamen auf. Aber ich hatte nie wirklich Angst davor, diesen Weg zu gehen. Und heute bin ich froh, dass ich den Schritt gewagt habe.“
Gründen Frauen anders als Männer? Und wenn ja, wie?
„Frauen gründen ganz anders als viele Männer. Sie gründen langfristiger, sind bedachter und tun es seltener aus finanziellen Gründen. Ich glaube, das ist genau das, was wir in der Start-up-Welt brauchen: keinen Druck und einen natürlichen Zugang zum Sinn der Marke. Während Männer oft aus wirtschaftlichen Launen heraus gründen, sind Frauen eher darauf bedacht, wirklich etwas zu verändern. Das ist sicherlich nicht bei allen so, aber in den letzten Jahren habe ich das oft so erlebt.“
Haben Frauen denn grundsätzlich die gleichen Chancen als männliche Gründer?
„Leider sind es noch sehr wenige Frauen, die den Schritt zur Gründung wirklich gehen. Das ist sehr schade, denn es hat sich gezeigt: Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden, sind im Schnitt erfolgreicher und langfristig stabiler. Trotzdem werden immer noch weniger Gründerinnen finanziert. Ich denke, das liegt viel an der Jury, die auch immer noch größtenteils aus Männern besteht. Auch hier herrscht im Auswahlverfahren noch Ungerechtigkeit: Frauen werden beispielsweise gefragt, warum sie scheitern könnten, wobei Männer gefragt werden, warum sie erfolgreich sein werden.“
Spielt neben den Vorurteilen auch die Doppelbelastung mit der Familie eine Rolle?
„Ich habe die Erfahrungen gemacht, dass Frauen eher später gründen. Sie sind sehr perfektionistisch, haben einen hohen Anspruch an sich selbst. Das führt dann dazu, dass sie zu diesem Zeitpunkt oft schon eine Familie haben, um die sich kümmern müssen. Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen, ist auch heute noch schwer. Viele Mütter haben durch die Care-Arbeit zu Hause und den unsichtbaren Mental-Load eine Doppel-, wenn nicht sogar Dreifachbelastung.“
Du hast es als Mutter mit Mitte 40 aber geschafft. Wie war das möglich?
„Mein Mann und ich haben uns mit der Elternzeit abwechselt. Erst war ich zu Hause, dann mein Mann. Das hat für einige kritische Blicke gesorgt, auf dem Spielplatz war er oft der einzige Papa. Aber nur so war es für uns möglich. Außerdem kamen die Kinder früh in die Krippe. Da musste ich mir auch einiges anhören. In Deutschland nehme ich diesen Druck mehr wahr. In England, wo ich herkomme oder in Skandinavien beispielsweise ist man mit der Gleichberechtigung schon etwas weiter.“
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Grundsätzlich sollte jeder die Chance haben, eine eigene Idee zu verwirklichen. Die Realität ist aber oft eine andere. Wie könnte man das ändern?
„Leider ist die Gründer-Szene noch immer sehr weiß und vor allem männlich. Es fehlt (wie auch in anderen Branchen) an allen Ecken und Enden die Diversität. Es muss für alle Menschen echte Vorbilder geben, in allen Positionen. Aber dieser Weg ist noch weit. Angefangen in der Schule, in Vorständen und Gremien: Gleich und gleich gesellt sich eben gern. Es müsste mehr Menschen der Zugang zu Bildung, auch im Bereich Business, ermöglicht werden. Nur dann kann sich das ganze System nachhaltig ändern.“
Jessica, was ist dein Rat an alle Gründer:innen und die, die es vielleicht mal werden wollen?
„Wie ich so gern in meiner Muttersprache sage: Be kind to yourself. Nimm den Druck raus, probier es einfach mal und sei dabei zu dir selbst immer am nettesten. Behalte Frust und Ärger nicht zu lange in dir und sei auch mal bereit zu versagen. Das gehört zum Leben dazu. Das musste ich auch erstmal verinnerlichen, aber das Gründen hat mir eines gelehrt: Just do it.“
Du möchtest auch ein Start-up gründen?
Glaubst du fest an dein Konzept? Es ist an der Zeit, detaillierte Strategien zu entwickeln und kompetente Mitstreiter zu gewinnen. Kümmer dich auch um die Finanzierung für dein junges Unternehmen und suche Rat bei einem etablierten Unternehmensgründer, der dir nützliche Hinweise geben kann. Folgende Start-up-Podcasts können dich in diesem Prozess unterstützen:
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Die motivierenden Karriereverläufe anderer Gründerinnen können als zusätzliche Unterstützung dienen. Ihre ermutigenden Erfolgsgeschichten verdeutlichen, dass sich die Anstrengungen auszahlen. Wie Jessica sagen würde: Just do it!