Ich bin im Dauerstress. Heute Morgen musste ich binnen einer Stunde frühstücken, meine Brote für mein Mittagessen schmieren und mich für die Arbeit fertigmachen. Ich bin zur U-Bahn gerannt, habe auf der Fahrt schon meine Mails gecheckt und im Büro angekommen hatte ich kaum Zeit, meinen Kaffee zu trinken, weil die ersten Aufgaben meiner To-do-Liste mich bereits anlächelten. Erzähle ich meinem Partner von dem Stress, den ein solcher Morgen mir bereitet, reagiert er oft mit Unverständnis. Das ist für ihn kein Stress, das ist das Leben, welches man leicht nehmen sollte. Lange habe ich mich gefragt, wieso er so viel weniger gestresst ist als ich. Dann stieß ich auf das Stressmodell von Lazarus. Was dieses Modell besagt und welche Details wirklich darüber entscheiden, ob wir Stress empfinden, liest du hier.
Alles zum Thema das Stressmodell von Lazarus auf einen Blick
Was ist das Stressmodell von Lazarus?
1984 veröffentlichte der Psychologe Richard Lazarus ein transaktionales Stressmodell. Dieses Stressmodell vom Lazarus versteht Stress als einen Prozess aus komplexen Wechselwirkungen. Es bezieht sowohl die Anforderung sowie die handelnde Person mit ein. Keine Sorge, was hier so hochtrabend klingt, werde ich dir gleich an einem Beispiel einfach erklären.
Anders als andere Stressmodelle geht das Stressmodell von Lazarus davon aus, dass nicht ein objektiver Reiz Stress auslöst. Vielmehr entscheidet die subjektive Bewertung einer Person darüber, ob sie in einer Situation Stress empfindet. So wird beispielsweise nicht jeder Schüler einen Mathetest in der Schule als stressig empfinden. Jeder Mensch ist also für einen sogenannten Stressor (Stressreiz) anders anfällig. Kurzum: Stress ist eine individuelle Angelegenheit.
So ist das Stressmodell aufgebaut: Ein Beispiel
Stress entsteht immer dann, wenn wir uns einer Herausforderung nicht gewachsen fühlen. Dieser Prozess durchläuft jedoch mehrere Stufen nach dem Lazarus-Modell. Ich werde dir diese einzelnen Stufen nun anschaulich anhand eines Beispiels erklären:
1. Stressor
Stell dir vor, du wirst auf der Arbeit (oder auch in der Uni) gebeten, einen Vortrag zu halten. Es werden 100 Zuhörer:innen erwartet und der Vortrag soll in einer Woche stattfinden. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Stressor, also um einen äußeren Reiz, welcher alle weiteren Prozesse anstößt.
2. Primäre Bewertung
Nachdem dir diese Aufgabe übertragen wurde, wirst du nun alle Informationen sondieren. Schließlich kommt es zu einer ersten bzw. zu einer primären Bewertung dieser Anforderung an dich. In diesem Schritt wirst du jetzt in dich hineinhören, ob du den Vortrag als positiv oder negativ bewertest.
Vielleicht ist das nicht dein erster Vortrag, den du kurzfristig stemmen musst? Vielleicht liebst du es sogar, vor vielen Menschen zu sprechen? In diesem Fall wirst du keinen Stress empfinden, da du die Situation als positiv einschätzt.
Wirkt dieses Projekt jedoch bedrohlich auf dich, weil du die Zeit als zu knapp empfindest oder Angst hast, vor so vielen Menschen zu sprechen, kann sich Stress einstellen.
3. Sekundäre Bewertung
Schätzt du die Situation als zu herausfordernd oder bedrohlich ein, trittst du in die Phase der sekundären Bewertung nach dem Stressmodell von Lazarus ein. In dieser Phase wirst du überprüfen, ob du die Situation dennoch bewältigen kannst oder eben nicht.
Kommst du zu dem Schluss, dass du den Vortrag meistern wirst, weil du noch eine Woche Zeit hast oder Ahnung vom Thema oder du dir jemanden an deine Seite stellen kannst, wirst du keinen Stress empfinden.
Kommst du jedoch zu dem Schluss, diese Situation nicht meistern zu können, weil du beispielsweise noch nie etwas von diesem Thema gehört hast und schlicht keine Zeit für die Vorbereitungen hast, wirst du Stress empfinden.
4. Stressbewältigung
Ist der Stress erst ausgebrochen, wirst du nun alles daransetzen, diesen zu bewältigen. Das kannst du nach dem Stressmodell von Lazarus auf zwei Arten tun: problem- oder emotionsorientiert.
Bei der problemorientierten Stressbewältigung würdest du beispielsweise versuchen, den Vortrag um eine weitere Woche zu verschieben. Oder du würdest dir eine Kollegin bzw. Kommilitonin ins Boot holen, um die Arbeit zu teilen.
Versuchst du deinen Stress emotionsorientiert zu lösen, würdest du beispielsweise versuchen, positiver an den Vortrag heranzugehen. Du würdest beispielsweise deinen Perfektionismus herunterschrauben, um dir selbst Last von den Schultern zu nehmen. Dazu zählt aber auch, dass du mit positiven Affirmationen oder Meditation arbeitest.
5. Anpassung und Lernen
Nachdem du alles versucht hast, deinen Stress zu bewältigen, kommst du in die Phase der Neubewertung. In dieser letzten Phase des Stressmodells von Lazarus erkennst du, dass der Vortrag kein Problem darstellen wird, weil du weißt, dass du es kannst.
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Wer dieses Stressmodell kennt, kann an sich arbeiten
Das Lazarus-Stressmodell zeigt anschaulich, dass Stress keine Allgemeingültigkeit hat. Ob wir gestresst sind, entscheiden wir demnach zu einem großen Teil selbst. Stress ist einfach gesagt eine Frage unserer Einstellung und unserer Mechanismen, ihn abzubauen.
Wer das einmal verstanden hat, sollte die eigenen Stresssymptome umso ernster nehmen und sich selbst reflektieren. Je eher man Mechanismen etabliert, welche zur Stressbewältigung und zu einem Umlernen beitragen, desto gesünder lebt man.