Der Schrei nach Fair Fashion, die trotzdem bezahlbar und trendy ist, wird immer größer. Trotzdem stellen sich viele Modekonzerne quer und ignorieren die Zeichen der Zeit. Wir wollten wissen, wie schwer es wirklich ist, eine nachhaltige und faire Modelinie zu gründen. Deshalb habe ich die Köpfe hinter dem neuen Fair Fashion Label Chakrana getroffen.
Interview mit Chakrana: Über das Gründen einer Fair Fashion-Marke
Chakrana ist ein neues nachhaltiges Yogawear Label aus Hamburg von dem Pärchen Sven und Darja. Darja ist Modedesignerin mit einem Herz für Nachhaltigkeit, Sven ist ein echter Yogi und Experte für Umwelt und Nachhaltigkeit und zusammen sind sie das perfekte Team, um Yogawear zu revolutionieren.
Mit ihrem Start-Up stehen sie noch am Anfang. Die erste Kollektion ist jetzt fertig und seit dem 4.01.2021 im Onlineshop erhältlich, während sie schon wieder fleißig an der Männer- und Kinderkollektion arbeiten, für die im Dezember eine Crowdfunding-Kampagne lief.
Wir haben die beiden gefragt, was die größten Hürden sind, beim Gründern einer Fair Fashion-Marke und warum dieser Schritt in Richtung Nachhaltigkeit noch immer so ein Problem zu sein scheint, für die Big Player der Branche.
wmn: Hallo ihr zwei, was denn der Auslöser für euch beide, dass ihr eine eigene Marke kreieren wolltet, was hat euch gefehlt bei anderen Yogawear-Herstellern?
Darja: Als festangestellte Modedesignerin habe ich immer mehr gespürt, dass mir etwas fehlt. Ich hatte Sehnsucht danach, auf eigenen Beinen zu stehen, mein eigener Boss zu sein. Als ich meine Leidenschaft für Yoga entdeckt habe, begann ich mich sehr viel mit dem Thema Yoga-Kleidung zu beschäftigen. Mir ist aufgefallen, dass die Modelle häufig nur für schlanke Mädchen und Frauen konzipiert waren, in denen sich aber nicht alle wohlfühlen. Die meisten Brands hören in ihrer Produktion zudem bei Größe L auf.
So entstand mein Traum, Yoga-Mode zu kreieren, in denen sich alle Körpertypen und alle Altersgruppen wohlfühlen. Yoga kann das Leben so sehr bereichern – zu dieser Erfahrung wollte ich möglichst vielen Menschen verhelfen. Dazu kam, dass viele Marken zwar einen vermeintlich umweltfreundlichen Ansatz kommunizieren, am Ende aber doch in China produzieren oder umweltschädliche Chemikalien verwenden. Ich wollte eine Marke, in der jedes Detail durchdacht ist und wo ich keine Abstriche in puncto Qualität machen muss.
Sven: Als Darja und ich uns kennengelernt haben, war ich direkt begeistert von ihrer Geschäftsidee. Sowohl privat als auch beruflich hat bei uns beiden einfach direkt alles gepasst. Wir ergänzen uns in beiden Bereichen super und so war es für mich keine Frage, dass ich sie unterstütze.
wmn: Ein Match made in heaven, beruflich wie privat also. Aber als Paar privat und beruflich immer zusammen zu sein, ist sicherlich nicht immer einfach.
Darja: Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass man schnell merkt, ob man wirklich zusammenpasst (lacht). Nein, im Ernst. Es ist toll, mit jemandem zusammenarbeiten zu können, dem man zu 100% vertraut. Das erleichtert Vieles. Zudem hatte ich immer eine Stütze an meiner Seite. Wenn ich das Gefühl bekam, das alles zu viel wird, hat Sven mich aufgefangen. Auf der anderen Seite haben wir als Paar, das nicht nur privat, sondern eben auch beruflich ein Team ist, doppelt so viel Konfliktpotenzial wie Paare, die getrennt voneinander arbeiten. Aber auch hier ist, wie bei allem, Kommunikation der Schlüssel.
Sven: Ich finde es außerdem manchmal schwierig, unser Privat- von unserem Arbeitsleben zu trennen. Normalerweise gibt es eine klare Grenze, verbringe ich Zeit mit meinem Partner, ist das Freizeit. Das ist bei uns eben ein bisschen anders. Umso wichtiger ist es für uns, dass wir uns feste Routinen schaffen, uns ausreichend Zeit für uns selbst nehmen und klar trennen, ob wir in dem Moment als Geschäftspartner oder als Liebespaar kommunizieren.
wmn: Zusammen gründen sollten also keine Paare mit großen Unabhängigkeitsbedürfnis.
Die Idee von euch beiden stand dann, warum habt ihr euch dann im nächsten Schritt für eine Crowdfunding-Kampagne entschieden und nicht für Investor:innen oder andere Finanzierungsmöglichkeiten?
