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Wie Räume uns stressen können: Eine Expertin erklärt, wie ein erholsames zu Hause aussieht

Du machst Yoga, meditierst und arbeitest an deiner Atmung, um Stress abzuschalten? Aber wusstest du, dass auch deine Räume Einfluss auf deinen Stresspegel haben?

© imago images/Addictive Stock

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Wer sich Zuhause nicht so ganz wohl fühlt, sollte sich mit Feng Shui beschäftigen: Denn die Harmonielehre aus Chine verspricht Glücksmomente für Zuhause.

Das Eigene zu Hause soll gemütlich sein und zum Entspannen einladen. In vielen Fällen tut es das aber nicht. Ganz im Gegenteil: Vielmehr stressen uns die eigenen vier Wände und oft wissen wir gar nicht, woran genau das liegt. In diesen Fällen tritt die Raumexpertin Katia Steilemann auf den Plan. Sie hilft ihren Klient:innen regelmäßig dabei, eine Einrichtung zu finden, die produktiver und gesünder leben lässt. Im Interview verrät sie uns einige Tipps und Tricks, wie die richtige Inneneinrichtung sogar Stress abschalten kann.

Stress abschalten: Liegt es vielleicht an der falschen Inneneinrichtung?

Laut der neuesten Stressstudie der Techniker Krankenkasse mit dem Titel „Entspann dich, Deutschland!“, sind wir gestresst wie nie. 64 % der über 1.000 Befragten gaben an, dass sie sich manchmal gestresst fühlen. 26 %, also ein Viertel der Befragten, meinten sogar im Dauerstress zu sein.

Das sind erschreckende Zahlen – und doch verwundern sie wenig. Nicht nur scheint sich die Welt mit all den technologischen Errungenschaften immer schneller zu drehen, auch zwingt uns die Corona-Pandemie Sorgen und Ängste auf, denen wir uns manchmal schlichtweg nicht gewachsen fühlen.

In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, achtsam zu leben, Stress abzuschalten und für reichlich Entspannung zu sorgen. Andernfalls kann der negative Dauerstress die Kontrolle übernehmen und geradewegs in die Folgen der Erschöpfung, des Burn-outs oder der Depression führen.

Die Stressprävention zielt häufig auf Entspannungsübungen, spezielle Atemtechniken und Yoga ab. Was dabei oft vergessen wird? Dass auch die eigenen vier Wände einen enormen Einfluss auf unseren Stresspegel haben können. Katia Steilemann weiß das nur zu gut. Sie ist Raumexpertin, ausgebildete Präventologin, Interior Designerin und Mental Coach. Ihr Kernthema: die Auswirkung von Räumen auf die Gesundheit.

Entschleunigung
Die Menschen sind gestresst wie nie & versuchen mit allen möglichen Strategien dagegen anzugehen. Was sie dabei oft vergessen? Die Räume, in denen sie leben. Foto: imago images/Westend61 /

Katia Steilemann im Interview: „Zu wenige Menschen nehmen Räume bisher ernst genug.“

In ihrem Job hilft Katia Steilemann Menschen dabei, durch die richtige Raumgestaltung gesünder zu leben. Im Interview konnten wir ihr einige Tipps entlocken, wie die richtige Einrichtung dabei helfen kann, Stress abzuschalten…

wmn: Wie können Räume Stress befördern und krank machen?

Katia Steilemann: Räume wirken direkt auf unsere Nerven. Sie können Hormone, den Herzschlag, den Blutdruck, den Atem oder auch unseren Appetit verändern. Gucken wir uns mal die Hormone genauer an: Hat eine Mutter morgens das Wohnzimmer aufgeräumt, kommt nachmittags von der Arbeit zurück und findet erneut Socken, Taschen und Spielsachen auf dem Boden, wird sie der Anblick dieses Raumes in Millisekunden stressen. Das heißt, dieser Raum wird ihren Cortisolspiegel erhöhen.

