In meiner Kindheit habe ich beigebracht bekommen, dass ich niemals aufgeben soll. „Vielleicht bist du am Ende nicht die Beste, aber bis zum Ende dabei sein ist alles!“ trichterte mein Vater mir pflichtgemäß ein. Der Ehrgeiz, der sich aus diesen Worten entwickelt hat, begleitet mich bis heute – und bringt mich oft bis an den Rande des Wahnsinns. Denn niemals aufgeben bedeutet eben auch dann weiterzumachen, wenn es keinen Spaß mehr macht. Mittlerweile habe ich verstanden, dass es okay sein muss, öfter mal aufzugeben. In diesem Artikel verrate ich dir, wann Aufgeben die beste Option ist.
Was dich in diesem Artikel erwartet:
Niemals aufgeben? Das Internet überschlägt sich mit Tipps
Sucht man im Internet nach dem Spruch niemals aufgeben, wird man zunächst mit einer Flut an Sprüche-Bildern versorgt. Zahlreiche dieser kitschigen Cartoon-Bilder zeigen einen Storch, der gerade einen Frosch im Teich mit seinem Schnabel gefangen hat und ihn genüsslich verspeisen möchte. Der Frosch umgreift allerdings die Kehle des Storchs und wehrt sich bis auf den Tod. Darüber rankt der kesse Spruch: Niemals aufgeben.
Neben frechen Memes finden sich auch zahlreiche Internetseiten, die sich nur so mit Tipps überschlagen, wie man sich eine Never-Give-Up-Mentalität zulegt. Was sie alle gemein haben? Sie stigmatisieren das Aufgeben und meinen zum Beispiel: Aufgeben ist einfach, weitermachen nicht!
Die folgenden Tipps für echte Gewinner:innen umfassen alles Mögliche. Mal wird dazu geraten, öfter mal eine Pause einzulegen, statt aufzugeben. Andere weisen darauf hin, dass man sich nur genug darauf einstellen muss, dass es anstrengend wird. Wieder andere meinen, man müsse auf das zurücksehen, was man bereits erreicht hat, um das Aufgeben als Option auszuschließen.
Warum die Floskel niemals aufgeben überholt ist
Kann ich diese Tipps sogar noch einigermaßen nachvollziehen, hinterlässt mich der letzte Ratschlag völlig fassungslos: Wer aufgibt, läuft Gefahr, dass Aufgeben zur Gewohnheit wird. Wie ich das so lese, wird mir Angst und Bange um die mentale Gesundheit der Menschheit. Denn mal davon abgesehen, dass diese Aussage ohne Hand und Fuß ist, ist die Welt heute eine, in der dieses Denken keinen Bestand mehr haben kann.
Die Welt von heute ist schneller, komplizierter und globaler. Vor allem aber herrscht heute das illusorische Denken vor, man könne alles schaffen, wenn man sich nur genug anstrengt. Der Trend zur Selbstoptimierung boomt dahingehend – stetig befeuert durch Social Media. Dass jedoch nicht jedes Ziel erreichbar ist und man sich individuell messen und nicht auf squared pictures vergleichen sollte, vergessen die Never-Give-Up-Verfechter:innen dabei schnell mal.
Wissen, wann es genug ist
Hinzu kommt, dass heute an jeder Ecke der Stress lauert. Wer einen Moment nicht achtsam genug ist, wird schnell von ihm verschlungen: Erst klopfen die Stresssymptome, dann folgt die Erschöpfung, bis auch der Burn-out und die Depression vor der Tür stehen. Dass diese Aneinanderreihung keineswegs überspitzt ist, weiß die WHO (Weltgesundheitsorganisation) am besten, die im Stress die Hauptursache psychischer Erkrankungen sieht und meint, er wäre gar „eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts“.
Die Floskel niemals aufgeben kann in einer Welt, die von Dauerstress geprägt ist, meiner Meinung nach nicht länger funktionieren. Denn wer heute zu spät erkennt, dass es nicht guttut, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, für den kann es schon zu spät sein. Niemals aufzugeben bedeutet drastisch gesagt, die eigene mentale Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
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