Hadnet Tesfai ist TV- und Radiomoderatorin und im Alter von drei Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren drei Geschwistern von Eritrea nach Deutschland geflüchtet. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als Schwarze junge Frau vor dem Fernseher saß und mich das erste Mal, neben Arabella Kiesbauer, eine Frau anlächelte, die genau so aussah wie ich. Als ich dann auch noch erfuhr, wie sehr sich Hadnet für Rassismus einsetzt und in ihrer Talkshow über interkulturelle Liebe spricht, war mir klar, dass wir sie unbedingt zu unserer weekly heroine küren mussten. Auf wmn stellen wir jede Woche Frauen vor, die uns nicht nur inspirieren, sondern auch empowern und von denen wir viel lernen können.
Hadnet Tesfai – kurz & knapp
Du hast noch nie von Hadnet Tesfai gehört? Das muss sich schleunigst ändern!
- Hadnet ist im Schwabenland aufgewachsen und lebt jetzt in Berlin
- Sie stand bereits für Pro7, ZDF Kultur, Arte, 3Sat und den rbb vor der Kamera
- In ihrer Talkshow Five Souls widmen sich Hadnet, Thelma und Tasha Themen, die sie bewegen – tabulos und authentisch!
Hadnet Tesfai: „Viele mein Kolleg:innen hatten das Gefühl, instrumentalisiert zu werden.“
wmn: Gemeinsam mit Tasha Kimberly und Thelma Buabeng widmet ihr euch in eurer Talkshow Five Souls u. a. den Themen Sex, Liebe und zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie kam es zu diesem Format?
Hadnet: Ich bin im Sommer 2020 gefragt worden, ob ich mir vorstellen könnte, eine Talkshow von und für PoC zu moderieren. Zu dem Zeitpunkt standen alle nach dem Mord an George Floyd und den weltweiten BLM Protesten unter Schock. Im ersten Augenblick hielt ich den Vorschlag für eine spontane Aktion, was ich sehr eigenwillig gefunden hätte.
Dann stellte sich aber sehr schnell heraus, dass die Sendung schon länger in Planung war. Das war wichtig für mich, weil zu der Zeit so viele kopflose Projekte und Anfragen bei mir ankamen, die nichts weiter als eine unüberlegte Reaktion auf die vielen Fragen waren, die sich ganz plötzlich ganz viele Menschen gestellt haben.
Hadnet Tesfai: „Wenn man sich in eine romantische Beziehung begibt, hat man eine andere Verantwortung.“
wmn: In einer Folge geht es um die interkulturelle Liebe. Wieso ist es wichtig, über dieses Thema zu sprechen?
Hadnet: In so einer globalisierten Welt, wie der unsrigen, glauben wir immer, die „anderen“ zu kennen. Wir sind miteinander aufgewachsen, hatten vielleicht Freund:innen, die einen anderen Background haben, sind mit ihnen zu Schule oder in den Verein gegangen. Wenn man sich aber in eine romantische Beziehung begibt mit einer Person, die kulturell oder religiös anders sozialisiert ist als man selber, hat man, finde ich, eine andere Verantwortung für diese Person.
In dem Moment ist die Liebe nicht genug! Man ist als der Teil, der mit den Normen, Bräuchen und Traditionen der Mehrheitsgesellschaft aufgewachsen ist, dem anderen Teil gegenüber verpflichtet, sich bewusst, mit der Art, in der er/sie aufgewachsen ist, auseinanderzusetzen. Über viele Unterschiede können wir lachen, wir können uns über sie freuen, weil sie uns so bereichern. Über andere Unterschiede müssen wir ernster sprechen, gerade wenn es zum Beispiel um Rassismus geht.
Hadnet Tesfai: „Die Gespräche mit meinem Mann und mir waren schon immer sehr offen.“
wmn: Du lebst selbst in einer interkulturellen Ehe. Wie empfindest du es, eine interkulturelle Beziehung in Deutschland zu führen?
Hadnet: Ich bin eine Person, die sich schon lange stark mit ihrem eigenen Schwarz Sein auseinandersetzt. Seit ich Mutter bin, auch sicher noch mal intensiver, daher waren die Gespräche zwischen meinem Mann und mir schon immer sehr offen. Und doch würde ich sagen, dass die Tatsache, dass der Diskurs, der bis vor zwei Jahren kaum in der Mitte der Gesellschaft stattgefunden hat, gerade durch seine neue Öffentlichkeit auch für uns etwas verändert hat.
In anderen Ländern wie beispielsweise den USA, der Karibik oder UK werden Themen wie Critical Race Theory und Systeme wie Rassismus, einfach auch aufgrund der Bevölkerungszusammensetzung anders besprochen. Da ist man sowohl in der Forschung als auch in der Diskussion schon weiter.
