Jede Woche küren wir bei wmn eine Frau zu unserer Weekly Heroine. Eine Frau, die uns persönlich inspiriert und von der wir uns eine Scheibe abschneiden wollen. Diese Woche ist das Sophia Thiel, eine der stärksten Frauen, die wir derzeit in der deutschen Onlinewelt sehen können. Beinahe täglich spricht sie mit ihrer Instagram- oder auch YouTube-Community über ihre psychischen Probleme und wie sie gerade versucht, da herauszukommen.
Wer ist Sophia Thiel?
Sophia Thiel ist seit Beginn des Jahres 2021 wieder auf der Bildfläche aufgetaucht. Die 26-Jährige hatte sich mehr als ein Jahr vollkommen aus dem Internet und von ihrer Community zurückgezogen. Sophia ging es körperlich und seelisch so schlecht, dass sie keinen anderen Ausweg sah, als einen harten Cut in ihrem Leben zu vollziehen. Heute wissen ihre Fans: Sophia Thiel entwickelte über den Druck immer perfekt auszusehen, eine Essstörung und litt darunter jeden Tag ihres prominenten Lebens.
Sophia Thiel, kurz & knapp
Sophia Thiel ist gerade eine der bekanntesten deutschen Influencer:innen überhaupt. Berühmt geworden ist sie durch ihre heftigen Sportprogramme und ihren atemberaubend trainierten Bodybuilder-Körper. Sophia hat sich aber seit einigen Jahren vom Bodybuilding und Wettkämpfen abgewandt. Stattdessen hat sie sich eine treue Fanbase aufgebaut, die Sophia so lieben wie sie wirklich ist.
- Sophia Thiel ist 26 Jahre alt und wohnt in München.
- Mit ihrem Freund Rafael zusammen baut sie gerade eine eigene Firma auf. Noch ist nicht klar, worum es dabei gehen wird.
- Mit ihrer Community spricht sie ganz offen und ehrlich über ihre Essstörung Bulimie und erklärt, wie sie diese versucht zu bekämpfen.
Mit wmn hat sie ein ehrliches Interview über ihr jetziges Leben, den Blick in die Zukunft und sinnvolle Überlebensstrategien geführt.
wmn: Seit wann hast du die Essstörung und was glaubst du, wie lange sie dich noch begleiten wird? (Egal, ob aktiv oder “passiv”.)
Sophia Thiel: Ich denke, ich hatte schon seitdem ich klein war, immer ein komisches Verhältnis zum Essen. Es lag dann auch nicht nur an einem speziellen Faktor, dass die Essstörung dann letztendlich zum Ausbruch brachte – viele verschiedene Faktoren kamen dabei zusammen. Die Diagnose ‚Essstörung‘ habe ich erst ziemlich spät, in meiner Social Media Auszeit, von meiner Therapeutin erhalten. Dabei falle ich bei ‚Bulimia Nervosa‘ in ein genaues Muster und es hat mich ungefähr fünf Jahre lang begleitet. Gottseidank ist die schlimmste Zeit vorbei, wobei man schwer von einer kompletten ‚Heilung‘ sprechen kann. Mit einer Suchterkrankung hat man meist sein gesamtes Leben auf einer Weise zu tun. Man kann jedoch definitiv einen Weg dafür finden, damit ihm Leben umzugehen. Dadurch wird es leichter.
wmn: Esssucht wird oft wie eine Drogensucht beschrieben: Kannst du das bestätigen?
Sophia Thiel: Nunja, je nachdem wie ausgeprägt die Erkrankung ist. Ich bin zwar keine Psychologin, aber es gibt bei fast allen Suchterkrankungen Parallelen. Bei einer Essattacke oder auch einem Drogenrausch gibt es ähnliche physische Anzeichen und haben einen ähnlichen Ablauf. Aufgrund eines bestimmten Triggers entsteht ein großes Unbehagen und die innere Anspannung wächst. Man wird nervös, der Herzschlag steigt und denkt immer zu an die Substanz, bis man es nicht mehr aushält und alles dafür tut, um an diese zu gelangen. Diese Substanz kann beispielsweise Alkohol, Drogen, Nikotin oder eben Essen sein. Man fühlt sich wie im Rausch und nicht mehr seiner selbst. Nach dem Kontrollverlust fühlt man sich im Anschluss sehr schlecht.
wmn: Ist es manchmal komisch, dass du mit Rafael zusammenwohnst und er von deiner Essstörung weiß? Ist das eher triggernd für dich oder bist du mit ihm vollkommen entspannt?
