„Entschuldigung, haben wir uns schon einmal gesehen? Woher kennen wir uns noch einmal?“ Wenn du diese Fragen schon öfters einmal stellen musstest, leidest du vielleicht an Prosopagnosie und hast generelle Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen und diese jemandem zuzuordnen.
Darunter leiden zwar nur 2 % der Bevölkerung, allerdings sind das nach aktuellem Stand knapp 156 Millionen Menschen weltweit. Aber was verbirgt sich hinter der Diagnose Prosopagnosie?
Alles, was du zum Thema „Prosopagnosie“ wissen musst:
Was bedeutet Prosopagnosie?
Stell dir vor, du kannst morgens nicht mehr deinen Partner erkennen. Geschweige denn deine Arbeitskollegin, mit der du tagtäglich zusammen arbeitest. Klingt unvorstellbar? Für Betroffene ist es das leider nicht. Prosopagnosie ist auch unter dem Namen Gesichtsblindheit bekannt und ist keine Krankheit, sondern eine Wahrnehmungsstörung.
Gesichtsblinde Menschen sehen zwar Augen, Nase, Mund und sind in der Lage, Gefühle und das Alter Anderer einzuschätzen, allerdings können sie daraus kein Bild einer Person zusammensetzen, an die sie sich erinnern können. Sie können Mitmenschen nicht am Gesicht erkennen und schwer auseinanderhalten. Die Wahrnehmungsstörung kann allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt werden.
Wenn sich die Person aber umdreht, kann ich mich nicht mehr daran erinnern. – Betroffene Steffi Wiegel gegenüber Deutschlandfunk Nova.
Prosopagnosie: Symptome der kognitiven Störung
Bei Betroffenen mit einer schwächeren Form ist die Gesichtsblindheit oft angeboren. Sie tun sich schwer damit, Gesichter zu erkennen, aber erklären es sich oft damit, dass sie sich Gesichter schlecht merken können. Diese leichte Form bleibt oft unerkannt, weil die Personen die fehlende Gesichtserkennungsfähigkeit lediglich als persönliche Schwäche einschätzen.
Die stärker ausgeprägte Variante führt dazu, dass Prosopagnostiker langfristig Gesichter schlecht wahrnehmen, was zu Personenverwechslungen und starken Gesichtsfeldlücken führt.
Ist die Störung noch weiter ausgeprägt, können die Menschen die Gesichter nur kurzfristig erkennen und zuordnen, nach ein paar Minuten ist dies jedoch wieder vergessen.
Sind die Gesichter nur als verschwommene Flecken wahrnehmbar, handelt es sich um eine starke Ausprägung der Gesichtsblindheit. In diesem Fall ist die Struktur und Dreidimensionalität der Gesichter nicht vorhanden, wodurch menschliche Gesichter sogar mit Gegenständen oder Tieren verwechselbar sind.
Die Ursachen von Prosopagnosie
Man fühlt sich egozentrisch und man denkt auch, vielleicht musst du dich mehr konzentrieren. Oder sind mir Leute egal, dass ich sie nicht erkenne? – Prosopagnosie-BetroffenerS
Die Gründe für die Gesichtsblindheit lassen sich in erworbene und angeborene Gründe unterteilen. Bei den erworbenen Prosopagnosien wird das Gehirn im Laufe des Lebens geschädigt, wodurch sich die Wahrnehmungsstörung entwickelt. Ursachen dafür können ein Schlaganfall, ein Kreislaufstillstand und ein Hirntumor sein oder auch starke Kopfverletzungen.
Die meisten Betroffenen leiden allerdings von Geburt an unter der Gesichtsblindheit: „Viele Menschen können von Geburt an keine Gesichter erkennen„, so Professor Ingo Kennerknecht vom Institut für Humangenetik der Universität Münster. Dabei sind Männer und Frauen gleichermaßen davon betroffen.
Hilfe gegen die Wahrnehmungsstörung
Bisher ist Prosopagnosie nicht heilbar. Dafür entwickeln viele Prosopagnostiker verschiedene Strategien, um im Alltag dennoch zurecht zu kommen. Regelmäßiges Training kann Betroffenen helfen andere Menschen an der Stimme, der Haltung, dem Gang oder Gestik zu erkennen. Auch erkennbare Merkmale im Gesicht wie Narben oder Brillen sind ebenfalls Orientierungshilfen.
Beim Üben kann auch ein Neuropsychologe helfen. Eine andere Taktik: Mit der Brille von OrCam können durch eine Zusatzfunktion Bilder von Mitmenschen aufgenommen und zusammen mit deren Namen abgespeichert werden. Beim nächsten Treffen wird nach Angaben des Unternehmens eine akustische Informationen abgegeben, um welche Person es sich handelt. So fehlt die Störung nahezu nicht auf.
Prosopagnosie: gravierend & selten, aber mit guten Kompensationsmöglichkeiten
Die Prosopagnosie als sogenannte Gesichtsblindheit sorgt dafür, dass Betroffene Gesichter zwar nicht erkennen können, allerdings können die Prosopagnostiker trainieren sich andere charakteristische Merkmale wie Stimme oder Haltung einzuprägen.
Die Störung ist jedoch nicht zu verwechseln mit Aphantasie: Bei diesem Phänomen können zwar Gesichter erkannt werden, allerdings leiden die Personen darunter, dass sie keine Menschen oder Gegenstände im Kopf visualisieren können. Stattdessen sehen Betroffene nur schwarz.
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