Meine Single-Zeit war geprägt von aufregenden Reisen, langen Party-Nächten und einer wilden Dating-Phase. So ist es nicht verwunderlich, dass ich in dieser Zeit eine Menge verschiedener Menschen kennengelernt habe. Von Fuckboys, zu Männern, die emotional nicht verfügbar waren, bis hin zu den Ghostern und Anhänglichen war alles in meinem Repertoire vertreten. Manchmal saß ich stundenlang mit meinen Freundinnen zusammen und versuchte herauszufinden, warum sich der Mann, den ich gerade datete, so verhielt, wie er sich eben verhielt.
Am Ende buchte ich die Zeit einfach als schlechte Erfahrung ab und legte den Fall zu den Akten. Heute weiß ich, dass hinter jedem Verhalten der sogenannte Bindungsstil steckt. Was es damit auf sich hat und woran du erkennst, dass du es mit einem Menschen zu tun hat, der eine ängstliche Bindung hat, erfährst du in diesem Artikel.
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Die Bindungstheorie: Warum sie uns in die Wiege gelegt wird
Die Bindungstheorie besagt, dass die Erfahrungen und Beziehungen, die wir als Kind mit unseren Eltern bzw. unseren Bezugspersonen gemacht haben, sich auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen auswirken, die wir haben, wenn wir älter werden. Definiert wurde diese Theorie von den britischen Psycholog:innen John Bowlby und Mary Ainsworth.
So versteht man unter der Bindung, die stetige emotionale Verbundenheit zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen. Diese bilden sich meist schon in den ersten Lebensmonaten. Schon hier erkennt das Baby, dass es ihren Eltern vertrauen kann, da es merkt, dass die Grundbedürfnisse nicht vernachlässigt werden. John Bowlby war der erste Psychologe, der herausfand, dass diese Bindung großen Einfluss auf die spätere Entwicklung von Kindern hat.
Um die Stärke der Bindung herauszufinden, hat Bowlby gemeinsam mit der Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth ein Experiment gestartet. Hier wollten die beiden das Bindungsverhalten verschiedener Kinder herausfinden. So ist laut der Bindungstheorie die Verbindung zwischen Kind und Bezugsperson so stark, dass es sich auch auf das Verhalten des Kindes auswirkt, obwohl die Bezugsperson nicht im selben Raum ist.
Ängstliche Bindung & Co.: Das sind die 4 Bindungstypen
Für den Test wurden Kinder im Alter von 12 bis 18 Monaten in einer fremden Umgebung, mit fremden Personen, zweimal für kurze Zeit von ihrer Mutter allein gelassen. Dabei konnte Ainsworth vier unterschiedliche Bindungstypen erkennen, die sich durch unterschiedliche Bindungs- und Explorationsverhalten äußern.
Erklärung der Redaktion: Beim Bindungsverhalten spricht man von Kindern, die beim Experiment auf der Suche nach ihrer Bezugsperson, in diesem Fall der Mutter waren. Beim Explorationsverhalten erkundigten die Kinder trotz fremder Umgebung den Ort ganz eigenständig.
Typ 1: Vermeidender Bindungsstil
Beim Experiment von Bowlby und Ainsworth kam heraus, dass Kinder mit einem vermeidenden Bindungsstil ein scheinbar geringes Bindungsverhalten besitzen. Dafür jedoch ein stark ausgeprägtes Explorationsverhalten. So beachteten die Kinder im Test die Abwesenheit und Rückkehr der Mutter überhaupt nicht und spielten stattdessen mit dem Spielzeug, welches sich im Raum befand. Auch wenn man im ersten Blick meint, dass dieses Kind sehr entspannt wirkt, ist dies ein Zeichen für eine vermeidende bzw. unsichere Bindung.
Doch woran liegt das? Laut dem Experiment kann das verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel, dass die Bezugsperson nicht genügend auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht. Im Zuge dessen verbergen diese Kinder ihre Gefühle und lernen bereits früh eigenständig zu sein.
Im Erwachsenenalter kann dieser vermeidender Bindungsstil dazu führen, dass es Menschen schwerfällt, gesunde Beziehungen zu führen. So vermeidet dieser Typ Mensch nicht nur emotionale Intimität, sondern auch Verletzlichkeit.
