Hami Nguyen ist Bloggerin, Aktivistin und Mutter. In den sozialen Medien findet man Hami unter dem Nutzernamen @hamidala. Die Plattform Instagram nutzt sie dazu, ihre Abonnent:innen einerseits durch ihren Alltag mitzunehmen und darüber zu sprechen, was ihr auf dem Herzen liegt, andererseits klärt sie über viele drastische gesellschaftspolitische Themen auf. Vor allem das Thema des anti-asiatischen Rassismus liegt ihr sehr am Herzen.
Jede Woche stellen wir bei wmn eine Frau vor, die uns empowert, inspiriert und von der wir uns gerne eine Scheibe abschneiden würden – unsere weekly heroine. Hami Nguyen beweist im Interview, dass sie sich unseren Titel der weekly heroine mehr als verdient hat.
Hami Nguyen kurz & knapp
Du kennst Hami Nguyen noch nicht? Dann wird es aber höchste Zeit! Das musst du über Hami Nguyen wissen:
- Hami Nguyen ist 32 Jahre alt, wurde in Vietnam geboren, ist aber in Deutschland aufgewachsen, da ihre Eltern als Vertragsarbeiter:innen in DDR hier gearbeitet haben.
- Heute ist Hami Mutter einer dreijährigen Tochter und wohnt derzeit mit ihrer Familie in Frankfurt.
- Hami hat dieses Jahr den mutigen Schritt gewagt, ihren alten Job als Unternehmensberaterin zu kündigen und ist jetzt glücklich in ihrem neuen Beruf als Projektleiterin in einer bildungspolitischen Einrichtung.
- Auf ihrem Instagram-Profil @hamidala klärt Hami ihre Abonnent:innen über Themen wie Rassismus und Feminismus auf.
- In ihrer Freizeit spielt sie gerne Klavier, singt und schreibt.
Hami Nguyen im Interview: „Mein Aktivismus war keine bewusste Entscheidung von mir.“
Hami Nguyen sagt ihre Meinung offen und ehrlich. Auf ihrem Instagram-Profil gibt sie zudem kurze Info-Texte und Statements zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen. Eines dieser Themen hat uns besonders interessiert: der anti-asiatische Rassismus. Was das ist, wie unsere weekly heroine ihn erlebt hat und wie man ihn in Zukunft vielleicht verhindern kann, erfährst du hier im Interview.
wmn: Hami, in deiner Instagram-Biografie beschreibst du dich als „unfreiwillig aktivistisch“. Erkläre doch mal bitte kurz, was genau du damit meinst.
Hami Nguyen: Ich bin zwar in Vietnam geboren, aber hier in Deutschland aufgewachsen. Meine Eltern sind damals als Vertragsarbeiter:innen hier nach Deutschland gekommen. Allerdings nie mit dem Ziel, in Deutschland so richtig fußzufassen oder sogar integriert zu werden.
Eigentlich war es ja immer so angedacht, dass Vertragsarbeiter:innen nur für ein paar Jahre hier nach Deutschland kommen und dann wieder zurückgehen. Und deswegen habe ich auch eigentlich seit meiner Kindheit das Gefühl, hier nie wirklich willkommen gewesen zu sein – sowohl strukturell als auch institutionell.
Ganz lange wurden meine Eltern und ich hier nur geduldet. Bis ich 15 Jahre alt war, mussten wir ca. alle drei Monate zur Ausländer-Behörde gehen und jedes Mal darum bangen, dass wir hier in Deutschland bleiben können. Somit musste ich also von klein auf schon immer recht viel Verantwortung übernehmen. Ich habe mir selbst also nie ausgesucht, aktivistisch zu sein. Allein meine Existenz zwingt mich ja schon dazu, mich für meine Rechte und auch gegen Rassismus einzusetzen.
Heute kann ich glücklicherweise sagen, dass ich eine Stimme habe, die gehört wird und eine Plattform habe, auf der ich meine Meinung sagen kann und mich frei zu Themen äußern kann, die mir am Herzen liegen. Natürlich bin ich jetzt also aktivistisch, weil ich das will, aber in gewisser Weise wurde ich durch meine Herkunft in diese Rolle hineingedrängt. Damals war der Aktivismus keine bewusste Entscheidung von mir.
„Alle Asiat:innen werden in dieselbe Schublade gesteckt.“
wmn: Du nutzt Instagram, um dich gegen Rassismus einzusetzen und gehst dabei vor allem auf eine bestimmte Unterart des Rassismus ein: den anti-asiatischen Rassismus. Was kann man sich darunter vorstellen?
