Veröffentlicht inInsights

Unsere weekly heroine: Sängerin LEA im Interview

LEA im Interview: Ich würde in dieser Welt gerade keine eine 13-jährige Tochter großziehen wollen.

LEA Sängerin
LEA ist eine der gefragtesten deutschen Sängerinnen und unsere weekly heroine. Foto: © Jens Koch © Mehran Djojan /

Jede Woche küren wir bei wmn eine weekly heroine. Eine Frau, die uns inspiriert, eine starke Meinung hat und unsere Welt ein kleines Stückchen besser macht. Diese Woche hat die Sängerin LEA mir Frage und Antwort gestanden. 

LEA ist derzeit eine der bekanntesten Frauen der deutschen Musikbranche. Ihr Album “Treppenhaus” ist am 29. Mai 2020 erschienen und ist schon jetzt ein unfassbarer Erfolg.

LEA: kurz & knapp 

  • LEA ist heute 28 Jahre alt, hat aber schon mit 15 ihre ersten Gehversuche in der Musikbranche gemacht.
  • Mit 350.000 Followern auf Instagram gehört LEA zu den deutschen Makro-Influencern. Wie ernst sie ihre Verantwortung ihren Fans gegenüber nimmt, erfahren wir im Interview.
  • Auf Spotify haben LEAs Songs gerne mal 120.000.000 Klicks. Da muss man doch komplett den Boden unter den Füßen verlieren? Mehr dazu im Interview.

Sängerin LEA
LEA arbeitet oft mit Größten wie Capital Bra zusammen.(Photo: © Jens Koch © Mehran Djojan)

15 schnelle Fragen an LEA

wmn: Du kommst gebürtig aus Kassel, hast in Hannover studiert und lebst jetzt seit zwei Jahren in Berlin. Welcher ist dein liebster Ort in Berlin? 

LEA: Ich konnte die letzten zwei Jahre die Stadt gut kennenlernen und ich liebe alles, was sich rund um das Tempelhofer Feld abspielt. Das ist mein Lieblingsort zum Fahrrad fahren, zum Laufen und einfach ein wunderschöner Ort zum Entspannen.

wmn: Du spielst seit einigen Tagen wieder Konzerte, zuletzt in Hamburg und Erfurt. Coronabedingt tretet ihr jetzt vor 1.000 Leuten in riesigen Stadien auf. Ist es nicht schrecklich, wenn du normalerweise vor so viel mehr Menschen spielst?

LEA: Nein, im Gegenteil. Es ist herrlich! Die Band und ich sind erst einmal wahnsinnig dankbar, dass wir spielen dürfen. Aber auch die Leute, die jetzt zu unseren Konzerten kommen, sind so dankbar, dass überhaupt Musik stattfinden kann. Wir geben ihnen ein kleines Stück Normalität – auch wenn es nur für 2 Stunden ist.

LEA Sängerin
Lea live beim Sommer Open Air Picknick-Konzert im Steigerwaldstadion in Erfurt.(Photo: imago images/Future Image)

Für die Band besteht kein großer Unterschied zu den normalen Konzerten. Ich hab sowieso nicht das Gefühl, dass ein Konzert besser wird, je mehr Leute da sind. Mir geht es vor allem um die Stimmung. Wenn die Leute gut drauf sind, macht das alles aus.

Gerade bei kleineren Konzerten ist man den Fans noch viel näher und man fühlt sich viel verbundener.

wmn: Welche ist deine Lieblingsstadt zum Auftreten? Wo ist das Publikum am besten?

LEA: Das kann ich gar nicht so pauschal sagen. Das Picknick-Konzert in Hamburg am 08.08. war richtig verrückt für mich. Gerade weil Hamburg eigentlich nicht die Stadt ist, die für besonders feierwütiges Publikum bekannt ist. Da war es umso schöner zu sehen, wie durstig die Leute nach Livemusik sind.

Die Leute sind im Moment durstig nach Livemusik.

– LEA

wmn: Was glaubst du ist der Grund für deinen Erfolg?

LEA: Dranbleiben und an sich selbst glauben. Ich habe immer 100% hinter mir selbst gestanden.

wmn: Das kann ja noch nicht alles gewesen sein. Du hast wohl auch einen sehr langen Atem.

LEA: Ja, natürlich. Mit dem Traum Musik zu machen, geht viel harte Arbeit einher. Ich habe mit 15 Jahren angefangen, auf Youtube meine eigenen Songs hochzuladen. Der erste kommerzielle Erfolg folgte erst mit 24 Jahren. 

wmn: Und heute wird auch die Musik, die du mit 15 aufgenommen hast, krass gefeiert.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=KWc13wHcBCk&w=560&h=315]

LEA vertont mit 15 ihren ersten selbstgeschrieben Song

LEA: Ja, das stimmt. Die Leute entdecken immer mehr von mir. Nicht nur das, was gerade brandaktuell ist, sondern auch was ich damals gemacht habe.

