Weihnachten soll das schönste, gemütlichste und segenreichste Fest des Jahres sein – voller Liebe, Gaben und gutem Essen. Für viele ist es das aber ganz und gar nicht. Sie würden sogar so weit gehen zu sagen, dass sie Weihnachten verabscheuen. Solche echten Grinchs gibt es nicht, denkst du dir? Ich habe in unserer Redaktion gefragt: „Hey, kennt ihr jemanden, der Weihnachten hasst?“ und binnen fünf Minuten bin ich auf eine Redakteurin gestoßen, die voller Inbrunst von sich behauptet: „Ich hasse Weihnachten!“. In diesem Artikel findest du ein Interview mit ihr, das eindrücklich erklärt, woher ihr Hass auf das Fest des Lichts kommt.
Wie kann man Weihnachten nicht lieben? Meine nostalgische Verklärung
Ich liebe Weihnachten. Nicht, weil an diesem Fest alles perfekt läuft. Nein, auch mich nervt der Stress rund um die Geschenkeinkäufe, die das Fest Jahr für Jahr kapitalistischer werden lassen. Oder die Koordination der Familientreffen, bei denen man sich ohnehin fragt, warum der rassistische Onkel eingeladen werden muss. Oder die Maßlosigkeit der Weihnachtsmenüs, die ganze Straßenzüge sättigen könnten.
Aber verdammt noch mal ja, ich liebe es, wie die Lichter im Fenster und am Baum glühen, wie mich der Film Kevin allein zu Haus auch das hundertste Mal begeistert und wie ich mir ein Glühwein nach dem nächsten im Kreise meiner Liebsten reinziehen kann. An keinem Tag im Jahr fühle ich mich geborgener und geliebter.
Mir ist schon klar, dass ich Weihnachten nostalgisch verkläre. Bis heute wünsche ich mir, dass Weihnachten sich wie in meiner Kindheit anfühlt, als ich bereits um sechs Uhr morgens in der Adventszeit aufstand, um meine Weihnachtskalender (ja, Plural) zu plündern. Ich erinnere mich genau, wie ich an Heilig Abend in meinem Zimmer bleiben musste, bis die Geschenke unterm Baum lagen. Und wie ich mit meinen Eltern nach der Bescherung Kartoffelsalat mit Würstchen mampfte.
Jedes Jahr auf Neue versuche ich diesem Gefühl an Weihnachten nachzujagen. Und jedes Jahr aufs Neue schaffe ich es zumindest, Funken dieses Gefühls zu spüren. Diese Funken sind mir genug, um zu wissen, dass ich dieses Fest – und das als Atheistin – absolut in mein Herz geschlossen habe.
Interview mit einem Grinch: „Ich hasse Weihnachten!“
Ich weiß aber auch, dass ich mit meiner nostalgischen Verklärung oft ziemlich allein dastehe. Viele Menschen haben nicht das Glück, die Zeit oder auch die Lust Weihnachten so zu verbringen. Vielleicht müssen sie arbeiten. Vielleicht sind sie einsam. Vielleicht feiern sie aus religiösen Gründen nicht.
Weiterlesen: Weihnachten allein zu verbringen ist gar nicht mal unüblich. Lies hier, wie man dennoch das Beste daraus macht.
Aber auch Menschen, die Zeit, Geld und die Möglichkeit hätten, Weihnachten zu feiern, lassen es ausfallen oder fühlen sich rund um das Fest so gar nicht wohl. Dazu zählt auch unsere wmn-Redakteurin Patricia, die von sich behauptet: „Ich hasse Weihnachten!“. Was sie zu dieser Aussage bringt, liest du jetzt…
Liebe Patricia, du hasst also Weihnachten? Wie meinst du das genau?
Patricia: Ich empfinde es als sehr kommerziell, sehr nervig und es ist für mich auch eine der schwersten Phasen im Jahr. Das hat bei mir vor allem familiäre Gründe, weswegen ich Weihnachten nicht mag. Das Fest ist für mich immer mit sehr viel Stress verbunden.
„Einem wird gar nicht die Chance gegeben, Weihnachten zu ignorieren.“
Du hast verschiedene Punkte angesprochen, unter anderem den Kommerz. Auch ich finde es anstrengend, Geschenke zu kaufen oder allein den Drang zu verspüren, es tun zu müssen. Ist es das, was du damit meinst?
Patricia: Ich habe das Gefühl, wenn man zur Weihnachts- oder Adventszeit auch nur einen Schritt in einen Laden geht, dass man nicht um Weihnachten drumherum kommt. Aber auch online ist das so. Einem wird gar nicht die Chance gegeben, das zu ignorieren. Es prasselt vor allem von den Industrien herein und das mag ich überhaupt nicht.
„Diese Balance, es jedem recht zu machen, das schafft man nicht.“
Wenn du sagst Weihnachten stresst dich, was meinst du damit? Etwa all die Farben, Lichter und das Glitzer?
