In meinem Bad stehen zwei Schränke. Der eine besteht aus bestem Massivholz, hat matte Metallgriffe und wurde in einem Stück geliefert. Er ist ein wahrer Augenschmaus. Den anderen habe ich mühsam selbst zusammengeschraubt – und das sieht man ihm auch an. Kerben im günstigen Holz vom abgerutschten Nimbus und eine leichte Schieflage erinnern mich bei jeder Dusche an meine Anstrengungen. Und dennoch messe ich dem selbst aufgebauten Schrank mehr Wert zu. Klingt komisch? Ganz und gar nicht. Denn hierhinter verbirgt sich der sogenannte IKEA-Effekt…
Alles rund um den „IKEA-Effekt“
Was ist der IKEA-Effekt?
Der Begriff IKEA-Effekt stammt aus der Verhaltensökonomik und meint, dass wir Dinge mehr wertschätzen, die wir selbst entworfen oder zusammengebaut haben. Der Name des Begriffs leitet sich – du wirst es bereits ahnen – vom schwedischen Möbelhaus IKEA ab.
Denn der blau-gelbe Möbelgigant setzt genau auf diesen psychologischen Effekt. Ihr Erfolgsgeheimnis ist seit Jahren, dass sie ihre Kund:innen die einfachsten Möbelstücke selbst zusammensetzen lassen. Auch wenn viele IKEA-Möbel am Ende leicht windschief Platz für Bilderrahmen, Vasen und Co. bieten, so sind sie doch für viele mindestens so viel wert wie eine Einzelanfertigung vom Handwerker oder der Handwerkerin. Einfach, weil sie selbst aufgebaut wurden.
Vom Kuchen bis zum Billie-Regal
Der Effekt findet seine Anfänge bereits in den 1950er-Jahren als Hausfrauen begannen, Fertigkuchen-Backmischungen abzulehnen. Heute sind fertige Backmischungen nicht mehr wegzudenken, doch damals, als das selbstständige Kochen und Backen hoch im Kurs standen, stagnierte der Markt tatsächlich. Der Grund? Die Hausfrauen fühlten sich durch die schnellen Mischungen nicht mehr gebraucht.
Die Hersteller der Backmischungen mussten in der Folge ihr Marketing für die Fertig-Backmischungen ändern. Fortan bewarben sie die Mischungen mit einem besonders hohen Eigenanteil und betonten, dass man noch Eier und Milch zugeben müsse. Ganz abgesehen von einer aufwendigen Verzierung am Ende!
Diese Kampagnen fruchteten und verhalfen den Backmischungen zu ihrem endgültigen Durchbruch. Und doch: Schnelle Tassenküchlein aus der Mikrowelle mögen heute zwar der letzte Schrei sein, doch gegen den selbst gemachten Apfelkuchen von Oma kommen sie nicht an. Selbstgemachtes schmeckt einfach besser und wird mehr wertgeschätzt.
Harvard Studie bestätigt den IKEA-Effekt
Wie viel Einfluss das eigene Einwirken beim Aufbauen und Herstellen von Dingen auf die Wertschätzung hat, konnte erstmals 2011 in der Studie rund um den Wirtschaftswissenschaftler der Harvard Business School Michael Norton bestätigt werden. Zugleich wurde in der Untersuchung erstmals der Begriff des IKEA-Effekts genutzt.
Neben Norton waren auch seine Kollegen Daniel Mochon (University of California) und Dan Ariely (Duke University) an der Studie beteiligt, in der Proband:innen verschiedene modulare Möbelstücke aufbauen sollten. Obwohl es sich um fertige Bausätze handelte, die weder modifiziert, noch individualisiert werden konnten, empfanden die Proband:innen die selbst erbauten Möbelstücke als hochwertiger.
2010 stellten Neurowissenschaftler der Johns Hopkins Universität einen ähnlichen Effekt bei Mäusen fest. Hier wurden Mäusen zwei verschiedene Zuckerwassersorten hingestellt. Per Hebel konnten die Mäuse sich einen Tropfen der Flüssigkeit holen. Nach und nach war eine Flüssigkeit jedoch schwerer zu bekommen – so mussten die Mäuse nun beispielsweise 15 Mal den Hebel für einen Tropfen bedienen. Zurück in ihrem Stall zeigten die Mäuse eine deutliche Vorliebe für die Flüssigkeit, für die sie härter arbeiten mussten.
Wie selbstgeschraubte Kugelschreiber und Golfschläger zum Erfolg führen
Die neuste Studie zum IKEA-Effekt stammt von Sören Köcher, der an der TU Dresden forscht und Keith Wilcox, der in Texas an der A&M University arbeitet. Sie meinen: Wer Dinge selbst zusammenbaut, schätzt diese nicht nur mehr, sondern ist mit ihnen auch erfolgreicher!
Köcher und Wilcox ließen ihre Proband:innen Kugelschreiber und Golfschläger selbst zusammenschrauben, bevor diese zum Rätsel lösen oder Golfspielen genutzt wurden. Das Ergebnis ist beeindruckend: Die Proband:innen, die ihre Gadgets zuvor selbst zusammenschraubten, lösten sowohl die Rätsel schneller und trafen auch den Golfball akkurater.
„Dabei spielt es sogar keine Rolle, wie kompliziert oder aufwendig es ist, einen Gegenstand zusammenzubauen“, betont der Studienleiter Köcher. Auch wenn die Proband:innen nur zwei Stücke zusammenschrauben mussten, schnitten sie danach dennoch erfolgreicher ab.
Köcher erklärt sich das wie folgt: „Etwas selbst aufzubauen, stärkt das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit“. Das hängt damit zusammen, dass man bereits ein Erfolgserlebnis hatte, welches das Selbstvertrauen gestärkt hat. Hat man es also erst geschafft, den Kugelschreiber zusammenzubauen, steht der Lösung des Rätsels nichts mehr im Weg.
Der IKEA-Effekt lehrt uns, dass Selbstgemachtes besser fühlen lässt
Was lernen wir also vom IKEA-Effekt? Wann immer wir die Möglichkeit haben, Dinge selbst zu machen, sollten wir es tun. Denn dann umweht uns nicht nur ein Gefühl von Stolz. Auch gewinnen wir damit an Selbstvertrauen, das uns Aufwind für alle weiteren Herausforderungen gibt! In diesem Sinne: Do it yourself!
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