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Vorfreude ist die schönste Freude – oder? Wieso manche Menschen Angst vor der Freude haben

Sollte man seine Vorfreude zügeln, um Enttäuschungen zu vermeiden? Wir haben die Psychologie gefragt und eine deutliche Antwort bekommen.

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Vorfreude genießen oder zügeln, um Enttäuschungen zu vermeiden? Foto: Pexels/ Bela Cheers

Vielleicht kennst du diese Situation: Es ist Mittwoch und am Freitag beginnt dein Urlaub. Vor Monaten hast du gebucht, nachdem du wochenlang das perfekte Reiseziel und die Unterkunft recherchiert hast. Nun wird es allmählich ernst: Bald geht es los! Doch jedes Mal, wenn sich in dir dieses warme Gefühl der Vorfreude breitmachen will, grätscht dein Kopf dazwischen: „Stop! Nicht zu hohe Erwartungen!“ Mindert es wirklich die Enttäuschung, wenn man sich die Vorfreude verbietet?

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Vorfreude ist die schönste Freude – oder? Foto: IMAGO/ Addictive Stock

Ist Vorfreude wirklich die schönste Freude?

„Vorfreude ist die schönste Freude“ – eines der wenigen Sprichwörter, die auch die Wissenschaft belegen kann. Forschende haben im Jahr 2019 1.530 Niederländer:innen befragt und herausgefunden, dass diejenigen, denen ein Urlaub bevorsteht, glücklicher waren als die, die keine Auszeit in Sicht haben. Das Besondere an der Vorfreude ist, dass die Erholung schon mit der freudigen Erwartung beginnt und nicht erst mit Urlaubsantritt.

Vielen ist dieser Effekt in den letzten Jahren besonders deutlich geworden. Denn seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist Reisen ein sehr spontanes Unterfangen geworden und viele Urlauber:innen haben mehr Buchungen kurzfristig storniert, als tatsächlich angetreten. „Ich freue mich lieber noch nicht, bestimmt klappt es sowieso wieder nicht“, hörte man vermehrt aus Freundes- und Familienkreis. Und ohne die Vorfreude, so fühlten es die meisten, verliert auch der Urlaub als solcher an Attraktivität.

Funfact: Die deutsche Sprache ist die einzige, die ein eigenes Wort für die Vor-Freude hat. In den meisten Sprachen wie Englisch oder Französisch heißt es „anticipation“, also „erwarten“, was sowohl positiv als auch negativ sein kann.

Wieso ist Vorfreude wichtig für die Psyche?

Vorfreude gilt als die schönste Freude, weil sie in gewisser Weise ein greifbares Gefühl ist. Wir können uns den bevorstehenden Urlaub vorstellen oder die eigene Geburtstagsfeier mit all unseren Freund:innen – schließlich haben wir viel Planungsarbeit investiert. Auch in beruflicher Hinsicht ist Vorfreude ein wichtiges Element, das uns hilft, im Studium oder in der Ausbildung zielstrebig zu bleiben.

Main Huong Nguyen ist Psychologin und Achtsamkeitsexpertin. Im Interview mit Deutschlandfunk Nova erklärt sie, dass Vorfreude deshalb so wichtig für unsere Psyche ist, weil sie uns motiviert und ermutigt. Das betrifft sowohl das Erledigen von Aufgaben als auch das Überwinden von schwierigen Situationen im Leben. Vorfreude bedeutet also Antrieb und ohne Antrieb gäbe es kein Weiterkommen – weder im Beruflichen noch im Privaten.

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Sollte man die Vorfreude auf den Urlaub zügeln, um Enttäuschungen zu vermeiden? Foto: Getty Images/ Ghislain & Marie David de Lossy

Achtsame Vorfreude: Wie geht das?

Achtsamkeit bedeutet, dass wir uns dessen bewusst sind, was gegenwärtig in und um uns herum passiert, erklärt Main Huong. Das Besondere an der Vorfreude ist, dass sie sich auf einen zukünftigen Moment bezieht, auf einen „positiven Soll-Zustand“. Achtsame Vorfreude bedeutet demnach, sich im Moment des Freuens der Vorfreude bewusst zu sein.

