Einparken und Shoppen. Reden und Schweigen. Über Männer und Frauen kursieren mehr Geschlechterrollen-Klischées als man zählen kann. Wir wollen heute mit einem Vorurteil aufräumen, das an die Substanz geht: Das Essverhalten von Männern und Frauen im Vergleich.
Geschlechterrollen: Pralinen für die Dame, Steak für den Herrn
Restaurantbesuch. Mann und Frau sitzen sich gegenüber am Tisch. Silbernes Besteck und zwei Gläser feinsten Rotweins zieren den Tisch. Das dritte Date läuft viel besser an als erwartet; es wird gescherzt, gefratzelt und sich tief in die Augen geblickt.
Warum stellen wir uns bei einer solchen Szene den Mann mit riesigen Bolognese-Teller und die Frau mit einem kleinen Rucola-Salat vor? Wir wollen herausfinden, ob das Essverhalten bloß den anerzogenen Geschlechterrollen entspricht, oder ob mehr dahintersteckt. Haben Männer und Frauen verschiedene Geschmacksnerven, oder sind sie gesellschaftlich anerzogen?
Was für die biologische Erklärung spricht:
Männer haben einen höheren Kalorienverbrauch als Frauen. Circa 2300 kcal verbrennt der Otto-Normal-Mann täglich – ganze 500 kcal mehr als die Otto-Normal-Frau. Möglich, dass da gerade energiereiches Essen wie Rindsbraten und Schweinshaxe die Extrakalorien füllen.
Frauen schmecken besser. Nein, Ladys. Wir sprechen jetzt mal nicht von eurem Aroma untenrum… Frauen haben eine größere Anzahl Geschmacksnerven auf der Zunge und sind deshalb in der Lage Geschmack intensiver wahrzunehmen. Vielleicht kann sich das weibliche Geschlecht deshalb für weniger intensive Lebensmittel wie Salat begeistern. Männer scheinen den herzhaften Fleischgeschmack zu brauchen.
Was für die anerzogene Erklärung spricht:
Geschlechterrollen werden in unserer Gesellschaft durch Eindrücke von außen gefestigt und gestärkt. Cleveres Marketing und Werbung bringen Männer und Frauen noch weiter auseinander als sie es ohnehin schon sind.
Jeder erinnert sich an die durchaus geniale Fernsehwerbung des Pizzaburger von Dr. Oetker (2013). Die Szene geht wie folgt: Zwei Männer kommen auf die grandiose Idee, sich einen Pizzaburger aufzubacken. Jeder hält eine Flasche Bier in der Hand.
Ihre Girlfriends beobachten sie aus dem Nebenzimmer, vollkommen perplex. Sie scheinen nicht zu verstehen, wie man sich ein solches Essen zubereiten kann. Wahrscheinlich versuchen sie sich gerade im Intervallfasten und rühren sich nur noch Kokosblütenzucker in ihren Chai Latte.
“Für euch, die ihr keinen Appetit habt, sondern Hunger. Fingerfood für Fäuste.”
Alles an dieser Werbung schreit “Mann!” Der Pizzaburger ist also offensichtlich eine männliches Produkt. Fleisch, Herzhaftes und Fettiges sind in der Werbung also ausschließlich Männern vorbehalten.
‘Echte’ Männer kennen keine Diät. Sie essen Pizza und Burger – am besten beides zusammen. Männer werden dazu animiert, sich in ihrem Körper wohlzufühlen, weder auf eine gesunde Ernährung, noch auf ihren wachsenden Bierbauch zu achten.
„Aber ohne Fett. Denn wer braucht schon fett?“trällert Heidi fröhlich.
Frauen bekommen aber auch ihre Schnitte ab: Süß und bunt soll es sein. Gerne cremig, aber bitte leicht. Warum wohl nehmen sich die Werbemacher dieser Welt am liebsten Heidi Klum und Konsorten, um für Katjes und Co. zu werben? Frauen achten auf ihre Figur. Sie essen Salat, Joghurt und Äpfel.
Wenn Frauen Pizza essen, dann wird es spielerisch als “Sünde” bezeichnet. Und später ganz ernsthaft auf dem Laufband wieder abtrainiert.
Geschlechterrollen sind tief in unseren Köpfen verwurzelt
Wir könnten argumentieren, dass Frauen nun einmal weniger Kilokalorien benötigen, um über die Runden zu kommen. Logisch, dass sie da eher zu fettärmeren und kalorienfreien Lebensmitteln tendieren.
Falsch! Paul Freedman beschreibt in seinem Buch “American Cuisine: And how it got this way” die Entwicklung der amerikanischen Küche. Er schreibt beispielsweise darüber, dass Frauen und Männer Ende des 18ten Jahrhunderts noch genau die gleichen Essgewohnheiten hatten.
Mit dem Beginn des 19ten Jahrhunderts änderten sich zunächst noch nicht die Essgewohnheiten der Geschlechterrollen. Zunächst änderte sich vor allem eines: Die Werbeindustrie. Frauen bekamen auf einmal auf sie zugeschnittene Werbeslogans, Frauen-Food und eigene Restaurants, in denen vorrangig Süßes und Zuckriges serviert wurde. Ob all der Neuerungen kauften die Frauen die bunten Zuckerbomben und galten fortan als Schleckermäuler.
Das Image, dass Frauen mehr Süßes essen als Männer und “einfach nicht widerstehen” können, hält sich bis heute hartnäckig. Stimmt aber nicht. Männer essen mehr Süßes als Frauen. Doppelt so viel.
Fazit – Die Natur überwiegt die Geschlechterrollen
Die Tatsache, dass Männer im Schnitt mehr Kalorien zu sich nehmen, ist biologisch bedingt. Sie scheinen dabei aber den gleichen Heißhunger auf Süßkram zu haben wie Frauen. Doch die Geschlechterrollen lassen uns hartnäckig an dem Klischée festhalten, dass Männer Fleischfresser und Frauen Naschkatzen sind. Gesund ist für beide Geschlechter weder das Verbieten, noch das sinnsole Fressen. Intuitives Essen ist die Lösung!