Hami Nguyen: Anti-asiatischer Rassismus ist eine Form des Rassismus, die so eigentlich fast nie berücksichtigt wird. Wenn man zum Beispiel im öffentlichen Diskurs über Rassismus spricht, werden asiatisch gelesene Menschen dabei häufig ausgeschlossen beziehungsweise einfach nicht mitgedacht. Das ist per se auch erst mal nicht so tragisch, allerdings sollte Rassismus nicht verallgemeinert werden.
Gerade der anti-asiatische Rassismus hat sich während der Corona-Pandemie noch stärker etabliert. Den Grund dafür sehe ich vor allem in den Medien. Wie häufig wurde in Schlagzeilen Covid-19 als das „China-Virus“ oder das „gelbe Virus“ bezeichnet?
Aber soweit muss es ja gar nicht kommen. Ein weiteres Beispiel für anti-asiatischen Rassismus ist, dass oftmals alle asiatisch gelesenen Menschen als Chines:innen bezeichnet werden. So steckt man im Prinzip alle Asiat:innen in dieselbe Schublade. Das wird vor allem dann zum Problem, wenn es negative Berichterstattung über Chines:innen gibt, die dann direkt auf alle asiatisch gelesenen Menschen übertragen wird.
„Auch positiver Rassismus ist Rassismus!“
wmn: Doch nicht jede Art von Rassismus ist immer so offen und direkt. Es gibt auch „positiven Rassismus“. Hast du damit schon mal Erfahrungen machen müssen?
Hami Nguyen: Das ist ein weiterer Teilaspekt des anti-asiatischen Rassismus. Wir, die asiatisch gelesenen Menschen, sind nämlich eine sogenannte „model minority“, also die Vorzeige-Migrant:innen des Landes. Das wird leider häufig so dargestellt, als wäre das etwas Positives. Aber das ist es ja nicht. Auch positiver Rassismus ist Rassismus.
Ich selbst musste da viel eher Erfahrungen mit internalisiertem Rassismus machen. Das ist Rassismus, den ich als Betroffenen gegen mich selbst habe. Erlebt hab‘ ich das, als ich mich als Studentin für einen Job als Kellnerin beworben habe. Da gab es ein Bewerbungsgespräch und der Chef meinte damals zu mir: „Wir haben auch schon eine Chinesin hier bei uns. Sie ist die fleißigste Mitarbeiterin hier.“
Ich habe mich dann dabei ertappt, wie ich gesagt habe: „Ja, das ist in unserer Kultur so. Wir sind alle so fleißig.“ Und das, obwohl ich nicht mal Chinesin bin, sondern nur um den Job zu bekommen.
„Ich wünsche mir mehr Akzeptanz für Probleme von Menschen mit Migrationsgeschichte.“
wmn: Wie kann man Rassismus in der Zukunft entgegenwirken? Glaubst du, dass er irgendwann ein Ende findet?
Hami Nguyen: Natürlich hoffe ich, dass sich in den nächsten Jahren noch einiges ändert und anti-asiatische Diskriminierungen und Rassismus im Allgemeinen irgendwann ein Ende finden. Ohne diese Hoffnung würde ich das, was ich jetzt mache, ja gar nicht machen (lacht).
Dafür muss sich allerdings noch sehr viel tun. Auf individueller Ebene kann schließlich jede:r etwas dazu beitragen. Wenn jemand am Familientisch eine rassistische Äußerung tätigt, sollte jede:r in der Lage dazu sein, dieser Person konstruktiv zu erklären, weshalb das nicht in Ordnung ist.
Aber auch auf struktureller Ebene lässt sich einiges verändern. Unsere Gesellschaft ist nun mal sehr divers und ich finde, man sollte sie auch einfach so abbilden, wie sie ist.
Man könnte zum Beispiel in Kinderbüchern mehr Diversität zeigen, indem man Menschen mit verschiedenen ethnischen Identitäten oder auch Menschen im Rollstuhl abbildet. Sehgewohnheiten sind einfach ein wichtiges Thema und das fängt nun mal schon bei den ganz kleinen Kindern an.
Auch auf politischer Ebene muss sich noch einiges tun. Ich wünsche mir zum Beispiel eine gerechtere Migrationspolitik. Es ist auf vielen Ebenen einfach sehr viel zu tun, aber wenn alle ein bisschen was machen, kann man damit sicherlich sehr viel erreichen.
wmn: Was wünschst du dir für die Zukunft?
Hami Nguyen: Ich wünsche mir mehr Empathie. Genauer gesagt wünsche ich mir, dass jede:r den Lebensrealitäten, die sich vielleicht von der Eigenen unterscheiden, etwas empathischer gegenübertritt. Ich wünsche mir außerdem mehr Raum und Akzeptanz für Probleme von Menschen mit Migrationsgeschichte. Wenn jede:r seinen oder ihren Teil zu einer Welt ohne Rassismus beiträgt, kann im Endeffekt ein gutes Leben für alle ermöglicht werden.
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