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Männer leiden unter dem Patriarchat genauso wie Frauen – überraschende Beispiele

Rebekka Endler zeigt mit dem „Das Patriarchat der Dinge“ anhand von Beispielen auf, wie sehr die Welt für Männer designt ist & wer darunter leidet.

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Frauen und Männer im Patriarchat - Darunter leiden sie. Foto: IMAGO / Ikon Images

Jede Woche stellen wir bei wmn eine Frau vor, die uns inspiriert und von der wir noch eine Menge lernen können. Diese Woche ist es Rebekka Endler. Eine Frau, die wie fast keine zweite für den modernen Feminismus steht und ihr berufliches Leben der Aufklärung von Themen wie dem Patriarchat und Gleichstellung zwischen Mann und Frau widmet. In ihrem neuen Buch „Das Patriarchat der Dinge“ erklärt Rebekka uns, wie sehr die Welt, in der wir leben, für Männer designt ist. Auch wenn es uns an vielen Stellen gar nicht auffällt …

Rebekka Endler – kurz & knapp:

Du hast bisher noch nie von Rebekka gehört? Das musst du über sie wissen:

  • Rebekka Endler ist freie Autorin, Journalistin und Podcasterin.
  • Sie sagt über sich selbst, dass sie erst mit dem Buch „Das Patriarchat der Dinge“ zur Feministin wurde.
  • Tatsächlich regt ihr Buch selbst bekennende Feminist:innen (wie mich) zum Nachdenken an. Die schiere Bandbreite der Informationen über unterschwellige Diskriminierungen hat mich überwältigt. Mir wurde klar: Wir wissen im Allgemeinen zu wenig über Frauen…

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Kennst du schon den Wein & Weiber Podcast vom wmn-Magazin? In dieser Folge diskutieren Mona & Lisa über die gefallenen VS-Models.

Was bedeutet eigentlich Feminismus?

Was genau Feminismus ist, das liegt immer im Auge des Betrachtenden. Manche würden sagen, dass Feminismus etwas Frauenspezifisches ist und dass Männer damit eigentlich nichts zutun haben. So ist sich beispielsweise der US-amerikanische Comedien Bill Burr und Louis C.K. sicher: „There is no such thing as a male feminist“ (zu deutsch: „Es gibt soetwas wie männliche Feminist:innen nicht“).

Dem ist so viel entgegenzusetzen, dass es an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde. Feminist:innen landauf landab sind sich aber sicher, das der Feminismus mehr kann als Frauen über Männer zu stellen. Er soll dazu beitragen, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte und Pflichten bekommen. Dazu gehört auch, dass die Männer nicht mehr unter dem Patriarchat leiden müssen.

Unter diesen Dingen leiden Männer im Patriarchat

Männer haben im Patriarchat zwar die Hosen an und genießen einige Vorteile, doch auch sie müssen mit den Stereotypen des Patriarchats leben. Dazu gehört unter anderem, dass sie eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft einnehmen müssen. Selbst in einer modernen Gesellschaft wird eher vom Mann erwartet viel Geld zu verdienen und damit eine Familie versorgen zu können. Während von Frauen erwartet wird, ein Händchen für Kinder zu haben, wird gleichzeitig von Männern erwartet, sich auf dem harten Arbeitsmarkt zurecht zu finden.

Rebekka Endler: Darum ist der Mann das Maß aller Dinge. Foto: Frederike-Wetzels

Rebekka Endler im Interview: „Ein feministisches Buch erreicht nur einen bestimmten Personenkreis“

Rebekka Endler erklärt, wie die Welt und die Gesellschaft für Männer konstruiert wurde. Doch das ist nicht ganz korrekt. Sie wurde vor allem für den Klischeemann konstruiert. Ein Mann, der technisch versiert ist, sich am liebsten in einem Baumarkt tummelt. Ein Mann, der körperlich stark ist und geistig so sehr abgestumpft, dass er fast gar nichts fühlt. Nagut, wir übertreiben ein wenig. But you get the idea. Rebekka Endler verbindet in ihrem Buch das Leid der Frauen unter dem Patriarchat und das Leid der Männer unter selbigem.

… Und genau darüber habe ich mit Rebekka gesprochen:

wmn: Woran liegt es, dass wir so wenig über das Patriarchat wissen? Meinst du, es liegt daran, dass es zu wenig Interesse dafür gibt, oder ist es im (männlichen) gesellschaftlichen Interesse, dass darüber nicht berichtet werden soll?