Patricia: Auch. Aber auch die ganze Planungskomponente. Du kennst das Problem in Beziehungen ja sicher auch, dass man mit seinem Partner oder mit seiner Partnerin feiern möchte. Man möchte mit allen, die man lieb hat, feiern. Das kann man aber meist nicht, weswegen man irgendwie über die Weihnachtsfeiertage immer versucht, es allen gleich recht zu machen.
Ich habe die schwierige Aufgabe, dass ich nicht mit meiner Familie feiern möchte, aus Gründen, weswegen ich mit meiner Freundin feiere. Aber dieser ganze Trip nach Bayern muss geplant werden – und zwar am besten so, dass meine eigene Familie dadurch nicht unglücklich wird.
Diese Balance, es jedem recht zu machen, das schafft man nicht. Und das schafft man auch außerhalb von Weihnachten nicht. Ich verstehe nicht, warum es genau diesen einen Anlass geben muss, bei dem man es allen recht machen muss. Gerade zur Weihnachtszeit sind die Menschen immer besonders traurig, wenn ein Treffen nicht klappt.
„Es ist dann einfach nicht für jede:n möglich, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.“
Möchtest du darauf eingehen, warum du nicht mit deiner Familie feiern magst?
Patricia: Ich habe generell meine Differenzen mit meiner Familie und ich bin einfach nicht bereit, diese für drei Tage im Jahr beiseitezulegen. Ich kann dann nicht einfach sagen: „Hach ja, wir sind so eine tolle, schöne und glückliche Familie.“
Ich denke Menschen, die in Familien groß geworden sind, die sehr dysfunktional sind, passiert das sehr oft. Es ist dann einfach nicht für jede:n möglich, so zu tun, als wäre alles in Ordnung und das macht viele auch nicht glücklich.
Du meintest, mit deiner Freundin würdest du zusammen feiern. Wie sieht das dann aus?
Patricia: Ja, ich feiere Weihnachten zusammen mit meiner Freundin – gerade ist aber noch sehr unklar, wie das aussehen wird. Ich versuche eigentlich immer mit meiner Partnerin zu feiern. Ich sehe sie zwar jeden Tag. Ich finde aber, dass man Weihnachten dann dazu nutzen kann, um diese Beziehung zu ehren. Anstatt Beziehungen, die das komplette Jahr dysfunktional waren, plötzlich glücklich erscheinen zu lassen.
„Natürlich habe ich als Kind Weihnachten geliebt.“
Behauptest du schon immer von dir „Ich hasse Weihnachten!“ oder hast du das als Kind anders gesehen?
Patricia: Natürlich habe ich als Kind Weihnachten geliebt. Es gibt kaum Kinder, die Weihnachten nicht lieben, gerade wenn Eltern in dysfunktionalen Beziehungen sich Mühe geben, dem Kind alles zu geben was möglich ist. Wie zum Beispiel, dass der Weihnachtsmann kommt und das ganze Trara um den Schokoadventskalender und Weihnachtsmarktbesuche. Natürlich ist das eine Fantasie, fast ein Märchen, was für Kinder wahr wird – jedenfalls, solange sie Kind sind.
Glaubst du, dass es einen Punkt in deinem Leben geben wird, in dem du Weihnachten wieder in dein Herz schließen wirst?
Patricia: Vielleicht wenn ich selbst Kinder habe, ja ich weiß, eine typische Aussage. Aber ich denke, durch Kinder kommt die Magie von Weihnachten wieder.
„Ich mag den letzten Weihnachtsfeiertag, wo man weiß, dass alles vorbei ist.“
Kannst du mir eine Sache nennen, die du richtig toll findest an Weihnachten?
Patricia: Das ist wirklich schwierig (denkt lange nach). Ich mag den letzten Weihnachtsfeiertag, wo man weiß, dass alles vorbei ist.
Deine Antwort ist, wenn es vorbei ist???
Patricia: Ja, da fällt dieser ganze Stress von einem ab. Dann kommt die Zeit, die zahlreichen Gutscheine einzulösen und dann ist wieder alles super.
Liebe Patricia, ich danke dir für dieses unterhaltsame Interview!
„Ich hasse Weihnachten!“: Nicht jeder genießt die Feiertage
Nach dem Interview mit meiner Kollegin verstehe ich nun etwas besser, wie man freiheraus sagen kann: „Ich hasse Weihnachten!“ Bei vielen ihrer Argumente habe ich mich immerhin selbst wiedergefunden. Doch auch dieses Jahr werden wohl kitschige Weihnachtsfilm-Klassiker, süßer Spekulatius und reichlich Glühwein dafür sorgen, dass ich den Funken aus meiner Kindheit hochkommen oder meine Magie, mein Märchen, wie Patricia es genannt hat, wahr werden lasse.
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