Mein erstes Album lief nicht im Radio oder im Fernsehen. 

Durch das zweite und das dritte Album bekommt das erste aber jetzt auch noch mehr Hörer.

wmn: … Und sobald du eine Legende bist, wird das sowieso nochmal rauf und runter gehört.

LEA: (lacht) Für mich fühlt es sich einfach schön an, dass die Leute eine Geschichte zu mir haben, die sie entdecken können. 

wmn: Wer ist dein größtes Musikidol?

LEA: Ich habe so mit 11 oder 12 angefangen, mich für Musik zu interessieren. Da waren die No Angels gerade der Hit und meine bedingungslose Lieblingsband. Auch Britney Spears und Christina Aguilera und Sarah Connor haben mich krass geprägt.

Lustigerweise habe Ich vor kurzem nochmal in ein Freundebuch von damals reingeschaut. Da habe ich bemerkt, dass ich in der Sparte “Idole” wirklich nur Frauen reingeschrieben habe.

Als ich dann schließlich selbst angefangen habe Musik zu machen, habe ich mich an diesen starken Frauen orientiert. Irgendwie wusste ich durch sie, dass alles machbar ist. Und mir wurde bewusst, dass eine Frau ohne einen Mann mindestens genauso erfolgreich sein kann.

wmn: Was ist dein guilty pleasure-Song?

LEA: Eigentlich habe ich keine guilty pleasures, weil ich immer noch genau zu der Musik und den Bands stehe, die ich auch früher gerne gehört habe. Ich würde auf jeden Fall heute noch zu einem No Angels-Konzert gehen, wenn die mal wieder eins geben würden. 

wmn: Mit wem würdest du noch ganz gerne einen Song produzieren? Tod oder lebendig?

LEA: Ich habe einen riesig großen Respekt vor Billie Eilish, die überhaupt nicht konventionell singt, sondern genau das macht, was sie machen will.

wmn: Welches Thema darf man deiner Meinung nach nicht in einem Song aufgreifen?

LEA: Musik ist Kunst und in der Kunst ist alles erlaubt. Ich habe natürlich meine Werte und ich würde nie etwas tun, was meinen Werten nicht entspricht. 

Das Schöne ist ja, dass man in der Musik alles von sich preisgeben darf. Man darf sich aber auch Dinge ausdenken, denn es ist ja meine eigene Kunst und die kann ich gestalten wie ich will. Ich finde es fantastisch, dass ich da so frei sein kann.

wmn: Es ist auffallend, wie persönlich deine Texte klingen. Aber wenn du sagst, dass du dir auch Sachen ausdenkst: Wie autobiografisch ist das dann alles wirklich?

LEA: Es ist sehr autobiografisch. Manchmal gibt es aber Sachen, die ich dazu erfinde, weil es einfach passt. Damit verstärke ich zum Beispiel ein Gefühl. Wo ich aus meinem eigenen Leben inspiriert wurde und dann den Gedanken einfach weiterführe. Es kommt aber auch vor, dass ich über eine vertrackte Situation von Freunden schreibe. Manchmal mache ich auch eine Beobachtung im Café und stricke sie zu einer Geschichte. 

Sängerin LEA
LEA ist auf Fotoshootings und bei Drehs oft ungeschminkt. Warum? Sie braucht keine Schminke, um selbstbewusst zu sein.(Photo: © Jens Koch © Mehran Djojan)

wmn: Obwohl du in deinen Texten sehr emotional bist, sprichst du in der Öffentlichkeit nicht viel über dein Privatleben. Auf Instagram und TikTok bist du sehr professionell. Ist es nicht wichtig, als Person des öffentlichen Lebens auch gleichzeitig “Social Media Influencer” zu sein?

LEA: Ich finde die Social Media Welt ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite erreicht man damit unglaublich viele Menschen und man kann direkt mit denen in Kontakt treten. Es ist heutzutage möglich, aus dem Kinderzimmer heraus ein Star zu werden. Man braucht nicht unbedingt eine große Plattenfirma dahinter, sondern vermarktet sich eigenständig. So wird die gesamte Musikbranche viel selbstständiger. Auch Youtube hat mir damals natürlich sehr dabei geholfen, die ersten Schritte zu gehen.

Trotzdem weiß ich aber, wie gefährlich das Ganze ist. Man muss sich jeden Tag die Frage stellen, ob man selbst noch genug in der echten Welt lebt.

Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich Instagram und andere Kanäle unbewusst checke und mich dann frage; wie bin ich hier gelandet? Und das 300 mal am Tag. Ich weiß genau, wie abhängig das macht. 

Gerade für junge Menschen, die noch nicht so ein Selbstbewusstsein haben und noch nicht genau wissen wer sie sind, ist das sehr gefährlich. Es gibt einfach sehr viele falsche Vorbilder auf dieser Welt. 

Sängerin LEA
Die 28-Jährige erkennt ihre Rolle in der Social Media-Welt genau an.(Photo: © Jens Koch © Mehran Djojan)

wmn: Wer sind die falschen Vorbilder?