Das wurde auch in einer Studie mit dem Titel „Life at Home in the 21. Century“ aus Kalifornien bewiesen. Hier kam heraus, dass Unordnung genau so viel Stress auslöst wie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung! Außerdem haben sie bewiesen, dass Menschen, die glauben, dass ihre Wohnung unordentlich ist, ein höheres Stresslevel haben, wenn sie nach Hause kommen.

Allgemein wird 75 % von dem, was uns beeinflusst, über die Augen aufgenommen. Räume sind also superwichtig, aber zu wenige Menschen nehmen Räume bisher ernst genug und wissen auch gar nicht, dass sie zu mehr Stress führen.

„Es ist eines der Top-Probleme, dass Menschen keinen Rückzugsort haben.“

wmn: Ich bin eine junge Frau von 27 Jahren, arbeite im Homeoffice, bin im Dauerstress und lebe mit meinem Partner zusammen. Welche Räume würden sie sich bei mir angucken?

Katia Steilemann: Ich würde zuerst fragen, ob sie einen Raum haben, in dem sie sich zurückziehen können. Es ist eines der Top-Probleme, dass Menschen keinen Rückzugsort haben, der zu ihnen passt und in dem sie schnell entspannen und herunterkommen können. Oft geht es aber eher den Männern so, weil die Frauen häufiger das Haus einrichten (lacht).

https://dev.wmn.de/health/psychologie/8-zeichen-im-traum-die-du-nicht-ignorieren-solltest-a-a-id552958

„Das Sehen macht zwar 75 % in Räumen aus, aber auch Hören und Tasten sind beim Wohnen wichtig!“

wmn: Mein Rückzugsort wäre eindeutig das Schlafzimmer!

Katia Steilemann: Spannend! Es gibt generelle Tipps, worauf man bei einer Schlafzimmergestaltung achten sollte, um Stress zu reduzieren. Ich würde mir zum Beispiel ansehen, aus welchem Stoff die Bettwäsche besteht. Hier würde ich Baumwolle empfehlen, weil die weniger elektrostatisch aufgeladen ist. Die Baumwolle fühlt sich außerdem viel besser auf der Haut an. Das Sehen macht zwar 75 % in Räumen aus, aber auch Hören und Tasten sind beim Wohnen wichtig!

Außerdem würde ich mir ansehen, ob es Naturmaterialien wie Holz im Schlafzimmer gibt. Ein Holzbett oder ein Holzboden zum Beispiel. Es gibt eine japanische Studie aus dem Jahr 2017. Die hat getestet, was mit unserem Nervensystem passiert, wenn man mit verbundenen Augen die Hand auf Holz legt. Die Forscher entdeckten, dass innerhalb von 90 Sekunden das parasympathische Nervensystem aktiviert wird, also dass die Menschen sich beruhigt haben. Holz ist also unbedingt eines der Naturmaterialien, die wir zu Hause haben sollten!

Wer Naturmaterialien wie Holz im eigenen zu Hause hat, kann Studien zufolge den Stress besser abschalten. Foto: The Valeria Ushakova Collection via canva.com

„Die Frage nach dem richtigen Raum ist eine sehr individuelle.“

wmn: Ist es allgemein wichtig, wie viel Platz man zur Verfügung hat? Heißt mehr Platz also weniger Stress?

Katia Steilemann: Nein, gar nicht. Ich kenne jede Menge wohlhabende Menschen, die riesen Häuser haben, sich aber total unwohl darin fühlen. Natürlich kann es aber auch zu beengt sein. Hier sollte man immer auf seine eigene Intuition hören und schauen, wie man sich fühlt.

Es hängt vor allem damit zusammen, in welchen Räumen man als Kind aufgewachsen ist. Ich habe ein Beispiel: Eine Kundin kam zu mir, nachdem sie in einen Altbau umgezogen war und plötzlich nicht mehr gut einschlafen konnte.