Leider ist genau das auch die Ausgangslage für das oben beschriebene Phänomen, dass sich manche Menschen die Vorfreude aus Angst vor der Enttäuschung verbieten. In diesem Fall ist man sich der auf die Zukunft ausgerichteten Freude zu bewusst, sodass man sie rationalisiert und „kleinmacht“ – in der Regel, um sich selbst vor Enttäuschung zu schützen.

Wie hängen Vorfreude und Enttäuschung zusammen?

Ohne Vorfreude kann es keine Enttäuschung geben. Das mag zwar stimmen, nur gibt es ohne Vorfreude, wie schon beschrieben, auch keine Motivation, keinen Antrieb und keine Lebensfreude. Vorfreude muss also erlaubt sein. Aber ist die Enttäuschung, wenn der Urlaub wegen Corona spontan gecancelt wird, größer, wenn man sich zuvor besonders stark darauf gefreut hat?

Wenn wir die Vorfreude unterdrücken, schützt es uns nicht vor Enttäuschung und Trauer.

Psychologin Main Huong bei „Deutschlandfunk Nova“

Main Huong sagt: Nein. Für sie hängen Vorfreude und Enttäuschung nicht zusammen. Denn im Moment der eintretenden Enttäuschung hat die Freude ja bereits mit all ihren positiven Effekten stattgefunden. Die Psychologin plädiert dazu, statt sich die Freude zu verbieten, einen Umgang mit Enttäuschung zu lernen. Denn die gehört zum Leben genauso dazu, wie schöne Ereignisse.

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Geld kann glücklich machen: wenn es in ein Erlebnis investiert wird. Foto: Pexels/ Cottonbro

Weshalb ein Urlaub glücklicher macht als ein neues Auto

Es lässt sich also wissenschaftlich stützen, dass Vorfreude wirklich die schönste Freude ist. Sie zu unterdrücken ist unnötig, denn sie endet so oder so – entweder mit dem Zerplatzen des Traums vom Urlaub, oder mit dessen Erfüllung. Um die Enttäuschung zu mindern, kann höchstens ein maßvolles Erwartungsmanagement hilfreich sein. Heißt: Freu dich auf deinen Urlaub, aber erwarte kein Upgrade auf die Präsidentensuite oder, dass die Liebe deines Lebens an der Strandbar auf dich wartet.

Interessant ist auch, dass Vorfreude nicht gleich Vorfreude ist: Eine 2014 in der psychological science veröffentlichte Studie zeigte, dass die Vorfreude auf ein Ereignis (z.B. ein anstehender Urlaub oder Konzert) größer ist als die materielle Freude (z.B. ein neues Auto), da sie abstrakter ist und damit bedeutsamer scheint. Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Bruno Frey sagt über das Beispiel des Autokaufs: „Selbst ein Maserati macht nur zwei, drei Wochen glücklich. Danach ist es so, als hätten Sie schon immer in so einem Auto gesessen, und das Glück ist weg.“

Vorfreude als Formel zum Glück

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Egal, wie sehr wir uns auf ein Ereignis, einen Urlaub oder ein neues Auto freuen – wir werden uns daran gewöhnen und die Freude nimmt ab. Das ist aber überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil: Wir können uns dieses Gefühl zunutze machen und versuchen, fortwährend „Inseln der Vorfreude“, wie es Deutschlandfunk Nova-Moderation Diane Hielscher so schön formuliert, in unserem Leben zu schaffen.

Das bedeutet, sich vor Augen zu halten (und vielleicht sogar regelmäßig aufzuschreiben), welche schönen Ereignisse dir in den nächsten Stunden, Wochen, Monaten, Jahren bevorstehen. Das können konkrete Ereignisse wie eine geplante Geburtstagsparty, aber auch vage Ideen, zum Beispiel ein Umzug sein. Aber auch schon kleine Reize schaffen einen glücklichen Alltag: zum Beispiel, wenn du dich auf ein leckeres Abendessen freust. Diese achtsame Art der Vorfreude schafft langfristig ein positiveres Mindset und macht nachweislich glücklicher.

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