Unsere weekly heroine Iris Braun ist die Gründerin von share. Die Marke Share gibt so ziemlich alles her: von recyclebaren Wasserflaschen über Müsliriegel, bis hin zu Shampoo und Stiften. Das Sortiment der Marke ist vielfältig. Dabei schreiben sie sich vor allem eines auf die Fahne: Beim Kauf eines jeden Produktes wird eine gleichwertige Hilfeleistung gespendet. Im Interview spricht Iris Braun mit uns über ihren Weg zur Entwicklungshilfe und Female Entrepreneurship.
Info: Was ist eigentlich Entwicklungshilfe?
Entwicklungshilfe zeichnet laut der Bundeszentrale für politische Bildung die Gesamtheit aller staatlichen und privaten Maßnahmen, die von Industrieländern und internationalen Organisationen zur wirtschaftlichen und sozialen Förderung von Entwicklungsländern getroffen werden. Statt von Entwicklungshilfe wird auch von Entwicklungszusammenarbeit oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit gesprochen. Diese Hilfe soll Entwicklungsländer dazu befähigen, sich eigenständig weiterzuentwickeln, damit sich das Leben der Menschen verbessert. Das Ziel der Entwicklungshilfe ist es, dass am Ende kein Mensch mehr in Armut leben und hungern muss.
Bei wmn küren wir jede Woche eine starke und inspirierende Frau zu unserer wöchentlichen Heldin. Diese Frauen empowern uns und reißen uns mit ihren starken Aussagen mit. Darüber, wie Entwicklungshilfe für Iris Braun eigentlich funktioniert, was die Marke share ausmacht und wie es eigentlich ist, als Frau zu gründen, haben wir mit Iris Braun gesprochen.
Iris Braun kurz & knapp:
- Sie ist Gründerin der Marke share, die es Menschen ermöglicht, im Alltag mit dem Kauf eines Produktes zu spenden.
- Der Punkt Entwicklungshilfe liegt Iris nach einem Studium mit diesem Schwerpunkt langer Arbeit in der Entwicklungshilfe besonders am Herzen.
- Neben der Entwicklungshilfe ist Iris Steckenpferd das Thema Recycling.
Iris Braun im Interview: „Wieso bestehen also noch immer so große Unterschiede?“
wmn: Wie bist du zur Entwicklungshilfe gekommen?
Iris Braun: Ich habe nie klassische Entwicklungszusammenarbeit, oder das, was man sich vielleicht darunter vorstellt, gemacht. Eigentlich hatte ich einen wissenschaftlichen Zugang zu der ganzen Sache. Ich habe mich immer gefragt, wie es sein kann, dass es an manchen Orten in den letzten 50 bis 100 Jahren unglaublich viel wirtschaftlichen Fortschritt und kulturelle Veränderungen gab und an anderen Orten überhaupt nicht? Gerade da es in der jetzigen Zeit so einfach ist, von A nach B zu kommen. Wenn man nur ein paar Stunden unterwegs ist, kann man in einer ganz anderen Welt sein. Wieso bestehen also noch immer so große Unterschiede?
Dann habe ich gemerkt, dass es schon sehr viele Lösungsansätze für verschiedene Probleme gibt. Gerade, wenn es um extreme Armut geht, gibt es viele Methoden und Projekte, die effektiv sind, um eine Grundbasis des menschenwürdigen Lebens zu bauen. Dabei geht es zum Beispiel um Dinge wie der Zugang zu sauberem Wasser, zu Hygiene und auch die Bereitstellung von Lebensmitteln. Natürlich gibt es noch viele andere Aspekte, die für ein menschenwürdiges Leben wichtig sind, aber ohne die Basis geht gar nichts. Die Partizipation der Menschen ist dabei unglaublich wichtig und deshalb wollte ich ein Teil davon sein.
“Na ja, also das ist doch eigentlich ganz gut mit der Gleichberechtigung hier im Arbeitsumfeld.”
wmn: Hast du auch an Projekten mitgewirkt, die sich speziell mit Frauenrechten beschäftigen?
Iris Braun: Ja, ganz klar. Ich hatte eigentlich immer diese eine Frage im Kopf: Wie kann ich persönlich mit dem, was ich tue, etwas Positives für Menschen in meiner Umgebung und der Gesellschaft schaffen? Ich war mir immer darüber im Klaren, dass ich unglaublich viel Glück habe, so viel Bildung genießen zu können. Diesen Zugang zu Menschen und zu Informationen wollte ich mit anderen teilen.
Während meiner Zeit in Indien bin ich nicht nur an der Oberfläche geblieben, sondern habe zwei Jahre sehr lokal gelebt. Ich habe sehr viel mit den Menschen gesprochen und quantitative Daten zum Thema Gleichberechtigung und Female Empowerment bekommen. Da habe ich gemerkt: Es sieht noch völlig anders aus, an anderen Orten der Welt. Und zwar so dramatisch, wie ich es mir selber hätte kaum vorstellen können. Gleichzeitig habe ich auch gesehen, wie sehr Frauen auch einen Teil der Lösung für das Vorankommen einer Gesellschaft sind.
Info: Gleichberechtigung in Indien
Die Thompson Reuters Foundation führte 2018 eine Studie zur Gleichberechtigung von Frauen durch. Im Ranking: “Die gefährlichsten Länder für Frauen” belegte Indien den ersten Platz. Patriarchale Praktiken wie Mitgift, Früh- und Zwangsverheiratung und die selektive Abtreibung weiblicher Föten sind in weiten Teilen Indiens noch immer gängig. Auch wenn es mittlerweile zahlreiche Gesetze den Schutz von Mädchen gibt, so wie beispielsweise die Gesetze zum Verbot der Mitgift (1961) und der Heirat von Minderjährigen (2006), mangelt es nach wie vor an einer konsequenten Umsetzung.