Sophia Thiel: Bei ihm bin ich mittlerweile vollkommen entspannt, da er von meiner Essstörung weiß und mich in allen Bereichen enorm unterstützt. Zu Beginn unserer Beziehung wollte ich ihn vor diese Seite von mir um jeden Preis bewahren, bis er es selbst irgendwann herausfand. Heute bin ich froh darüber, dass er mein ‚Päckchen‘ kennt, aber hat das eigentlich nicht jeder von uns in irgendeinem Bereich seines Lebens?
wmn: Welches Essen triggert dich am meisten und wieso?
Sophia Thiel: Sehr stark verarbeitetes Essen, wie Fast Food, Süßigkeiten … Dabei kommt bei mir immer noch unterschwellig der Gedanke hoch: „Das ist total ungesund und falsch“. Ich kann es heute schon essen, doch bin ich immer sehr vorsichtig, dass meine Gedanken um das Essen nicht zu negativ werden und somit ein Essanfall provoziert wird.
wmn: Welche Literatur hilft dir dabei, dich von deinen Zwängen zu lösen? Kannst du unseren Leser:innen etwas empfehlen?
- ‚Essattacken stoppen‘ von Christopher G. Fairburn
- ‚Brain over Binge‘ Kathryn Hansen
- Und natürlich mein Buch als Hilfestellung sich professionell Hilfe zu holen ‚Come Back Stronger‘
wmn: Psycholog:innen sprechen davon, schlechte Gewohnheiten gegen bessere Gewohnheiten auszutauschen. Machst du das auch so? Welche Gewohnheiten willst du dir “antrainieren”?
Sophia Thiel: Naja, es ist nicht immer leicht, einfach eine schlechte durch eine gute Gewohnheit auszutauschen. Psychologen arbeiten in der Verhaltenstherapie mit der aktuellen Situation und versuchen negative Verhaltensmuster zu analysieren und aufzubrechen. Daran arbeite auch ich immer noch. Gleichzeitig sollte man sich mehr darauf konzentrieren, welche Stärken man noch weiter ausbauen oder implementieren möchte. In meinem Fall möchte ich mir eine noch gesündere und intuitivere Ernährungsweise angewöhnen. Daneben möchte ich auch meinen Koffeinkonsum reduzieren und mich mehr stretchen, da ich sehr unbeweglich bin. (lacht)
wmn: Haben sich schon viele andere Menschen durch deine Offenheit dadurch ermutigt gefühlt, auch über ihre Essstörungen zu sprechen?
Sophia Thiel: Das ganze Thema ‚mental health‘ ist definitiv mehr in den Vordergrund gerückt, jedoch bekennen sich noch wenige dazu. Ich habe nach meinem ‚outing‘ diesbezüglich enorm viel positives Feedback von meiner Community erhalten. Ich fände es toll, wenn in Zukunft noch mehr Influencer öffentlich zu ihren ‚Päckchen‘ und Schwächen stehen, denn das beweist Stärke und nimmt den Druck aus den Sozialen Medien.
wmn: Inwiefern ist das Fitnesstraining Grund für deine Essstörung gewesen? Und inwiefern hilft sie dir da heraus?
Sophia Thiel: Ich selbst hatte einfach viel zu hohe Ansprüche an mich selbst und war und bin leider teilweise noch immer eine krasse Schwarz-Weiß Denkerin. Ich habe versucht, immer strenger und härter mit mir vorzugehen und musste letztendlich dafür die Rechnung bezahlen. Der Körper lässt sich nämlich nicht so leicht veräppeln! Heute habe ich einen anderen Bezug zu Training und Ernährung – ich versklave mich dem nicht mehr, sondern nutze es in einem gesunden Maße für mein körperliches, aber vielmehr mentales Wohlbefinden.
wmn: Wovor hattest du am meisten Angst, als du deiner Community gegenüber mit der Sprache herausgerückt hast, dass du krank bist?
Dass sie die alte Sophia von vor meiner Auszeit mit Sixpack, Workouts und Diättipps verlangen. Dass sie zu viele Berührungsängste mit diesen, teilweise sehr unbequemen Themen haben werden. Doch genau das Gegenteil ist passiert, worüber ich enorm froh, erleichtert, glücklich und auch dankbar bin.
Ihre komplette Story kann man in Sophia Thiels neuem Buch „Come Back Stronger“ nachlesen.
Sophia Thiel kämpft für ihre mentale Gesundheit
Sophia Thiel scheint heute mental viel stärker zu sein als vor ihrem Verschwinden in die Versenkung. Wir von wmn freuen uns darüber, wie sie sich selbst zu helfen weiß. Wir hoffen, dass Sophia diese wunderbare Entwicklung beibehalten kann und das Leben in der Social Media-Bubble sie nicht wieder überfordert.