Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beeinflusst das Verhalten von betroffenen Menschen und äußert sich in Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten und impulsivem Handeln. Laut ADHS-Deutschland sind in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen von ADHS betroffen. Viele wissen es aber nicht. Ein Trend auf TikTok lässt Menschen mit ADHS ihre Symptome teilen, um anderen User:innen eine Selbst-Diagnose zu ermöglichen.
Anzeichen für ADHS: Kann man sich selbst diagnostizieren?
Es ist gefährlich, sich selber mit ADHS zu diagnostizieren
Der Trend, sich selbst mit ADHS zu diagnostizieren, kann aus mehreren Gründen gefährlich sein. Erstens ist ADHS eine komplexe Störung, die eine korrekte Diagnose durch eine ausgebildete medizinische Fachkraft erfordert. Die Symptome von ADHS können sich auch mit anderen Erkrankungen überschneiden, und eine Fehldiagnose oder falsche Behandlung kann zu schwerwiegenden Folgen führen.
Zweitens kann die Selbstdiagnose zu einem Bestätigungsfehler führen, bei dem die Betroffenen ihr Verhalten und ihre Erfahrungen durch die Brille von ADHS interpretieren, was möglicherweise nicht angemessen ist. Dies kann zu unnötigen Medikamenten oder anderen Behandlungen führen, die möglicherweise schädlich sind.
Schließlich kann die Selbstdiagnose die Erfahrungen derjenigen, bei denen ADHS offiziell diagnostiziert wurde, trivialisieren, da sie die Ernsthaftigkeit der Störung untergräbt und zu Stigmatisierung und Missverständnissen führen kann. Es ist wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und eine richtige Diagnose zu erhalten, wenn du vermutest, dass du an ADHS oder einer anderen psychischen Erkrankung leidest.
Wie diagnostizieren sich User:innen auf TikTok selber mit ADHS?
Auf TikTok kursieren hunderte Videos von Menschen, die einander Tipps geben, wie man sich am besten selber mit ADHS diagnostiziert. Der User Pbsquamer hat ein Video gepostet, in dem er erklärt, dass er letztens ein ADHS-Test machen musste. Eine der Fragen, die ihm in den Test gestellt worden sind, war, ob er Menschen ausreden lässt, oder die Sätze für diese vollenden will. Seine Antwort war, dass er natürlich sein Gegenüber aussprechen lässt. Der Test ist dann weitergegangen und hat gefragt, ob das als er ein Kind war auch schon der Fall war. Diese Frage verneint er.
Kurz darauf hat sein:e Ärzt:in ihm erklärt, dass Menschen, die im Kopf die Sätze von ihrem Gegenüber vollenden, höchstwahrscheinlich an ADHS leiden. Pbsquamers Video wurde bis dato fast 1 Million mal geliked und andere User:innen haben kommentiert, dass es ihnen genau so geht. Aber, ist da auch was dran? Kann man sich so einfach selber diagnostizieren?
Warum diagnostizieren sich Menschen selber mit ADHS?
In Deutschland liegt die Wartezeit für eine ADHS-Diagnose bei knapp ein bis eineinhalb Jahren. Genau wie bei anderen Arztterminen ist es zusätzlich auch hier nicht so einfach einen Termin zu bekommen.
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Als Test habe ich mal auf Doctolib geschaut, wie schnell man als gesetzlich Versicherte einen Termin bei eine:m Psychiater:in in Berlin buchen kann. Die Antwort? Ich habe kein verfügbaren Termin gefunden und konnte somit nichts buchen. Um einen Termin zu bekommen, sollte man also bei allen Psychiater:innen in seiner Umgebung anrufen und sich auf eine Warteliste setzen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen sich im Internet versuchen selber zu diagnostizieren.
Es ist gefährlich, sich selber zu diagnostizieren
Rein technisch kann man hier auch nicht von einer Diagnose reden, da der Großteil der Menschen auf TikTok kein:e Psychiater:innen sind. Somit steigt das Verteilen von Falschinformationen zu ADHS auf TikTok enorm und wird zusätzlich auch noch vereinfacht.
Gegenüber dem Magazin Everyday Health hat der pensionierte kognitive Psychologe und Autor John F. Tholen, PhD erklärt: „Die Gefahr der Selbstdiagnose in den sozialen Medien besteht darin, dass sie häufig falsch ist. Wie jede:r Fachmann/ Fachfrau bestätigen kann, ist die Erstellung einer psychiatrischen Diagnose ein komplizierter Prozess, der oft subtile Unterscheidungen erfordert. Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Erleben von Symptomen und dem Vorliegen einer Störung.“