Als ich mich vor 10 Jahren das erste Mal traute, Online-Dating auszuprobieren und Tinder herunterlud, gab es noch 3 goldene Dating-Regeln. Jeder kannte sie und die meisten hielten sich sogar daran:
- Rufe dein Date niemals vor dem zweiten Tag nach dem ersten Date an.
- Sex gibt es erst beim dritten Date. Davor bist du zu „leicht zu haben“, viel später und du giltst als „prüde“.
- Sex gibt es nur, wenn deine Unterhose und BH heute farblich abgestimmt sind.
Die meisten Menschen, die in der Gen Y (1980 – 1999), Gen X (1965 – 1979) geboren sind, kennen und ehren diese drei Dating-Regeln. Doch nun wächst eine Generation heran, die erklärtermaßen die Regeln des Datings komplett über den Haufen wirft und sich gerade neu erfindet: Die Generation Z (1995 – 2010) macht einfach alles anders.
Hier gibt es keine Regeln, sondern nur Liebe, gegenseitigen Respekt und Authentizität. So sagt es jedenfalls der Dating-Experte Paul Brunson. Wir wollen uns in diesem Artikel der Gen Z und ihrem Datingverhalten widmen. Dabei fragen wir uns: Machen sie wirklich alles so viel richtiger als wir? Wenn wir Paul Brunson Vertrauen schenken, dann wird die neue Generation nicht nur bessere Dates haben als wir, sie werden auch die „besten Ehen aller Zeiten führen.“ Was können wir also von ihnen lernen?
The Future of Dating 2023 – Tinder hat geforscht
Am 23.05.2023 brachte Tinder seinen neuen Dating-Report für das Jahr 2023 heraus. Hier wird das Verhalten der Gen Z auseinandergenommen und ihr teilweise wunderliches Verhaltn für die „älteren Generationen“ erklärt. Wie unterscheidet sich die Gen Z also von jeder vorangehenden Generation?
1. Keine Angst vor Seelenstriptease
Während es den meisten von uns noch immer schwerfällt, sich vor anderen beim Dating zu öffnen, echte Gefühle zu zeigen oder gar über psychische Probleme zu sprechen, bringt die Gen Z ihr mentales Gepäck schon beim ersten Date mit und stellt es sichtbar für jeden auf den Dinnertisch. Warum? Weil ihnen Authentizität und seelisches Wohlbefinden wichtiger ist als „cool“ rüberzukommen.
73 % der 33- bis 38-Jährigen stimmten auf Tinder zu, dass Dating-Spielchen – wie z. B. sich absichtlich rar zu machen, widersprüchliche Signale zu geben, oder sich mit mehreren gleichzeitig zu treffen – als „normal“ akzeptiert wurden, als sie zwischen 18 und 25 Jahre alt waren. Von der Gen Z antworten 77 % der Tinder-Mitglieder ihrem Match innerhalb von 30 Minuten, 40 % antworten innerhalb von fünf Minuten und mehr als ein Drittel antwortet sofort.
Was bedeutet das für das Dating? Du wirst dich mit echten Problemen auseinandersetzen, statt Smalltalk zu führen. Die Chance, dass du geghostet wirst, ist sehr viel geringer. Gen Z sagt geradeheraus, was sie denkt.
2. Keine Saufeskapaden beim Date
Für die meisten älteren Generationen ist die Dating-Phase eine feuchtfröhliche Angelegenheit. Die ersten Treffen sind ohnehin so aufregend, da kann man sich ruhig mal ein bisschen was hinter die Binde kippen. Das macht locker und lustig. Nicht so die Gen Z: Tinder fand heraus, dass 72 % der Mitglieder im Profil angeben, dass sie nur gelegentlich oder gar nicht trinken.
Was bedeutet das für das Dating? Sich beim Date nicht die Lampen anzuzünden bedeutet, dass ihr euch sofort „echt“ kennenlernt, ohne einen Verstärker. Dates sind auch nicht nur auf den Abend beschränkt, sondern können auch morgens, im Supermarkt oder wo auch immer abgehalten werden.
3. Hetero, homo, egal?
66 % der befragten Tinder-Mitglieder sind der Meinung, dass Tinder es ihnen ermöglicht, mehr Menschen außerhalb ihres Freund:innenkreises zu daten oder sich mit jemandem zu verbinden, den sie sonst nie im Alltag getroffen hätten.
Dies ist besonders wichtig für die LGBTQIA+ Mitglieder, da Tinder oft der erste Ort ist, an dem sie sich sicher fühlen, sich zu outen, bevor sie es ihren Freund:innen und ihrer Familie erzählen.
Gen Z soll außerdem jetzt schon die queerste Generation aller Zeiten sein. In einer Umfrage gab fast jeder sechste Befragte (15,9 %) an, queer oder transgender zu sein.
Was bedeutet das für das Dating? Außerhalb der eigenen Bubble zu daten, ist nicht nur für queere Menschen unheimlich vorteilhaft. Jede:r kann davon profitieren, Menschen kennenzulernen, die er oder sie im normalen Leben niemals hätte kennenlernen können.
3. Digitaler geht’s nicht
Die Mehrheit der unter 30-Jährigen legt das Suchen nach dem Lebenspartner in die Hände von Dating-Apps. Die Gen Z geht noch einen Schritt weiter: 34 % lassen sich gerne von KI bei der Erstellung eines Datingprofils helfen oder sie lassen sich von der KI helfen, einen Gesprächseinstieg zu finden.