Hadnet Tesfai: „Es wurde offen diskutiert, wie Schwarz oder weiß meine Kinder wohl werden.“
wmn: Hast du persönlich jemals negative Erfahrungen sammeln müssen, weil dein Partner und du unterschiedlicher Herkunft seid?
Hadnet: Wirklich angemeckert wurden wir nur in den USA im Urlaub. Aus dem fahrenden Auto heraus. Also noch nicht mal von Angesicht zu Angesicht. In Europa gab es noch keine wirklich feindseligen Momente und Begegnungen.
Interessant finde ich aber das Interesse, am Aussehen unserer Kinder. Als ich noch schwanger war, wurde auch in meiner Anwesenheit recht offen darüber diskutiert, wie Schwarz oder weiß wohl die Kinder werden könnten. Das fand ich sehr verstörend und unangebracht.
Hadnet Tesfai: „Wie mein Mann sich über das Essen hermacht, lässt das Herz meiner Mutter tanzen.“
wmn: Eine interkulturelle Beziehung zu führen kann bereichern, aber sie zeigt auch Unterschiede auf. Welche davon spielten in deiner Ehe oder früheren Beziehungen eine Rolle?
Hadnet: Ich habe die fränkische Kultur kennengelernt und weiß Klöße ganz anders zu schätzen. Mein Mann kann bald besser zu eritreischer Musik tanzen als ich und wie er sich über das Essen hermacht, lässt das Herz meiner Mutter tanzen.
Wir merken aber natürlich immer wieder, wie unterschiedlich wir aufgewachsen sind. Nicht nur kulturell, sondern auch die Finanzstärke unserer jeweiligen Familien betreffend. Aber wir wissen drum und gehen entsprechend damit um. Und das ist alles, worum es am Ende geht.
Hadnet Tesfai: „Jede Beziehung hat andere Herausforderungen.“
wmn: Haben Ehepartner:innen aus verschiedenen Kulturen mit anderen Problemen zu kämpfen als andere. Wenn ja, mit welchen?
Hadnet: Ich glaube, ja. Nicht mehr Probleme, aber andere. Das betrifft aber auch Partner:innen, die mit religiösen Unterschieden konfrontiert sind oder aber sehr unterschiedlichen Schichten zugehören. Jede Beziehung hat andere Herausforderungen und am Ende geht es immer darum, dass man unterschiedlich sozialisiert ist, vielleicht manche auch identitätsstiftende Merkmale nicht teilt.
Das muss auf zwischenmenschlicher Ebene gar keine Rolle spielen, tut es aber auf gesellschaftlicher Ebene oft und weil wir alle keine Insel sind, weder als Individuen noch als Paar, müssen wir daran arbeiten und darüber sprechen.
Hadnet Tesfai: „Es reicht nicht, wenn er nicht rassistisch ist.“
wmn: Was war die schwerste Herausforderung, der du dich aufgrund deiner interkulturellen Beziehung stellen musstest?
Hadnet: Da ich nie mit jemandem zusammen sein könnte, der auch nur im Ansatz rassistisches Gedankengut hegt, hält sich das mit der Schwere der Herausforderungen in Grenzen. Mir war immer wichtig, dass mein Partner versteht, was es auch von ihm verlangt, eine Schwarze Familie zu haben.
Dass es mir nicht reicht, wenn er nicht rassistisch ist, sondern dass er aktiv anti-rassistisch sein muss. Das ist aber eine Forderung, die ich auch meinen engsten Freund:innen gegenüber so formuliere.
Hadnet Tesfai: „Kann ich von ihm erwarten, dass er das Gleiche empfindet wie ich?“
wmn: Rassismus, BLM oder die Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen – all diese Dinge gehen nicht spurlos an einem vorbei. Gerade, wenn man selbst davon betroffen ist. Sprichst du mit deinem Mann über deine Ängste und Sorgen und ist er als weißer Mann die richtige Ansprechperson für dich?
Hadnet: Ja, natürlich spreche ich mit ihm darüber. Muss ich. Mein Mann ist meine wichtigste Vertrauensperson. Aber kann ich von ihm erwarten, dass er bei aller Empathie, Liebe und Verständnis für mich das exakt Gleiche empfindet wie ich? Das kann er gar nicht. Und doch heißt das nicht, dass ich mit meinen Gefühlen in solchen Momenten nicht gut bei ihm aufgehoben bin.
wmn: Was würdest du sagen, wenn dir die Welt für eine Minute zuhören würde?
Hadnet: Dass wir die Art und Weise, wie gerade der globale Norden lebt, hinterfragen müssen und dass wir uns ehrlich beantworten müssen, auf wessen Kosten dieser Standard über Jahrhunderte finanziert wurde und wird.
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