Erlebt man Vicky Bennison in ihrer Herzensrolle am Set von den Pasta-Grannies, ist man vor allem eines: beeindruckt. Denn Vicky vermag es, Wärme, Stärke und Inspiration durch den Bildschirm auszuströmen. Aus diesem Grund und weil sie Frauen mit ihrem Format eine Stimme gibt, die sonst ungehört bleiben würden, ist sie unsere weekly heroine.
Bei wmn küren wir jede Woche eine Frau als unsere Heldin, von der wir uns gerne eine Scheibe abschneiden würden, die uns anspornt und der wir eine Stimme verleihen wollen. Und genau das haben wir getan. Hier findest du ein Interview mit Vicky, in dem sie uns unter anderem erklärt hat, was Fettuccine und Feminismus miteinander zu tun haben.
Vicky Bennison kurz & knapp:
Du hast noch nie von Vicky Bennison gehört? Hier findest du auf einen Blick alles, was du über unsere Heldin der Woche wissen musst:
- Vicky Bennison bereiste als Foodbloggerin und Autorin bereits die ganze Welt, sammelte Pilze mit der Russischen Mafia und kochte Zebra-Eintopf in Kenia.
- Eines Tages kam sie auf die italienische Küche – und die lässt sie bis heute nicht los. Seit 16 Jahren lebt sie nun in Italien – und in England, wo ihr Mann herkommt.
- Sie gründete den YouTube-Channel Pasta Grannies. Hier werden regelmäßig Videos von italienische Nonnas (Großmüttern) geteilt, die zum Teil über 90 Jahre alt sind und ihre liebsten Pasta-Rezepte mit der Welt teilen.
- Zum Channel erschien auch ein gleichnamiges Buch, welches die Lebensgeschichten dieser beeindruckenden Frauen erzählt.
Vicky Bennison im Interview: „Ich liebe die Einfachheit der italienischen Küche“
Unser Video-Team ist für ein ausführliches Interview mit Vicky extra nach Genua in Italien gefahren und hat sie dort am 3. Oktober getroffen. Teile des Interviews haben wir hier für dich schriftlich aufbereitet …
wmn: Was fasziniert dich an der italienischen Küche?
Vicky Bennison: Das Besondere an der italienischen Küche ist für mich ihre Einfachheit. Ich mag den Fokus auf qualitativ hochwertige Zutaten und ich denke, das kommt bei der breiten Masse ebenfalls gut an. […]
Außerdem hat die italienische Essenskultur die wunderbarste Vielfalt an Lebensmitteln. Es gibt zum Beispiel Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Sorten von lokalen Bohnen. Das bedeutet, dass es in ganz Italien verschiedene Nudelgerichte gibt, was ich sehr schätze. Denn eine meiner Lieblingskombinationen ist Pasta mit Bohnen.
„Wir treffen die aufgeschlossensten und abenteuerlustigsten Frauen“
wmn: Wie findest du die Pasta Grannies & wie bringst du sie dazu, ihre Türen zu öffnen?
Vicky Bennison: Die Grannies zu finden, ist inzwischen so etwas wie ein Vollzeitjob. Um mir dabei zu helfen, habe ich eine Granny-Finderin. Ihr Name ist Olivia. Sie lebt in Enza, das ist in der Emilia-Romagna.
Oft sage ich dann zu Olivia: „Hey, lass uns in die Abruzzen fahren“. Dann rollt sie nur mit den Augen und meint: „Oh, weißt du, die Pasta da unten ist nicht so interessant.“ Denn sie als Italienerin begeistert sich sehr für die Region, aus der sie kommt. Ich widerspreche ihr dann und irgendwie werden wir uns immer einig.
Dann schaue ich auf vergangene Dreharbeiten und überlege, wen wir in den Abruzzen schon kennen oder wir fragen uns durch Organisationen, wen sie empfehlen würden. Und natürlich arbeiten wir mit den Familien zusammen. Die sieht man zwar nicht immer vor der Kamera, doch hinter der Kamera steht meist ein halbes Dorf. Oft stimmen auch die Familienmitglieder zu, dass die Grannies ihre Storys teilen sollen.
Wobei wir sie zu nichts zwingen. Wir hatten also auch schon den Fall, dass wir eine Granny besuchen wollten, diese es sich aber anders überlegt hatte. Meistens haben wir aber Glück bei der Granny-Suche und treffen die aufgeschlossensten, abenteuerlustigsten Frauen, die ihre Türen für komplett Fremde öffnen. Das ist sehr mutig von diesen Frauen.
