Jeannine Budelmann ist Geschäftsführerin eines Elektronik-Unternehmens und stellvertretende Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Münster.
Für wmn.de schreibt Jeannine von ihrem Alltag als Chefin, ihren täglichen Begegnungen mit Männern und Frauen in einer patriarchalen Branche. Ihre Beobachtungen sind scharfsinnig, ihre Schlüsse sind wohldurchdacht und ihre Tipps sind spitzzüngig.
Weiberabend ≠ Kaffeekränzchen
Bei mir zu Hause läuft das einmal im Monat freitagsabends so: Grill an, Bier raus. Und dann, könnte man meinen, kommen die Kumpels von meinem Mann zum Männerabend vorbei. So wäre es jedenfalls in der klassischen Vorabendserie.
Nee, es ist Weiberabend! Hier grillen die Mädels. Und dann kommt alles auf den Tisch: zu den üblichen Grillsoßen und dem Kräuterbutterbaguette gesellen sich harte und weiche Business-Themen, die sonst galant verschwiegen werden.
Bella zum Beispiel hat gemeinsam mit ihrem Bruder die Geschäftsführung des elterlichen Unternehmens übernommen. Rina leitet einen Geschäftszweig eines mittelständischen Handelsunternehmens, Anne macht Vertrieb in der Holzbranche und ich bin auch dabei. Mal sind wir noch mehr, mal weniger und irgendwie ist es immer schön. Nun aber ans Eingemachte: Was machen wir eigentlich beim Weiberabend?
Männer, wir müssen reden!
Zugegeben: Wir alle haben Fantasien, was andere tun und besprechen, wenn wir nicht dabei sind. Für uns Frauen sind die Inhalte von reinen Männerrunden sicherlich ähnlich nebulös wie reine Weiberabende für Männer. Nun, was uns angeht: Wir sprechen über alles Mögliche – aber ein fester Bestandteil unserer Grillabende ist immer, dass wir über aktuelle Probleme sprechen.
Über das, was uns umtreibt. Da ist zum Beispiel der Mitarbeiter, der trotz mehrfacher Unterweisung immer noch regelmäßig seinen Außenspiegel abfährt. Oder das Personalgespräch mit der Auszubildenden, die ernsthaft nach einem Dienstwagen fragt. Irgendwas ist ja immer und es tut unglaublich gut, zu wissen, dass man damit nicht allein ist. Und: Wir können um Rat fragen. Ob zum professionellen Umgang mit dem sexistischen Lieferanten oder dem Mitarbeiter, der ein Problem mit einer Frau als Chef hat:
Jede von uns hat mal mehr, mal weniger zu der Frage beizutragen, wie man am besten mit der jeweiligen Situation umgehen kann.
Wir sind kein Frauenclub, kein Kaffeekränzchen und auch kein Abklatsch des Männer-Feierabendbier-Klischees, wenn wir einen ‚Weiberabend‘ veranstalten. Die Runden haben einen handfesten Mehrwert. Wenn man so will, sind sie Weiterbildungsmaßnahmen in Führungsfragen – von Expertinnen für Expertinnen. Und gleichzeitig erfüllen sie den Zweck, Ballast abzuwerfen und sich verstanden zu fühlen. Dingen Luft zu machen, die man sonst nirgends besprechen kann.
Heterogenität = Kreativität, oder nicht?
Wer schon mal mit mir zu tun hatte, weiß: Ich bin eine Verfechterin heterogener Gruppen. Zu Unizeiten habe ich gegen Werbung männlicher Studentenverbindungen gekämpft und später dann den mit alten weißen Männern besetzten Wirtschaftsgremien den Kampf angesagt. Ich kann nun also nicht ernsthaft reine Frauenrunden und Weiberabende propagieren, oder?
Meine Erfahrung ist (und die lässt sich sogar wissenschaftlich belegen, beispielsweise wenn es um Innovationen geht), dass vor allem aus Heterogenität Kreativität entstehen kann. Dass das Kochen im eigenen Saft nicht zu Veränderungen und neuen Ideen führt, sondern dazu, dass alles so bleibt, wie es ist. Vielfalt bedeutet im Gegensatz dazu, die Begegnung mit spannenden, neuen Impulsen und Erfahrungen.
Wir haben Weiberabende. Was haben die Männer?
Warum also nicht auch ein paar Männer mit um den Grill versammeln? Darüber haben wir nachgedacht und dabei ist uns eines klar geworden: Wenn wir uns locker mit Freunden treffen und Männer dabei sind, dann reden wir allesamt anders. In gemischten Runden treten Führungsfragen und die mentale Unterstützung in den Hintergrund und machen anderen Themen Platz:
Stell dir vor, ich habe einen Dreiseiter in einem wichtigen Wirtschaftsmagazin bekommen! Oder: Eine Beförderung steht an und ein Kollege bringt sich in Position – was kann ich dafür tun, dass ich selbst befördert werde?
Als uns das klar wurde, waren wir selbst ein bisschen erschrocken.
Ich will nicht falsch verstanden werden: Auch diese Gespräche sind offen und ehrlich, hilfreich und wunderschön. Aber sie sind anders. Sie helfen mir, mich auf erfolgsbezogene Aspekte meines Lebens zu fokussieren und mit Hochdruck daran zu arbeiten. Aber ich fühle mich am Ende eines solchen Abends nicht so entlastet, nicht so positiv und bereichert wie nach dem beschriebenen Mädels-Treffen.
Weiberabende: Lästern oder Psychohygiene?
Die Wissenschaft sagt: Frauen sind gesünder und leben länger. Vielleicht können die Männer ja noch etwas von uns lernen? Lange Zeit – vielleicht sogar bis heute – waren vertrauliche Gespräche unter Frauen als „Lästern“ verschrien. Aber vielleicht geht es bei unseren Gesprächen gar nicht ums Waschen schmutziger Wäsche sondern um unsere mentale Gesundheit?
Vielleicht liegt die Art, wie wir miteinander kommunizieren, gar nicht in unseren Chromosomen? Möglicherweise handelt es sich ja um angelerntes Verhalten? Hier hilft nur ausprobieren! Männer, redet über eure wahren Probleme! Über das, was euch innerlich bedrückt, woran ihr knabbert, was euch bedrückt und nicht über Stellvertreterthemen wie Karriere und Autos! Es ist nicht gesund, Gefühle in sich hineinzufresscn – ein Verhalten, das viel mit unserem immer noch recht altmodischen Männerbild zu tun hat. Ein Indianer kennt nämlich keinen Schmerz. Wirklich?
Auch und gerade für Personaler sollte diese Erkenntnis übrigens Folgen haben: In den letzten Jahren stellt die Forschung verstärkt fest, dass aktives Zuhören und wertschätzende Kommunikation die wichtigsten Fähigkeiten für Manager sind. Hey, Human Resources, das können Frauen übrigens besonders gut! Jetzt fehlt uns nur noch die Männerrunde zwischendurch, um unsere anspornende Seite zu befeuern. Und dann, liebe Frauen, kann uns nichts mehr stoppen! Los, schmeißt den Grill an! Es ist höchste Zeit für einen Weiberabend.
Noch mehr von Jeannine?
Jeannine erklärt uns in ihrer Kolumne auch, was es bedeutet, trotz Kind Karriere zu machen. Unsere Kolumnistin ist es satt, dass ihr alte weiße Männer sagen, sie müssen sich zwischen beidem entscheiden.
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