Was bedeutet das für das Dating? Noch kann niemand genau sagen, was der Nutzen von KI für das reale Dating ist. Allerdings lohnt es sich, die Technik kreativ für sich selbst zu nutzen. Die Gen Z lässt die KI für sich arbeiten und nutzt sie so weit wie möglich aus. Neugierde übersteigt die Angst vor Neuem.
4. “Ich bin wichtig”
Die Gen Z ist heute bereits dafür verschrien, im Arbeitsleben nicht immer das meiste zu geben. Im Gegensatz zu der Gen X und Gen Y sind sie keine „Fleißbienchen“, die sich durch jedes Hindernis auf der Arbeit durchbeißen. Stattdessen stellen sie ihren eigenen Selbstwert an erster Stelle und kündigen auch gerne mal, wenn es ihnen zu unangenehm, anstrengend und unbefriedigend wird.
Genauso beim Dating: Beziehungen geht die Gen Z nur dann ein, wenn beide Partner:innen sich selbst in den Vordergrund stellen und an sich arbeiten. Eine toxische Beziehung, die ungesund für die eine oder andere Partei werden konnte, wird aufgekündigt. 75 % der jungen Singles sagen, dass sie ein Match attraktiver finden, wenn es gerade an seiner psychischen Gesundheit arbeitet oder bereit dazu ist.
Was bedeutet das für das Dating? Dating bedeutet für viele Menschen in den älteren Generationen, eine andere Person zu heroisieren, an sie zu denken und sie auf ein Podest zu stellen. Das Dating als Gen Z bedeutet Selbstwahrnehmung und ständiges „an sich arbeiten“. Auch das kann anstrengend sein, doch es arbeitet auf eine bessere gemeinsame Zukunft hin.
Macht die Gen Z wirklich alles richtig?
Der Tinder-Report 2023 zeigt uns, dass die Gesellschaft und das Dating-Leben sich mit der neuen Generation verändern. Das Dating wird nicht einfacher, es wird authentischer, echter, selbstbezogener und inklusiver. Vieles können ältere Semester sich von der Gen Z abschauen. Doch macht sie wirklich alles, richtig?
Das haben wir Paul Brunson, Dating-Experten bei Tinder, gefragt. Paul war lange als die Real-Life Version von Hitch, der Date-Doktor bekannt. Heute ist er Autor, Fernseh-Entertainer und Dating-Professional. Für Tinder analysierte er die Gen Z mit all ihren Vor- und Nachteilen.
Was man beim Dating alles falsch machen kann, habe ich im Podcast mit Juliane Leupold von Tinder besprochen:
Gibt es etwas, das die Gen Z beim Dating falsch macht?
Die Generation der heute 12- bis 23-Jährigen ist nicht besonders offen dafür, für ein Date aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Sie muss sich wohlfühlen. Immer und überall. Gen Z stellt hohe Anforderungen an sich selbst und an ihre Dating-Partner:innen. “Die Gen Z setzt harte Grenzen, wo sie es für ihre mentale Gesundheit gefährdet sieht. Doch sie verbaut sich gleichzeitig einige Möglichkeiten im Leben.” Wenn deine Grenzen zu stark abgesteckt sind, werden Menschen sich früher oder später von dir abwenden.
Die Gen Z gilt als unnahbar und die einsamste Generation, die es jemals gab. Paul Brunson weiß, dass gerade junge Menschen immer weniger Freund:innen zu ihrem Kreis zählen und sich viel und vor allem mit sich selbst beschäftigen.
Paul Brunson beschreibt, was das für Langzweitbeziehungen und Ehen bedeutet. „Es wird in der Zukunft immer weniger Ehen geben. Die wenigen, die es gibt, werden aber länger halten und glücklicher sein. Auch wenn es nur 5 Stück sind.“
Die Gen Z ist eine Mimose
Paul Brunson ist sich sicher, dass die Gen Z zwar einige Vorteile beim Dating mit sich bringt, aber genauso einige Nachteile hat. Zu viel Awareness kann nämlich auch umschlagen und das Leben erschweren. Paul berichtet, dass sein eigener Sohn den Unterschied zwischen einer kritischen Frage und einer Beleidigung nicht mehr erkennt.
Der 12-Jährige kam nach einem langen Schultag nach Hause und sagte ihm “Papa, ich wurde heute in der Schule gemobbt.” Auf Pauls Nachfrage hin erfuhr er, dass es nichts weiter war als eine kritische Frage, wie sie Kinder eben hin und wieder stellen. Der Junge war sich jedoch sicher, dass es eine Beleidigung und sogar Mobbing gewesen war.
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Was können wir von der Gen Z auf unsere alten Tage lernen?
Kommen wir noch einmal auf die drei Dating-Regeln meiner Zeit zurück: 1. Nicht vor dem dritten Tag anrufen, 2. kein Sex vor dem dritten Date, 3. Sex nur dann, wenn Unterhose und BH zusammenpassen. Welche Regeln gibt es für das Dating bei der Gen Z?
Paul Brunson weiß um den Unterschied in der Kommunikation zwischen Gen Z und Millennials. “Früher galt die Regel: Auf keinen Fall beim ersten Date über Politik sprechen. Heute gilt die Regel: Ich date dich erst gar nicht, wenn deine politische Einstellung nicht zu der meinen passt.”
Paul ist sich aber sicher, dass es eigentlich keine echten Dating-Regeln in der Gen Z gibt. “Regeln,” so Brunson, “sollen dich den anderen Menschen angleichen. Der Ansatz der Gen Z ist ein anderer: Es gibt beinahe 8 Milliarden Menschen auf der Welt und doch hat keiner von ihnen die gleichen Erfahrungen wie ich gemacht. Meine Erfahrungen und Gedanken machen mich aus. Verbiegen lasse ich mich nicht.