Rebekka Endler: Das ist eine sehr gute Frage, die schon den Kern der ganzen Sache trifft! Es gibt eine Art patriarchalen Selbsterhaltungstrieb: Bücher, Filme, Magazine, sogar ganze Forschungsgebiete, die sich mit dem Patriarchat beschäftigen, werden als „special interest“, also als randständige Nische wahrgenommen, welche nur wenige Menschen interessiert.

Dabei ist das Patriarchat allgegenwärtig und die Probleme, die es verursacht, betreffen alle Menschen, also auch cis-Männer. Die Wissensvermittlung ist auch ein Knackpunkt. Mir ist klar, dass ein feministisches Buch, alleine deswegen, weil es ein feministisches Buch ist, nur einen bestimmten Personenkreis erreicht, deswegen bin ich sehr froh und hoffnungsvoll, wenn Berichterstattung über das Thema streut und jenseits der üblichen Verdächtigen diskutiert wird.

„Mir wird vorgeworfen, ich würde auf ‚trendy Empörungswellen surfen'“

wmn: Wie ist das in deinem Umfeld? Lebst du in einer Bubble aus woken Feminist:innen oder stößt du mit deiner Meinung oft auf Granit?

Rebekka Endler: Unter den meisten meiner langjährigen Freund:innen wird viel gelesen, diskutiert, wir reiben uns und wachsen daran. Selbst der älteste und härteste aller Hunde gendert mittlerweile manchmal und hat mir Artikel für das Buch weitergeleitet.

Aber ich habe natürlich auch Menschen in meinem Bekanntenkreis, die das alles kategorisch für Quatsch halten, sich den Themen komplett verweigern und mir vorwerfen, ich würde auch „trendy Empörungswellen surfen“, als sei der Wunsch nach einer gleichberechtigten Welt nichts weiter als eine Mode, aber das sind keine Freundschaften (mehr).

Rebakka Endler erklärt, was es bedeutet in unserer Gesellschaft eine Frau zu sein. Foto: @Frederike-Wetzels

Feminismus kommt auch den Männern zugute!

wmn: Was ist dein schlagenstes Argument, um Menschen vom Feminismus zu überzeugen?

Rebekka Endler: Wir alle würden davon profitieren! Denn das Patriarchat verursacht auch Probleme für all diejenigen, die oberflächlich erst mal auf der Gewinnerseite zu sein scheinen, d.h. cis-Männer. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren immer häufiger gefallen ist, ist toxische Männlichkeit. Das sind Verhaltensweisen, die einem patriarchalen Bild entsprechen, sich aber schädlich für die Gesellschaft, aber auch für den individuellen Mann erweisen.

Der Mann ist das Maß aller Dinge. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Rebekka Endler

Das Rollenbild darüber, wie ein Mann zu sein hat (stark!), ist übrigens auch Schuld daran, dass eine Depression bei einem Mann länger unerkannt, oder als körperlicher Schmerz fehldiagnostiziert wird. Sehr viel Leid, körperliches wie psychisches, könnte vermieden werden, wenn wir uns davon frei machen könnten, wie Mann, oder Frau zu sein hat (und diese Zweiteilung als das ansehen, was es ist, nämlich ebenfalls patriarchales Design) und uns stattdessen gegenseitig Mensch sein lassen.

Sobald Männer in ein Berufsfeld treten, gibt es mehr Geld

wmn: Männliches und weibliches Design hat sich besonders in Werkzeugen vs. Küchengeräten manifestiert. Warum sehen wir Haushaltsgeräte deiner Meinung nach nicht als Technik an, während wir es bei Bohrmaschinen und Computern tun?

Rebekka Endler: Die Kurzfassung: Grundsätzlich messen wir Tätigkeiten einen anderen Wert zu, abhängig davon, ob sie eher von Frauen, oder von Männern gemacht werden. Haushalt wird „erledigt“, wohingegen Technik „beherrscht“ wird, kein Mensch beherrscht einen Pürierstab, eine Kreissäge hingegen schon. Dinge, die mal als „echte“ Technik galten wie das Telefon, verlieren diese Qualität, sobald sie in die Hände von „untechnischen“ Frauen geraten, wie die Telefonistinnen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts.

