Alkohol spielte eine große Rolle in meinem Alltag: Ich konsumierte ihn, wenn ich auf Feiern war, ich trank ihn, wenn ich essen ging und ich griff sogar abends zur Flasche, um mich in der Badewanne zu entspannen. Es steht außer Frage, dass ich definitiv zu viel getrunken habe – obwohl ich damit sicherlich nicht alleine war.
Die Ausrede, dass auch andere Menschen viel trinken und dass es Alkohol an jeder Ecke gibt, zog für mich jedoch bald nicht mehr. Mir reichte es. Und so entschied ich mich kurzerhand am Dry January teilzunehmen. Ich trank also einen gesamten Monat keinen Alkohol. Wie es mir dabei erging, welche Veränderungen ich spürte und wie es für mich und den Alkohol nun weitergeht, liest du hier.
Warum der Dry January Sinn ergibt
Der Dry January, übersetzt trockener Januar, wurde in Großbritannien erfunden – und das aus gutem Grund. Tatsächlich ist Alkohol dort nämlich eine der häufigsten Todesursachen von Menschen im Alter zwischen 15 bis 49 Jahren. Die Organisation Alcohol Concern führte den Abstinenzmonat daher als Präventivmaßnahme ein.
Die Menschen sollen in diesem Monat auf freiwilliger Basis ihren eigenen Konsum hinterfragen und den Körper entgiften. So wird dem Dry January nachgesagt, dass er die Leber entgiften, das Immunsystem stärken, Magen und Darm regenerieren, den Schlaf verbessern, die Haut strahlen lassen und sogar zu mehr Energie führen soll.
Auch hierzulande wird der Trend des trockenen Januars immer beliebter – und auch hierzulande hat das einen guten Grund. Denn auch Deutschland gehört zu den Schnapsnasen der Welt.
Pro Kopf trinkt jede:r Deutsche im Durchschnitt zehn Liter reinen Alkohols und 6,7 Millionen Menschen zwischen 18- und 64 Jahren trinken Alkohol in riskanter Form. Das heißt für Frauen, dass sie an fünf Abenden der Woche mehr als ein kleines Glas genießen. Männer trinken riskant, sobald sie mehr als zwei kleine Gläser an fünf Abenden der Woche genießen.
1,6 Millionen dieser Menschen gelten sogar als alkoholabhängig. Das heißt, dass sie trotz negativer Folgen einfach weitertrinken. Negative Folgen können sozialer, mentaler oder körperlicher Natur sein. Bezogen auf letzteren Faktor steht Alkohol zum Beispiel im Verdacht, zahlreiche chronische Erkrankungen des Herzens, der Leber oder Krebs auszulösen. In Deutschland sterben rund 74.000 Menschen im Jahr an den Folgen des Alkoholkonsums.
Meine Erfahrungen mit dem Dry January
Wem bei diesen Zahlen noch nicht das Weinglas aus der Hand fällt, dem möchte ich diesen Selbsttest nahelegen, der anzeigt, ob man den eigenen Alkoholkonsum zurückfahren sollte. Auch ich habe diesen sogenannten AUDIT-Test absolviert und staunte nicht schlecht, dass mir die klare Empfehlung ausgesprochen wurde, weniger zu trinken.
Tatsächlich betrachtete ich meinen Alkoholkonsum bis dato nie als Problem. Ganz im Gegenteil: Ich genoss es zu trinken, weil es meine Stimmung hob und ich dabei Entspannung empfand. Ich wäre im Leben nicht darauf gekommen, dass Alkohol meiner Gesundheit bereits Schaden zufügt. Immerhin ging ich regelmäßig laufen, fühlte mich topfit, trank lange nicht täglich und schon gar nicht so viel, dass ich einen Kater hatte. Wie falsch ich damit lag, zeigte mir mein erster Monat ohne Alkohol.
