Wut ist keine Emotion, mit der man sich rühmen möchte. Sie ist sozial verpönt. Wer wütend ist, gilt als cholerisch, impulsiv und verfügt über wenig Selbstkontrolle. Dabei kann man Wut auch sinnvoll für sich nutzen. Wie das geht und wie man Wut kontrollieren lernt, liest du hier.
Das erwartet dich zum Thema „Wut kontrollieren“
Kein Mensch ist frei von Wut
Als Kind habe ich mich im Supermarkt häufig vor Wut auf den Boden geworfen, weil meine Mutter mir kein Eis kaufen wollte. Heute kann ich meine Wut besser kontrollieren – wenn es auch immer noch Momente gibt, in denen ich kurz davor bin, die Kontrolle zu verlieren.
Das letzte Mal, dass ich richtig wütend geworden bin, war im Straßenverkehr – der Klassiker. Ich war auf dem Fahrrad unterwegs und wollte eine Straße überqueren, bis mich ein PKW fast auf die Hörner genommen hat, der meine Vorfahrt nicht beachtet hat. Erst war ich geschockt und kurz darauf voller Wut.
Wie ich so wenige Zentimeter vor dem Auto stand, schlug ich voller Wucht mit der flachen Hand auf die Motorhaube und warf wüst mit Schimpfworten um mich. Danach fuhr ich zitternd weiter und hörte nur noch, wie mir „Dumme Schlampe!“ nachgerufen wurde. Zum Glück blieb mir eine solche Situation danach lange erspart.
Doch auch in weit weniger drastischen Situationen ertappe ich mich heute noch dabei, wie die Wut in mir hochkocht. Da reicht es schon, dass ich gecatcalled werde, mir ein Mann also Kussmünder zuwirft oder hinterherpfeift. „Ich bin doch kein Freiwild“ möchte ich dann wutentbrannt in die Welt brüllen.
Zwischen Ärger, Zorn, Wut & Wutausbruch
So unschön die Emotion der Wut auch ist: Sie gehört zum Repertoire menschlicher Gefühle und kann jeden überkommen, wenn sie sich auch immer unterschiedlich zeigt. Während manche Menschen nur einen hochroten Kopf bekommen, werfen andere mit Dingen um sich – oder hauen eben auf fremde Motorhauben.
Meist handelt es sich bei Wut um einen Affekt, also eine impulsive und aggressive Reaktion auf eine bestimmte, meist unangenehme Situation. Wut kann so zum Beispiel durch Kränkungen, Beleidigungen, aber auch durch solche angsteinflößenden Momente wie meinem beinahe Verkehrsunfall ausgelöst werden.
In der Psychologie grenzt man vor allem die Emotionen Ärger, Zorn und Wut voneinander ab – wobei Wut eindeutig das intensivste Gefühl, mit dem höchsten Erregungsniveau und am schwersten zu kontrollieren ist.
Hinzu kommt, dass Wut körperlich wird. Der Puls steigt, Stresshormone werden ausgeschüttet und die Körpersprache zeigt Wut ebenso an: Hochgezogene Schultern, zusammengezogene Augenbrauen und erweiterte Pupillen sind typische Wutanzeichen. In extremen Fällen entlädt sich Wut in einem Wutanfall. Hierbei verlieren Betroffene kurzzeitig die Kontrolle und richten ihre geballte Aggression verbal und körperlich gegen (unbeteiligte) Personen, Gegenstände oder Tiere.
Diese Formen kann Wut haben
Wer seine Wut nicht kontrollieren kann, wird schnell als charakterschwach abgestempelt. Erwachsene Menschen, die zu Wutausbrüchen neigen, also wahre Wüteriche, gelten als Choleriker:innen. Im Gegensatz dazu gilt der oder die als stark, die sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Bei Kleinkindern gehören Wutausbrüche allerdings zu einer wichtigen Entwicklungsphase zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr dazu.
Übrigens: Wer seine Wut nicht offen, sondern unterschwellig äußert, legt passiv-aggressives Verhalten an den Tag. Woran du dieses Verhalten erkennst und wie du mit passiv-aggressiven Menschen umgehst, liest du hier.
Wut kontrollieren: Diese Tipps solltest du beherzigen
Wut ist keine Eigenschaft, mit der man sich gerne rühmt. Meist fühlt man sich nach einem Wutausbruch keineswegs besser. Denn seinem Ärger Luft zu lassen, löst keine Probleme, sondern verschärft sie mitunter sogar. Daher braucht es Mechanismen, um Wut zu kontrollieren und sie in die richtigen Bahnen zu lenken.
Sie zu unterdrücken und runterzuschlucken ist übrigens nicht der richtige Weg. Denn wer Ärger und Wut immerzu wegschiebt, steht unter permanentem Stress – das kann auf Dauer der Gesundheit schaden. Ein erhöhter Cholesterinspiegel und Blutdruck sowie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko können die Folgen sein. Aber auch mentale Erkrankungen können folgen: Wissenschaftler:innen gehen zum Beispiel davon aus, dass unterdrückte Wut zu Depressionen, Essstörungen oder Alkoholismus führen kann.
Aber auch seiner Wut freien Lauf zu lassen, ist nicht der richtige Weg. Hierbei werden die Stresshormone Noradrenalin und Adrenalin ausgeschüttet, die unter anderem einen negativen Effekt auf die Blutgerinnung haben. Weder ausleben, noch runterschlucken lautet die Devise. Die Frage lautet also: Wie kann man Wut kontrollieren?