LEA: Es ist einfach eine eigene, sehr verblendete Welt. Wenn ich mich aus Instagram auslogge, dann habe ich immer das Gefühl ein viel schlechteres Leben zu führen als alle anderen. Ich weiß zwar, dass das nicht wahr ist. Diese Fotos werden im besten Winkel, aus der schönsten Perspektive und mit dem breitesten Grinsen gemacht.

Obwohl ich das weiß, nehme ich als Konsument das aber als Realität der Anderen für mich wahr. Ich bin zum Glück erwachsen und kann das einigermaßen einschätzen, aber Leute mit nicht so viel Erfahrung und Selbstbewusstsein, denken oft: “Scheiße, so muss ich aussehen, um Erfolg zu haben und geliebt zu werden.” Das ist doch absurd.

wmn: Es gibt auf Instagram und Co. ja bereits die Body Positivity-Bewegung…?

LEA: Ja, aber das ist viel zu wenig. Die meisten stellen sich noch immer schöner dar als sie sind. Und Body Positivity kommt mir auch sehr wie eine Vermarktungsstrategie vor. Viele springen da eher auf den fahrenden Zug auf, als dass sie es ernst meinen. Und das merken die User garantiert. Ich kann nur sagen: Ich würde in dieser Welt gerade nur ungern eine 13-jährige Tochter großziehen.

Ich würde in dieser Welt gerade nur ungern eine 13-jährige Tochter großziehen.

– LEA

Natürlich ist man als Musikerin auch gleichzeitig Influencerin. Denn ich beeinflusse die Menschen ja mit dem, was ich poste und was ich sage. Ich nehme diese Rolle sehr sehr ernst. 

Über jeden Post denke ich ungefähr 20 mal nach und frage mich, ob es das ist, was ich der Welt von mir zeigen will. Ich verstelle mich zwar nicht, aber ich bin mir meiner Vorbildfunktion voll und ganz bewusst.

Ich möchte den Menschen zeigen: Ihr seid gut so, wie ihr seid. Ihr müsst euch für nichts schämen oder verstecken. Nichts verändern, nicht operieren lassen, damit ihr erfolgreich werdet oder geliebt werdet.

Das ist meine Message und die Musik ist mein Medium. Ich muss den Leuten nicht zeigen, wie ich im Fitnessstudio Selfies mache, auf dem Balkon liege, oder mein Müsli esse.

wmn: Was ist dein Lieblingslied auf dem neuen Album “Treppenhaus”?

LEA: Das ändert sich täglich. im Moment spiele ich auf meinen Picknick-Konzerten vor allem den Song Elefant sehr gerne. Das ist ein besonders wichtiger und intensiver Song für mich, denn er handelt von meinen Eltern. Ich erzähle darin, wie dankbar ich dafür bin, dass ich so frei aufwachsen durfte. Dass ich immer so sein durfte, wie ich will und dass ich mich nie verstellen musste. 

Sängerin LEA
„Elefant“ ist einer der wenigen Songs von Lea, in dem sie fröhliche Themen behandelt. Sonst ist sie oft sehr melancholisch.(Photo: © Jens Koch © Mehran Djojan)

Das sind genau die Wertvorstellungen, die ich versuche, meinen Fans nahezubringen. Ich kann gar nicht oft genug danke dafür sagen, dass ich das so gut verinnerlichen konnte und nun in die Welt bringen kann.

Ein anderer wichtiger Song für mich ist Wenn nur Liebe hilft. Den habe ich für eine Freundin geschrieben, die schrecklichen Liebeskummer hatte und unfassbar gelitten hat. Der Song erzählt, wie ich nachts zu ihr fahre und wir alles dafür tun dass sie nicht mehr weinen muss. Gerade solche Geschichten sind für mich besonders emotional, wenn ich sie live spielen kann. 

wmn: Das sind wirklich echte Geschichten und nicht nur eine Aneinanderreihung von Reimen.

Was ist deine persönliche Lieblingszeile aus einem deiner Songs?

LEA: Schwierige Frage. Mir fällt gerade eine Zeile aus Elefant ein: Von dir habe ich den Mut diese Welt zu hinterfragen und meine Meinung zu sagen. 

– LEA

wmn: Ich merke gerade, dass meine Mama das Gleiche mit mir gemacht hat. Ich glaub, ich ruf die gleich mal eben an und sage ihr danke.

Du möchtest noch mehr weekly heroines kennenlernen? 

Waris Dirie erklärt uns im Interview, wie sie Feminismus und die Beschneidung der Frauen in vielen muslimisch geprägten Ländern bewertet.

Die Mega-Inlfuencerin Carmushka hat mit uns darüber gesprochen, wie sie es schafft, dass der Tag mehr als 24 Stunden hat.

Annett Louisan spricht mit uns darüber, wie sich das Erwachsenwerden mit der Musik anfühlt.

Gucken hier schauen.