Diesen Sommer ist es so weit: Ich werde alleine den Jakobsweg laufen. Eine solche Herausforderung habe ich mir selbst noch nie gestellt und doch weiß ich, dass ich es schaffen werde. Das hat mehrere Gründe: Ich bereite mich natürlich körperlich auf den langen Marsch vor. Doch genauso bereite ich mich bereits seit Monaten mental vor. Das Gehirntraining ist mindestens genauso wichtig wie das körperliche Training. Das weiß ich aufgrund von zahlreichen Wanderungen, bei denen ich an meine Grenzen gestoßen bin und sie schließlich überwunden habe.
In diesem Artikel will ich dir erklären, wie meine mentale Vorbereitung auf große körperliche Anstrengung, beispielsweise auf dem Jakobsweg, funktioniert. Die Tipps und Tricks, die ich dir hier mitgebe, sind auf viele Situationen anwendbar. Du willst einen Marathon laufen? Du willst eine Alpenüberquerung schaffen oder beim Sport einfach einmal selbst über dich hinauswachsen? Dann bist du hier genau richtig.
Mentale Vorbereiten auf den Jakobsweg
It is all a mental game: Warum brauchen wir mentale Vorbereitung?
Warum ist es eigentlich so wichtig, sich mental vorzubereiten, bevor man ein großes Vorhaben in die Tat umsetzt? Das hat vor allem folgenden Grund: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen zu viel mehr in der Lage sind als sie sich körperlich zutrauen. So trainieren Sport-Profis zusammen mit Psycholog:innen, genauso wie mit Fitnesscoaches.
Sportler:innen wie beispielsweise der Footballprofi Joey Lindstrom wissen, wie wichtig das „mental game“ ist. Lindstrom sagte einmal im Gespräch mit Sports Psychology: „Sports are 90 % mental, the four inches between your ears is the biggest part of your game.“ Übersetzt heißt das: „Sport läuft zu 90 % mental ab. Die paar Zentimeter zwischen deinen Ohren sind der größte Teil deines Spiels.“ Lindstrom ist aber nicht der einzige Sportler, der so denkt. Extremsportler:innen, Alpinist:innen und Athlet:innen kämpfen vor allem gegen ihre mentalen Schwächen an, wenn sie sich auf eine große Challenge vorbereiten.
Sports are 90 percent mental, the four inches between your ears is the biggest part of your game.
Joey Lindstrom
Warum bin ich überhaupt qualifiziert dazu, dir Ratschläge zur mentalen Vorbereitung zu geben? Ich bin Extremsportlerin: Ich habe bereits eine 20-tägige Wanderung zum Fuße des Mount Everest in über 5.500 Metern Höhe hinter mir. Ich habe einen Mammutmarsch (100 km in 24 Stunden) hinter mir und jogge regelmäßig Marathonstrecken. Meine nächste Herausforderung ist der Jakobsweg, bei dem ich in 11 Tagen 300 Kilometer zu Fuß hinter mit legen will.
Hier erfährst du, wie meine Erfahrung auf dem Mammutmarsch Berlin war.
Hier kommen meine wichtigsten Tipps, die dir hoffentlich dabei helfen werden, dich mental auf deine nächste große Herausforderung vorzubereiten.
1. Kenne deine Schwächen
Um sich mental richtig vorbereiten zu können, ist es wichtig, dass du deine Stärken kannst. Noch wichtiger ist es aber meiner Meinung nach, seine Schwächen zu kennen. Mein Ziel vor jeder Herausforderung ist es, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen.
Das ist meine Schwäche
Meine große Schwäche ist das Durchhalten, wenn ich auf dem Peak meiner Performance bin. Ich tendiere dazu, immer genau dann mit dem kontinuierlichen Training aufzuhören, wenn ich gerade in der besten Verfassung bin und mich mental wie auch körperlich sehr stark fühle. Dann schleicht sich bei mir das Gefühl ein, nicht weitermachen zu müssen, weil „ich ja sowieso gerade superstark bin“. Ich habe mich früher für diese Schwäche geschämt und mich selbst dafür verflucht. Heute weiß ich aber, dass dieses Verhalten ein Teil von mir ist und ich verurteile mich weniger dafür.