Das letzte Mal in diesem Jahr trank ich am Abend des 01. Januars, als ich bei einer Freundin eingeladen war. Es gab Weißwein, Glühwein und Gin Tonics. Wir waren gut gelaunt, angeschwipst, redselig und alle um zwei im Bett. Am nächsten Morgen wachte ich mit Kopfschmerzen auf und sagte mir: Jetzt wird aber eine Alkoholpause eingelegt.
Wie es mir nach einem Monat ohne Alkohol geht
Viele Menschen denken, dass es einfach ist, einen Monat ohne Alkohol zu leben. Und für manche Menschen ist es das vielleicht auch. Nicht aber für mich: Ich trauerte vor allem einem guten Glas Weißwein hinterher. Vor allem nach einem besonders stressigen Tag auf der Arbeit oder am Wochenende auf der Couch vermisste ich ein langstieliges Glas zwischen meinen Fingern, welches mir mit seinem Inhalt Entspannung in Sekunden verschafft hätte.
Stattdessen musste ich mir nun neue Strategien suchen, die mich entspannen. Ich begann häufiger laufen zu gehen, meditierte, machte Yoga und ich las allein im letzten Monat vier Bücher. Was ich ohne Alkohol vor allem hatte, war Zeit. Während sich bei einem Glas Wein (oder zwei Gläsern) mal eben fünf Folgen einer verdammt guten Serie wegbingen lassen, wird einem ohne Alkohol ziemlich schnell langweilig und man sucht sich neue Beschäftigungen.
Fiel es mir anfangs noch schwer, auf ein gutes Glas Wein zu verzichten, stellte sich bald schon ein Gefühl von Stolz bei mir ein. Der Verzicht auf Alkohol war mein ganz persönliches Projekt und ich blieb dran. Bald schon wurde ich nicht nur mental, sondern auch körperlich belohnt: Meine Haut begann zu strahlen, ich zeigte beim Laufen mehr Leistung und war auf der Arbeit konzentrierter.
Am meisten Veränderung zeigte sich jedoch bei meinem Schlaf. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mich der Schlummertrunk Alkohol schlechter schlafen lässt. Als ich jedoch nach einer Woche ohne Alkohol die Nächte durchschlief und frisch erwachte, begann ich zu recherchieren. Hier lernte ich, dass Alkohol zwar schneller einschlafen lässt, aber einem die Tiefschlafphasen raubt. In der Folge kann der Körper schlechter regenerieren. „Wieso hat mir das früher noch niemand gesagt?!“, fragte ich mich.
Weiterlesen: So fatal wirkt sich Alkohol auf deinen Schlaf aus.
Warum ich auch künftig auf Alkohol verzichten möchte
Gleichzeitig waberte mir die Antwort im Hinterkopf herum: Weil solche Dinge niemand hören möchte, schon gar nicht in Deutschland – einer Hochnation des Alkoholkonsums. Bier und Wein werden hier wie Grundnahrungsmittel gehandelt. Hier wird man nicht gefragt: „Warum trinkst du?“, sondern „Warum trinkst du nichts?“. Hier lassen sich diverse Politiker:innen stolz mit Alkohol ablichten. Hier bringt jeder Promi seinen eigenen Wein heraus. Hier wird einem tagtäglich in der Werbung vermittelt: Alkohol gehört zu einem „normalen Leben“ dazu.
Beim Schreiben dieser Zeilen wird mir mit aller Wucht klar: Dies wird nicht mein letzter alkoholfreier Monat gewesen sein. Ich bleibe auch nach dem Dry January dran und setze mir obendrauf ein neues Ziel: Ein Leben ohne Alkohol nicht als Verzicht zu verstehen, sondern als Chance, gesünder, glücklicher und vor allem unabhängiger zu sein.
Leicht wird es nicht, in einer Welt voll Alkohol Nein zu sagen, aber es ist vielleicht die stärkste Entscheidung, die ich je getroffen habe.
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