Und das mit schwerwiegenden Folgen für Mädchen und Frauen: Noch immer wird jedes vierte Mädchen in Indien vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Zudem wird laut dem Projekt BHUMIKA Women’s Collective beinahe jede Stunde eine Frau wegen der Mitgift ermordet. Außerdem fehlt es noch immer an nötigen Einrichtungen und Strukturen, die Mädchen und Frauen bei Gewalterlebnissen Unterstützung bieten.
“Jedes Mal, wenn ich esse, können auch andere essen.”
wmn: Wie kam es zur Gründung von share?
Iris Braun: Es war ein langer Weg, bevor es überhaupt losging. Ich habe meinen Mitgründer Sebastian Stricker 2011 beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen getroffen. Uns war schnell klar, dass wir im sozialunternehmerischen Bereich gründen wollen.
Ich habe mir dann gedacht: Einfach im Alltag ganz nebenbei etwas Gutes zu tun, wäre optimal. Ganz nach dem Motto: Jedes Mal, wenn ich esse, können auch andere essen. Das empfinde ich auch heute noch als eine total romantische Vorstellung. Es gibt so viele Leute, die, während sie einfach ihrem Lebensalltag nachgehen, etwas Gutes tun wollen. Und da wollten wir sie eigentlich direkt abholen. So gab es gar nicht den einen Moment, wo es uns dann wie vom Blitz getroffen hat. Sondern vielmehr kam über viele kleine Schritte die Erkenntnis: Menschen wollen gut sein, sie wollen etwas Gutes tun. Wie können wir ihnen jetzt die Möglichkeit dazu geben, ein Teil der Lösung sein zu können? So ist dann share entstanden.
wmn: Erzähl doch mal, was dich persönlich antreibt und wie du es schaffst, dich jeden Tag aufs Neue mit solch doch so schwierigen Themen zu beschäftigen?
Iris Braun: Es sind zwei Sachen. Das eine ist der Umgang und der Austausch mit Menschen. Das tut mir persönlich sehr gut. Ich bin wahrscheinlich auch ein extrovertierter Mensch und mir gibt es einfach Energie, mit anderen Menschen an einem Thema zu arbeiten, dass auch sie irgendwie bewegt.
Das Zweite, was hilft, ist sich immer wieder auf Momente zu fokussieren, in denen wir etwas erreicht haben. Wir machen bei Share zum Beispiel freitags immer ein kleines Recap-Meeting und nehmen uns Zeit zurückzuschauen, auf das, was schon passiert ist.
“Allein kommt man nie auf so tolle Ideen, wie im Austausch mit anderen.”
wmn: Was würdest du eigentlich Frauen raten, die im Nachhaltigkeitsbereich gründen wollen?
Iris Braun: Ich glaube, gerade, wenn man jetzt nicht in der Berliner Gründer:innen-Bubble rumsitzt, sondern im Prenzlauer Berg allein seinen Kaffee trinkt, dass es unglaublich wichtig ist, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das funktioniert auch, wenn man wirklich niemanden kennt. Mittlerweile wird es uns durch soziale Netzwerke wie LinkedIn noch leichter gemacht, einfach mit Menschen in Kontakt zu treten. Der Austausch mit anderen ist bei der Gründung einfach unglaublich wichtig. Mit Hartnäckigkeit, Optimismus und ein bisschen Frustrationstoleranz, kann man einen ersten Anlauf machen.
“Verpackungsmaterialien sind ein Thema, für das bei einem Protestmarsch niemand auf die Straße gehen würde.”
wmn: Gibt es Bereiche der Nachhaltikeits- oder Entwicklungshilfe, bei denen du aktuell total Hindernisse siehst oder Vorschläge zu Veränderung hast? Bei denen du gerade merkst, es fehlt noch an ganz viel?
Iris Braun: Ja, ein Steckenpferd von mir ist das ganze Thema Recycling. Das habe ich auch erst durch Share kennengelernt. Wir haben 2018 die erste zu 100 Prozent recycelte Wasserflasche in Deutschland auf den Markt gebracht. Das hat mich zum einen selber gewundert, weil ich dachte, entweder ist der Prozess sehr schwer oder extrem teuer und deshalb hat das bisher noch keiner gemacht. Tatsächlich war es aber einfach so, dass es niemandem am allerwichtigsten in dem Moment war. Und das sehe ich oft so. Es gibt viele Lösungen, da muss aber jemand speziell für kämpfen.
Der Clou dabei ist: Ich kann nicht alles machen, was wirklich sinnvoll wäre, wenn es nicht auch Veränderungen in unserem Recycling-System gibt. Dazu gehört auch, dass es zum Beispiel immer noch kommunal organisiert ist und an jeder Stelle anders ist. Da sehe ich wirklich den Staat als Akteur, um quasi die Leitlinien zu setzen. Gerade das ganze Thema Verpackungen ist eine Sache, bei der ich mir denke, es wäre ein Protestmarsch, für den niemand auf die Straße gehen würde. Einfach, weil es total langweilig klingt und komplex. Ich würde mir bessere Anreize in unserem Recycling-System wünschen. Das verfolge ich zum Beispiel aktuell sehr intensiv in ganz langweilig aussehenden Fachzeitschriften.
Info: Was kann jede:r einzelne tun?
Laut Iris Braun ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass nicht jeder Mensch alles allein lösen kann. Wer sich engagieren möchte, sollte sich nach Iris für einen Bereich entscheiden, für den er wirklich brennt. So kann man durch die kleinste ehrenamtliche Tätigkeit beispielsweise, eine sehr große Veränderung schaffen.
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