Typ 2: Sicherer Bindungsstil
Im Unterschied zu Typ 1 steht der sichere Bindungsstil. Hier zeigte sich im Experiment, dass sich das Bindungs- und Explorationsverhalten abwechselten. So beobachtete Ainsworth, dass die Kinder weinten, weil ihre Mutter nicht im Raum waren. Sich aber auch unheimlich freuten, als sie wieder auf der Bildfläche erschien. War die Mutter im Raum, spielten die Kinder zufrieden weiter.
Hier ist die Bezugsperson nicht nur ein sicherer Hafen für die Kinder, sondern die Mutter ermutigt ihrem Kind auch seine Gefühle auszudrücken. Nur so ist es ihnen möglich sich frei zu entfalten, da sie wissen, dass sie sich, auf ihre Bezugsperson verlassen können. All das führt dazu, dass sie als Erwachsene einmal zu einer selbstbewussten Person heranwachsen werden.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass der sichere Bindungsstil als einer der gesündesten der vier gilt. So lieben diese Menschen die Unabhängigkeit, können ihrem Partner oder ihrer Partnerin aber dennoch ihre Verletzbarkeit zeigen. Eigenschaften der Personen mit einem sicheren Bindungsstil sind laut der Psychologin Christie Kederian: „Sie sind gut mit sich selbst verbunden, was es ihnen ermöglicht, gleichzeitig authentisch, engagiert, verletzlich und unabhängig zu sein“. Ihre Beziehungen sind daher stets liebevoll und stabil, außerdem können sie klar und deutlich ihre Gefühle kommunizieren.
Typ 3: Ängstlicher Bindungsstil
Die Kinder, die dem ängstlichen Bindungsstil zugewiesen wurden, fielen vor allem auf, weil sie ein geringes Explorationsverhalten und ein unsicheres Bindungsverhalten hatten. Beim Test waren die Kinder von der Abwesenheit der Mutter so stark verunsichert, dass sie sich auch nicht beruhigen ließen, als diese schon längst wieder im Raum war.
Ähnlich wie bei Typ 1 kann sich das Kind auch hier nicht ausreichend auf die Bezugsperson verlassen. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie beispielsweise Unbeständigkeit oder Abwesenheit.
In späteren Partnerschaften zeigt sich dies meist darin, dass die Person ein geringes Selbstwertgefühl hat und daher sehr anhänglich ist. Auch eine extreme Abhängigkeit zum Partner oder Partnerin sowie Schwierigkeit, Vertrauen aufzubauen, kann die Folge von einem ängstlichen Bindungsstil sein.
Typ 4: Desorganisierter Bindungsstil
Dieser Stil unterscheidet sich sehr von den anderen Bindungsstilen, da es überhaupt nicht zu den erwarteten Mustern passt. Hier reagierten die Kinder sehr extrem, entweder mit Wutausbrüchen oder mit Gefühlskälte. Dies kann ein Anzeichen für eine frühe traumatische Erfahrung sein, die mit der Bezugsperson zusammenhängt. Dies kann bedeuten, dass das Kind Missbrauch erlebt oder Zeuge von Gewalt geworden ist. So sieht das Kind die Bezugsperson nicht nur als Sicherheit an, sondern verspürt auch Angst.
In späteren Beziehungen kann eine Person mit einem desorganisierten Bindungsstil zwar Gefühle entwickeln und sich nach einem anderen Menschen sehnen, aber dennoch kommt er nicht aus seiner Haut. Die Folge: „Aufgrund von Verlustängsten oder mangelndem Vertrauen ist es wahrscheinlich, dass diejenigen den anderen Part wegstoßen“, so der Therapeut Rom Hisel.
Die vier Bindungsstile: Unsere Kindheit prägt unsere Beziehungen
Je nachdem, welche Erfahrungen wir als Kind mit unserer Bezugsperson gemacht haben, wirkt sich das auch auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen aus. So führt eine sichere Bindung zu einer gesunden und langfristigen Beziehung, während eine ängstliche Bindung das genaue Gegenteil bewirkt. Doch auch wenn unsere Kindheit unsere Art zu denken und zu lieben prägt, können wir auch im Erwachsenenalter versuchen, uns davon zu lösen. Manchmal hilft es dafür, professionelle Hilfe aufzusuchen, um doch noch eine erfüllende Beziehung führen zu können.