Cannabis hat in Deutschland eine längere Tradition als die Kartoffel. Der älteste Hanffund in Deutschland wird auf ca. 5.500 v. Chr. datiert. Die Kartoffel hingegen wurde erst 1647 n. Chr. in Deutschland angebaut. Das Rauchen von Hanfblüten und Blättern war in Deutschland vom 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts besonders bei ärmeren Menschen verbreitet, weil es günstiger war als normaler Tabak. Seit dem 10. Dezember 1929 gilt Cannabis in Deutschland als verbotene Droge. Und trotzdem konsumieren schätzungsweise vier Millionen Menschen in Deutschland Cannabis. Viele fordern die Legalisierung.
So viel zu den Hardfacts über Cannabis. Aber was passiert eigentlich, wenn man nach jahrelangem regelmäßigen Konsum plötzlich aufhört zu rauchen? Wir haben mit jemandem gesprochen, der sich einen Monat lang auf Cannabis-Entzug gesetzt hat.
Cannabis Entzug: Der letzte Teil unserer Januar-Challenges
Unser Challenge-Teilnehmer ist 26 Jahre alt, Berliner und wird hier Emil heißen. Seit sechs oder sieben Jahren raucht er täglich Cannabis. Damit von heute auf morgen aufzuhören, war eine große Herausforderung. Aber er war motiviert, durchzuhalten. Den ganzen Januar über hat sich Emil selbst auf Cannabis Entzug gesetzt. Aber warum eigentlich?
Emil erzählt, dass er wissen wollte, welchen Einfluss das Rauchen auf ihn hat. Da es über die Jahre ein so normaler Teil seines Lebens geworden ist, wollte er sehen, ob er auch ohne kann. Ob er es durchhalten würde. Zur seelischen Unterstützung hat er die Selbst-Challenge mit seinem besten Freund zusammen durchgezogen. Beide haben im Januar auf sämtliche Drogen inklusive Alkohol und Zigaretten verzichtet. Ohne den Lockdown, sagt Emil heute, wäre dieses Vorhaben vermutlich zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber so, ohne Parties und weniger Versuchungen, ist er stark geblieben.
So lief Emils Januar im Cannabis Entzug
Der Anfang war hart. In den ersten Tagen hatte Emil mit starken Einschlafproblemen zu kämpfen, denn sein Körper war die beruhigende Wirkung des Cannabis kurz vor dem Zubettgehen gewohnt. In der Nacht hat er stark geschwitzt und wachte immer wieder auf. Teilweise musste er das Bettzeug wechseln. Ein waschechter Entzug also.
Nach einer Woche haben sich diese extremen Reaktionen langsam gebessert. Emil hat ein neues Abend-Ritual etabliert, um besser zur Ruhe zu finden während des Cannabis Entzugs: Er trank nun jeden Abend einen Gute-Nacht-Tee. Damit klappte das Einschlafen tatsächlich schon besser. Und dann kamen die Träume. Emil hatte jahrelang nicht geträumt, hat sich zumindest nie an Träume erinnert. Plötzlich prasselte im Schlaf all das auf ihn ein, was er so lange erfolgreich verdrängt hatte. Er erzählt, dass er weinend aufgewacht ist oder im Schlaf wild um sich geschlagen hat.
Selbsterkenntnisse im Cannabis-Entzug
In der ersten Woche hat er sich so abhängig gefühlt wie in all den Jahren zuvor nicht. Erst jetzt wurde Emil bewusst, wie sehr sich der regelmäßige Konsum auf sein Seelenleben auswirkt und welche Verarbeitungsprozesse das Rauchen seit Jahren unterdrückt hat. Er stellt sich die Frage, ob das Cannabis seine persönliche Entwicklung gehemmt hat und ob er Schicksalsschläge deshalb nie richtig verarbeiten konnte. Wenn es ihm zu viel wurde, hat er seinen besten Freund angerufen, das hat geholfen. Seine Wohnung hat ebenfalls von dem Cannabis Entzug profitiert: Das „grundlegende Aufräumen“ wurde zum Ventil, wenn ihn seine Gefühle überwältigten.
Ab der zweiten Woche veränderte sich Emils Stimmung. Freunde beschrieben ihn als energetisch und ungewohnt gesprächig. Er fühlte sich gut, hatte plötzlich die Motivation, lang aufgeschobene Projekte anzugehen. Nur die Kreativität litt etwas in dieser Zeit. Emil ist Musiker und hat noch nie einen Track geschrieben, ohne Cannabis zu rauchen. Das hat sich in diesem Monat auch nicht geändert. Dafür hat er sich mehr auf die technischen Aspekte seiner Arbeit konzentriert, die zuvor immer eher im Hintergrund gestanden hatten.
Emils Fazit nach einem Monat Cannabis-Entzug
Während wir über Zoom miteinander sprechen, dreht sich Emil seinen zweiten Joint seit der Januar-Challenge. Es ist der 1. Februar. Ganz aufzuhören war nie eine Option, erklärt er. Und gibt zu, dass er „ein Gefühl der Schwäche“ verspürt, weil er nicht ohne kann. Aber er will kürzertreten, nicht mehr täglich rauchen. Er denkt über eine Therapie nacht, weil ihm der Cannabis-freie Monat deutlich gezeigt hat, wie viel da noch in ihm schlummert, das auf Aufarbeitung wartet. Er will sich nicht länger nur betäuben.
Der Monat im Cannabis-Entzug hat Emil gutgetan. Er hat mehr geschlafen, ist früher ins Bett gegangen, hat das Gefühl, weniger Zeit verplempert zu haben: „In dem Moment, wenn du einen rauchst, killst du zwei Stunden vom Tag.“ Da geht dann nichts außer Rumhängen und Nichtstun – verschwendete Zeit. Er will versuchen, eine Balance zu finden zwischen Rauchen und Produktivität, zwischen Genuss und Klarheit. Die Angst, in alte Gewohnheiten zurückzufallen, ist groß.
Das war der letzte Teil unserer Reihe „Januar-Challenges“. Alle Artikel dazu findest du hier: Was passiert mit deinem Körper, wenn du jeden Tag Yoga machst? Und was, wenn du einen Monat lang keinen Alkohol trinkst? Außerdem: Unsere Autorin hat jeden Tag meditiert – das hat sich verändert.