Sven: Uns ist es wichtig, dass wir nicht von Beginn Investoren verpflichtet sind. Wir wollen unsere Entscheidungen unabhängig treffen können, ohne Kompromisse machen zu müssen. Mit dem Erreichen unseres ersten Crowdfunding-Ziels ist uns dies glücklicherweise gelungen. Wir haben Kapital für die Erweiterung unserer Kollektion sammeln können und sind super happy, bald noch mehr Menschen mit unseren Produkten ansprechen zu können.
wmn: Was war bisher der schwierigste Step für euch beim Aufbau eurer Fair Fashion-Marke?
Darja: Ganz allgemein war es für mich am schwierigsten, mich nicht in jedem kleinen Detail zu verlieren. Ich bin ein perfektionistischer Mensch und habe einen klaren Anspruch an unsere Marke, ganz besonders was Qualität und Herkunft angeht. Ich habe es als große Herausforderung empfunden, alle Details zu durchdenken, ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren.
Umso stolzer bin ich rückblickend, dass wir es geschafft haben, unsere erste Kollektion zu launchen und dabei trotzdem auf alle Feinheiten geachtet zu haben.
Sven: Dem kann ich nur zustimmen. Am Anfang mussten wir aufpassen, uns nicht erschlagen zu fühlen. Stoffe mussten ausgesucht, Schnittmuster festgelegt, eine Produktionsstätte gewählt, der Shop aufgebaut werden. Wir mussten uns zwischen unzähligen Optionen entscheiden, sei es das Warenlager, die Versandtaschen, die Farben der Stoffe. Ohne eine gute Organisation hätte das alles so nicht geklappt.
wmn: Gibt es denn Extra-Hürden, die man als Gründer:in überwinden muss, wenn man ein nachhaltiges Produkt in Deutschland entwickeln möchte?
Sven: Eine super Frage, denn ja: Die gibt es absolut! Und sie sind größer als man denkt. Vor allem, wenn man nicht beim Produkt aufhört, sondern versucht, die ganze Firmenstruktur nachhaltig zu gestalten, gibt es einige Hürden.
Hürde Nummer Eins sind die Kosten: Natürlich ist es günstiger, weite Transportwege in Kauf zu nehmen und in Asien produzieren zu lassen. Es ist günstiger, normale Plastiktüten für die Verpackung zu verwenden als die kompostierbaren und wasserlöslichen, die wir haben. So könnte ich diese Liste unendlich weiterführen.
Zudem ist das Angebot an gut durchdachten, wirklich nachhaltigen Lösungen für den Onlinehandel kleiner. Man muss sich in das Thema viel mehr reindenken, als wenn man einfach irgendeinen Stoff, irgendein Warenlager aussucht. Aber wir waren auch sehr glücklich, dass immer mehr Partner, ob in der Verpackungsindustrie oder bei den Stofflieferanten, sich um nachhaltige Lösungen bemühen und innovative Produkte anbieten. So nutzen wir z.B. für einen unserer Stoffe ein antimikrobielles Finish aus den natürlichen Wirkstoffen der Kokosnussschale oder FSC- zertifizierte Viskose, bei deren Herstellung besonders auf die Reduzierung der CO²- Emissionen geachtet wurde.
wmn: Mit all den Hürden, die ihr nun am eigenen Leib erfahren habt, könnt ihr nachvollziehen, warum sich so viele große Konzerne so schwer tun, bei ihrer Umstellung auf Fair Fashion?
Darja: Wenn man sein Geschäftsmodell auf niedrigen Preisen, hohem Absatz und großen Marketingkosten begründet, ist es natürlich schwierig den Kurs zu wechseln. Die Kunden haben sich an die niedrigen Preise gewöhnt und man kann nur Schritt für Schritt seine Marke umstrukturieren.
Aber mittlerweile ist das Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise bei der Bevölkerung in Deutschland gestiegen. Das macht es Unternehmern leichter sich neu auszurichten. Ich denke, Jeder von uns trägt seinen Teil zur Gestaltung der Zukunft bei.
Wir als Unternehmer und Gründer haben so viel in der Hand, können entweder mit dem Strom schwimmen und unsere Umwelt weiter belasten und damit langfristig zerstören oder uns eben bewusst dagegen entscheiden und die Natur schützen. Wir alle haben die Wahl und wir alle tragen eine Verantwortung, der man sich nicht entziehen kann. Das gilt nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch für unsere Mitmenschen.
Uns war es von Anfang an wichtig unabhängig zu bleiben von den Krisen der Weltwirtschaft, Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten in Deutschland zu erhalten und faire Arbeitsbedingungen zu garantieren. Um dies auch in Zukunft möglich zu machen, ist es wichtig, die oft schon fast vergessene Handwerkskunst in Deutschland zu schützen und zu stärken. Damit, dass wir uns für eine kleine traditionsreiche Manufaktur in Sachsen für unsere Produktion entschieden haben, haben wir genau das geschafft.
Vielen Dank ihr beiden für das Interview und das schöne Schlusswort, denn ihr habt ganz Recht, wenn wir mehr nachhaltige und Fair Fashion wollen, dann sollten wir diese auch unterstützen als Konsument:innen.
Um dir den Einstieg in Fair Fashion etwas zu erleichtern, habe ich hier die schönsten nachhaltigen Sportswear-Label vorgestellt und natürlich ist Chakrana dabei. Hier geht’s zu nachhaltiger Bademode für den Sommer und dazu die passenden Fair-Jeans und Sneaker.