Auf der anderen Seite galt Codieren lange Zeit als weder besonders aufregend noch prestigeträchtig, deswegen waren die Anfänge von Software-Entwicklung (damals im Kriegs- und Weltraumkontext) Aufgabe von unterbezahlten Frauen. Das hat sich natürlich in den letzten Jahrzehnten komplett geändert. Wie und warum es dazu kam, sagt sehr viel über unsere Gesellschaft aus. Es ist bis heute so, dass wir in Berufsgruppen, die traditionell als weiblich gelten, einen Anstieg der Gehälter verzeichnen, sobald Männer den Beruf ergreifen.

Weiterlesen: Willst du etwas über die Telefonistinnen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wissen? Dann schau doch mal in diesem Artikel vorbei!

Darum ist ein Mixer weiblich & eine Bohrmaschine männlich

wmn: In deinem Buch beschreibst du die Drill Dolphia und den Mega Hurricane Mixer. Kannst du unseren Leser:innen anhand dieser Beispiele das Cross-Dressing erklären?

Rebekka Endler: Die schwedische Produktdesignerin Karin Ehrnberger hat einen Versuch gemacht. Zu diesem Zweck hat sie einen Stabmixer designed, der unbemerkt in einem Werkzeugkeller zwischen Bohrmaschine und Kreissäge hängen könnte.

Der Mega Hurricane ist olivgrün und schwarz, mit neon-organgenem Sicherheitsschalter, hat verschiedene Aufsätze, 27 Gänge, die auf einem Leuchtdisplay abzulesen sind, ein schweres Geschütz. Außerdem hat sie eine Bohrmaschine designed mit einer weißen, fließenden Form, leicht und „Dolphia“ steht in geschwungengen, hellblauen Buchstaben auf der Seite, außerdem kommt sie mit einem An- und Aus-Schalter aus.

Hier kommst du zu der Studie von Karin Ehrnberger.

Mega Hurricane & Dolphia: Mehr Fotos findest du hier: http://www.ijdesign.org/index.php/IJDesign/article/viewFile/1070/530

Beide Gegenstände hat sie ohne weitere Anweisungen von Proband:innen beschreiben lassen und dabei festgestellt, dass unabhängig vom Geschlecht sich alle einig waren, dass Dolphia „schwach“ und von „minderwertiger Qualität“ ist und eine Bohrmaschine „speziell für Frauen“ ist. Mega Hurricane hingegen wurde als besonders „kraftvoll“, „hochwertig“ und „professionell“ beschrieben.

„Speziell für Männer“ fiel nicht, worin Ehrnberger eine Bestätigung dafür sieht, dass „für Männer“ der Desingstandard ist und es daher nicht explizit als solches bezeichnet werden muss. Das ist natürlich bloß ein Experiment, aber das Ergebnis, dass der Mann das unausgesprochene Maß vieler Dinge ist, habe ich an unzähligen Beispielen über alle Bereiche des täglichen Lebens feststellen können.

Weiterlesen über Feminismus…

Eigentlich müssten wir so viel mehr über das Patriarchat wissen

wmn: Wahrscheinlich kommt diese Frage von allen deinen Leser:innen: Welcher Fakt in deinem Buch hat sich selbst am meisten schockiert?

Rebekka Endler: Tatsächlich werde ich das seit Erscheinen immer wieder gefragt und natürlich sind die Bereiche, in denen es um Leben und Tod geht, wie Medizin oder Fahrzeugsicherheit schockierend.

Aber als ich mit dem Schreiben fertig war und ich am Ende fast 300 Seiten rausgekürzt habe, hat mich die schiere Menge an patriarchalem Design, auf die ich ohne jegliche investigative Recherche gestoßen bin, fertiggemacht, denn ich habe ja gar nichts aufgedeckt, sondern lediglich Wissen zusammengetragen, das andere erforscht haben, sprich Wissen, das teilweise schon seit Jahrzehnten existiert.

Ebenso schockierend ist die Menge an Dingen, die wir nicht wissen, weil es keine belastbaren Daten dazu gibt, schlicht, weil sie bisher nicht erhoben wurden. Auch das betrifft jeden Bereich unseres Lebens. In diesem Zusammenhang will ich das Buch „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado Perez nennen, das sich gerade mit diesem Datenungleichgewicht und der daraus resultierenden patriarchalen Macht beschäftigt.

Nach Rebekka Endler: Noch mehr weekly heroines?

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