„Pasta Grannies ist ein Vehikel für die Geschichten dieser Frauen.“
wmn: In einem TED-Talk mit dem Titel „Fettuccine and Feminism“ erklärst du, dass die Pasta Grannies weitaus mehr als alt und süß sind. Für dich sind sie widerstandsfähig und tragen eine Essenskultur in sich, die mit ihnen sterben könnte. Was denkst du, haben die Pasta Grannies und der heutige Feminismus miteinander zu tun?
Vicky Bennison: Die Grannies und der Feminismus sind ein interessantes Thema. Ich thematisiere es aber nicht so oft, weil ich immer das Gefühl hatte, dass das etwas ist, das nur mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Und es sind nicht nur die Geschichten der Frauen und was wir von ihnen lernen können, denn oft sehen sich unsere Großmütter selbst nicht wirklich als Feministinnen. Sie sind beispielsweise sehr familienorientiert. Auf der anderen Seite sind sie sehr unabhängig, genügsam und sie haben Geschichten, von denen wir alle lernen können.
Mein ursprüngliches Ziel bei den Grannies war es, ältere Frauen in den Mittelpunkt zu rücken, weil ich das Gefühl hatte, dass es in der Medienlandschaft nicht genug von ihnen gibt. Wir müssten sie mehr feiern, anstatt sie für selbstverständlich zu halten.
Sie haben einen großen Erfahrungsschatz, von dem wir lernen können. Ich habe das Gefühl, dass italienisches Essen global ist und wir all diese wunderbaren Köche haben, die die Botschafter der italienischen Küche sind. Und sie alle sagen: „Oh ja, das habe ich von meiner Oma oder von meiner Tante gelernt.“ Aber wir sehen diese Frauen nie. Also wollte ich etwas dagegen tun. Und genau das macht Pasta-Grannies aus. Es ist ein Vehikel für die Geschichten dieser Frauen.
„Tatsächlich hat Pasta Grannies eine 50-50 Aufteilung der Zuschauer:innen.“
wmn: Wie bewertest du den Trend, dass junge Menschen, vor allem Frauen, immer seltener frisch kochen?
Vicky Bennison: Italienische Essenstraditionen sterben nicht aus. Sie verändern sich. Und ich denke, was die Herstellung von Nudeln angeht, ist das nicht länger ein Frauenberuf, was großartig ist. Ich stelle fest, dass es viele junge Männer gibt, die es lernen wollen. Tatsächlich hat Pasta Grannies eine 50-50 Aufteilung der Zuschauer:innen. Als Frauen täglich Pasta zubereitet haben, taten sie das, weil sie es mussten. Heutzutage haben sie eine Karriere und können gleichzeitig Pasta machen.
Es gab eine Generation von Frauen, die das Gefühl hatten, sie müssten die Erfahrungen ihrer Großmütter oder Mütter hinter sich lassen, als sie arbeiten gingen. Doch die modernen Frauen, ihre Töchter und Söhne haben entdeckt, dass man beides haben kann.
Von einem rein technischen Gesichtspunkt aus betrachtet, hat man aber natürlich nicht dasselbe Muskelgedächtnis wie die 90-jährigen Grannies. Die machen das immerhin schon seit 80 Jahren und müssen gar nicht mehr darüber nachdenken. Wenn man anfangen möchte, Pasta richtig zu machen, muss man jeden Tag üben. Aber es ist auch ein wunderbarer Zen-Prozess, den jeder ausprobieren kann. Es gibt immer ein Nudelgericht, das man schnell beherrscht.
„Wir überlegen, ob wir aus Pasta Grannies eine Fernsehserie machen…“
wmn: Was sind die nächsten Schritte für Pasta Grannies?
Vicky Bennison: Das erste Buch war ein Riesenerfolg. Es hat sich über 100.000 Mal verkauft. Es wurde in sieben verschiedene Sprachen übersetzt. Nächste Woche wird es in Frankreich veröffentlicht. Und deshalb wird es auch ein zweites Buch geben, das am 22. September kommenden Jahres erscheinen wird.
Außerdem werden unsere Videos auf Samsung TV ausgestrahlt und wir überlegen, ob wir aus Pasta Grannies nächstes Jahr eine Fernsehserie machen. Dazu kann ich aber noch nicht viel sagen …
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