1. Überdenken
Wer seine Wut kontrollieren möchte, muss sie in erster Linie reflektieren. Wann wirst du wütend? Warum wirst in solche Situationen wütend? Wie genau fühlst du dich dabei? Gekränkt? Angegriffen? Bedroht? Ängstlich? Und nun die wichtigste Frage: Wie fühlst du dich nach einem Wutausbruch? Und vor allem: Hat es dir Erleichterung und Fortschritt gebracht, wütend zu werden?
In den meisten Fällen wirst du erkennen, dass Wut dich keinen Schritt weiterbringt. Ganz im Gegenteil. Eher nehmen andere Menschen von dir Abstand und stempeln dich als cholerisch ab. So möchtest du gar nicht sein? Dann ist der erste Schritt getan: Du bist bereit, selbstständig deine Wut zu kontrollieren.
2. Rekalibrieren
Im nächsten Schritt geht es darum, deine innere Balance zu finden. Wann immer du merkst, dass du wütend wirst, solltest du zu Maßnahmen greifen, die dich wieder runterholen. Das kann ganz unterschiedlich klappen. Manche Menschen zählen beispielsweise langsam bis zehn und beruhigen sich dadurch. Andere sagen das Alphabet rückwärts auf, um sich abzulenken.
Wieder andere haben einen Druckpunkt an der Hand, der den Fokus neu ausrichten soll. Welche Taktik du auch wählst: Nutze sie immer dann, wenn du merkst, dass du emotional aus dem Gleichgewicht gerätst. Dabei geht es jedoch nicht darum, deine Gefühle zu unterdrücken. Vielmehr sollst du bei dieser Rekalibrierung den Fokus ganz auf dich und deine Gefühlswelt richten.
3. Humor etablieren
Wer stinkwütend ist, wird nicht so leicht ins Lachen geraten. Dennoch sollte man versuchen, das Leben etwas lockerer und humorvoller zu betrachten. Du merkst, dass dein Kopf hochrot wird und du zu platzen drohst? Dann versuche stattdessen lauthals zu lachen oder zwinge dich zu einem Lächeln. Das mag sich im ersten Moment ulkig und total falsch anfühlen.
Doch diese Taktik bewirkt wahre Wunder. Dir ist in wütenden Momenten so gar nicht zum Lachen? Dann nimm einen kleinen Taschenspiegel mit und hole ihn immer raus, wenn du wütend wirst. Sich im wahrsten Sinne den Spiegel vorzuhalten, kann einen schon mal zum Lachen bringen – oder zumindest grübeln lassen, ob die fiese Miene jetzt wirklich vonnöten ist.
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4. Langfristig vorbeugen
Wer gar nicht erst wütend werden möchte, tut gut daran, Wut vorzubeugen. Dabei können einige Veränderungen im Lebensstil helfen:
- Atme tief und gleichmäßig: Wusstest du, dass die richtige Atmung Stress reduzieren kann? Gleichzeitig kannst du dadurch deine Wut kontrollieren. Du merkst, dass dein Blut zu kochen beginnt? Zwinge dich nun mindesten zu fünf tiefen Atemzügen.
- Treibe Sport: Nichts vertreibt Aggressionen und Wut besser als ein schweißtreibendes HIIT-Cardio-Work-out. Aber auch Kampfsportarten sind ideal, um Wut in die richtigen Bahnen zu lenken und kontrollieren zu lernen.
- Gönne dir Auszeiten: Du stehst permanent unter Strom, weil du erst im Straßenverkehr festhängst und dann den ganzen Tag im Büro hockst? Gönne dir Auszeiten in der Natur. Studien beweisen, wie bereits ein paar Bäume dich runterholen können.
5. Hilfe annehmen
Bei dir reiht sich ein Wutausbruch an den nächsten und du kannst beim besten Willen deine Wut nicht kontrollieren? In diesem Fall solltest du dich nicht davor scheuen, professionelle Hilfe anzunehmen. In einer Therapie kann zum Beispiel der Frage auf den Grund gegangen werden, woher die Wut kommt und es können weitere Strategien entwickelt werden, um die Wut zu kontrollieren.
So kannst du deine Wut kontrollieren & sinnvoll nutzen
Wer häufig wütend wird, sollte nicht so hart mit sich ins Gericht gehen. Sonst verfängt man sich noch in einem Teufelskreis und wird wütend über sich selbst, weil man immerzu wütend ist. Besser, man sieht Wut als Möglichkeit, um jede Menge über sich selbst zu lernen.
Versuche, aktiv mit deiner Wut zu arbeiten. Reflektiere, wann du wütend wirst und stelle dich dem Gefühl das nächste Mal, statt es zu ignorieren. Lenke die Wut am besten in neue Bahnen und etabliere neue Verhaltensweisen. Statt wüsten Beschimpfungen sollten dir beispielsweise lieber freundlichere Sätze über die Lippen gehen. Überlege dafür zunächst genau, was dich stört und wütend macht. Lege nun in deinem Kopf den Schalter um und sperre deine Aggressivität aus. Sprich lieber offen an, was dich stört.
Um bei meinem obigen Beispiel zu bleiben: Statt wütend zu werden, wenn mir jemand hinterherpfeift, sollte ich lieber sagen: „Lassen sie das bitte, ich empfinde das als belästigend!“ Natürlich gibt es keine Garantie, dass diese Anrede fruchtet. Erntet man Gegenwind, sollte man im Zweifel bis zehn zählen und das Feld räumen – der eigenen Gesundheit und dem eigenen Wutmanagement zuliebe.
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