So schwäche ich meine Schwäche
Wenn ich gerade in einer guten und soliden Trainingsphase bin, dann rechne ich bereits damit, dass es bald kurzzeitig bergab gehen wird. Diese schwache Phase halte ich aus und warte geduldig darauf, dass die Motivation zurückkommt. Und sie kommt immer zurück.
2. Schaffe (die richtigen) Anreize
Die mentale Vorbereitung auf ein sportliches Großereignis hat sehr viel mit der eigenen Motivation zu tun. Sei dir ganz genau darüber bewusst, warum du dich überhaupt selbst so quälen willst. Was ist der Grund dafür, dass du mentale Vorbereitung brauchst?
Gute und schlechte Motivation
Meiner Meinung nach gibt es gute und schlechte Gründe, etwas erreichen zu wollen. Zu den guten Gründen gehören Abenteuerlust, Nervenkitzel und das Gefühl über sich selbst hinauswachsen zu wollen. Zu den schlechten Gründen gehört, sich Lob von anderen Menschen zu der eigenen Leistung einholen zu wollen. Sei es über Social Media-Plattformen oder im Freundes- und Familienkreis. Wer nur nach Lob und Anerkennung sucht, der ist extrinsisch (von außen) motiviert.
Diese Art der Motivation ist stark, aber bei weitem nicht so stark wie die intrinsische Motivation, die aus dem tiefsten Herzen kommt.
Extrinsisch motivierte Menschen tendieren auch dazu, zu schummeln. Ihnen ist nicht die eigentliche Herausforderung am wichtigsten, sondern die Darstellung dieser auf Fotos, Videos, Stories und Reels. Du kannst eine extrinsisch motivierte Person meist zuverlässig daran erkennen, ob sie einen gepflegten Instagram-Account hat, auf dem sie die eigenen Leistungen dokumentiert.
3. Langeweile zulassen
Ich muss ganz ehrlich mit dir sein: In den meisten Fällen ist eine sportliche Höchstleistung alles andere als spaßig. Gerade ein Vorhaben wie der Jakobsweg, eine lange Wandertour oder ein Marathon sind vor allem eines: langweilig. In unserer modernen Welt voller Informaitonswirrwarr sind wir daran gewöhnt, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu senden, zu empfangen und entertaint zu werden. Doch Langeweile kann etwas sehr Schönes sein, wenn man sich darauf einlässt.
Tipp für (nicht gegen) die Langeweile
Auf langen Wanderungen nehme ich mir Hörbücher mit und höre zwischendurch Musik. Doch einen großen Teil der Strecke verbringe ich mit meinen eigenen Gedanken. Meist nehme ich mir ein Gedankenspiel mit auf die Reise. Nach dem Motto: „Was wäre, wenn ich morgen im Lotto gewinnen würde?“ Sich in solche Tagträume hineinzuversetzen, ist kurzweilig genug, um ein paar Stunden totzuschlagen.
Redaktionstipp: Die längste Wanderung, die ich bis heute am Stück zurückgelegt habe, war der Mammutmarsch in Berlin. Hier wandert man 100 km in 24 Stunden. In diesem Artikel zeige ich dir, wie es mir dabei ging.
4. Durch mentales vorbereiten Schmerzen aushalten?
Schmerz gehört zu jeder Extremsportart einfach dazu. Die mentale Vorbereitung soll deinen Geist so weit stärken, dass du die Schmerzen zwar wahrnimmst, sie aber gleichzeitig weit genug ausblenden kannst, um weiterzumachen.
Tipp für das Aushalten der Schmerzen
Es gibt keinen befriedigenden Tipp dafür, Schmerzen mit Freude auszuhalten. Darauf kannst du dich nicht nur mental vorbereiten, sondern auch körperliches Training ist hier besonders wichtig. Denn bevor du richtig trainiert hast, weißt du noch nicht, wie du auf körperliche Schmerzen reagierst.
Wenn die Beine wehtun, dann ist das so und es ist nichts dran zu rütteln. Es ist aber wichtig, in den Schmerz hineinzufühlen und zu verstehen, was das für ein Schmerz ist. Ist er gefährlich, wie beispielsweise bei stechenden Knieschmerzen? Oder ist er einfach nur ein Anzeichen von Muskelüberlastung, wie beispielsweise bei Poschmerzen? Je nachdem, welchen Schmerz du spürst, kannst du entweder durchbeißen, eine Pause einlegen oder ganz aufhören.
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