Ich habe sie also gefragt, wie ihr Schlafzimmer aussah, als sie ein Kind war. Sie meinte, das war eher kleiner, mit tieferen Decken. Als Tipp habe ich ihr dann mitgegeben, über das Bett einen Schal zu hängen, es also zum Himmelbett umzubauen, um die Decke runterzubringen. Und das hat tatsächlich einen Unterschied gemacht. Die Frage nach dem richtigen Raum ist demnach eine sehr individuelle.

„Wir müssen weg von diesem ‚Schöner Wohnen‘ und hin zu einem gesunden und authentischen Wohnen.“

wmn: Wie wichtig ist es, einen Raum zu haben, den man hinter sich abschließen kann? Ist das essenziell, um Stress zu reduzieren?

Katia Steilemann: Ja, hauptsächlich, wenn man Kinder hat. Aber auch in Partnerschaften. Räume, die beispielsweise keine Türen haben, sorgen dafür, dass man ständig überrascht werden kann. Das Nervensystem wird aber nicht entspannen, solange es das Gefühl hat, es kann noch überrascht werden.

Es ist daher wichtig, Symbole aufzustellen, die zeigen „Ich mache gerade eine Pause, bitte nicht stören!“ oder Türen tatsächlich zu schließen. Das Hauptproblem heute ist, dass die meisten Menschen wenig Platz und keinen extra Raum haben. Hier muss man sich eine Lösung suchen. Eine Kundin sagte mir mal, dass ihr Wohlfühlraum das Bad sei und meinte: „Ich kann ja jetzt aber nicht ständig auf der Toilette sitzen!“

Ich riet ihr stattdessen, dass sie in ihrer Badewanne eine Leseecke einrichten soll. Sie guckte mich nach dem Motto an: „Wie bescheuert bist du denn?!“ (lacht), aber ich sagte ihr, sie solle es einfach mal probieren.

Es gibt keine Regeln bei der Raumgestaltung. Wir müssen weg von diesem „Schöner Wohnen“ und hin zu einem gesunden und authentischen Wohnen. Tatsächlich hat meine Kundin in ihre Badewanne ganz viele Kissen reingelegt und inzwischen ist das zu ihrem Lieblingsort geworden.

Es ist nicht wichtig, dass wir schön wohnen oder so wie es andere von uns erwarten. Wichtig ist, dass wir gesund wohnen und zu Hause abschalten können. Foto: IMAGO / Addictive Stock

„Ich sehe immer wieder Schlafzimmer, von denen ich geschockt bin.“

wmn: Welcher Raum wird am meisten unterschätzt, ist aber am wichtigsten für das mentale Wohlergehen?

Katia Steilemann: Für mich ist das immer noch das Schlafzimmer. Zwar wissen das viele, aber ich sehe immer wieder Schlafzimmer, von denen ich geschockt bin. Da stehen Stepper, Kisten, es ist überfüllt, die Farben passen nicht

Es ist oft keine Oase zum Herunterkommen und Abschalten. Gerade wenn es um die mentale Gesundheit geht, sollte man aufpassen, dass keine Smartphones aufgeladen werden oder dass kein Fernseher im Raum steht.

wmn: Warum sollte der Stepper nicht im Schlafzimmer stehen?

Katia Steilemann: Der Stepper bedeutet immer Aktivierung, dabei möchte man im Schlafzimmer herunterkommen. Ich kann außerdem garantieren, dass 90 % der Stepper, die in Schlafzimmern stehen, eigentlich Kleiderbügel sind. Und der Mensch sieht das und denkt: „Ich müsste mal wieder Sport machen.“ Es entsteht also ein mentaler Druck und ein schlechtes Gewissen.

wmn: Liebe Frau Steilemann, vielen Dank für diese Einblicke!

Stress abschalten: Eine Frage der Inneneinrichtung

Stress ist eine tückische Sache, zumal er uns manchmal gar nicht gewahr wird. Mein Vorschlag: Setze dich mal in deinen Lieblingsraum und frage dich, ob das mit dem Stress abschalten in diesem Raum wirklich gelingt! Es klappt nicht? Dann liest du in diesem Artikel, welche drei Faktoren Katia Steilemann nennt, die innere Unruhe begünstigen.

Gucken hier schauen.