Das Bildungssystem in den Vereinigten Staaten unterscheidet sich grundlegend zu dem in Deutschland. In den USA geht man beispielsweise nicht auf ein Gymnasium, eine Realschule oder eine Hauptschule. Dort ist es üblich, nach der Elementary School, die Middle School und eine Highschool zu besuchen.
Nicht nur das zeigt die Unterschiede in den Schulsystemen. Es kommt hinzu, dass die Lehrpläne sich zwischen den beiden Staaten grundlegend unterscheiden. In diesem Artikel wird es um den Geschichtsunterricht bzw. Englischunterricht in Deutschland und den USA gehen. Eine US-amerikanische Mutter, die in Deutschland lebt, ist ein deutsches Lehrbuch in die Hände gefallen. Dieses Buch über den amerikanischen Traum und die Propaganda in den USA schockierte sie zutiefst. Wir zeigen, warum das so ist und wie ihre Erkenntnisse in der Community von TikTok ankamen.
Geschichtsunterricht in den USA & Deutschland
Das Fach Geschichte wird in den USA und Deutschland gelehrt und als sehr wichtig empfunden. In Deutschland lernen die Schüler:innen sehr viel über die Weltkriegsvergangenheit ihres Landes. So werden die Politik und die Wirtschaft rund um den Ersten und Zweiten Weltkrieg besprochen und die Schüler:innen lernen über den Holocaust.
Auch in den USA lernen die Schüler:innen vom Zweiten Weltkrieg. Hier geht es aber mehr um der Rolle, die die USA dabei spielten. Laut der TikTokerin @usa.mom.in.germany lernen Kinder in den USA ebenfalls, wie es Deutschland vor dem Jahr 1945 mit Propaganda geschafft hat, die Bevölkerung gefügig zu machen.
In den Schulen werden also die Grundzüge der Propaganda-Maschinerie besprochen und davor gewarnt.
Propaganda in den USA heute
Die Schulen in den USA setzen sich also, nach Aussagen der TikTok-Creatorin, kritisch mit dem Zeiten Weltkrieg auseinander. Was viele US-Amerikaner:innen aber nicht wissen ist, dass auch die deutschen Schulen sich kritisch mit der Propaganda-Maschinerie der USA auseinandersetzen. Dabei geht es um Vergangenheit und die Gegenwart der USA.
Das Sachbuch „The American Dream in the 21st Century“, das im Englischunterricht besprochen wird, beschäftigt sich damit, wie noch heute die Propaganda-Maschinerie der USA arbeitet und die Bevölkerung beeinflusst. Die TikTok-Creatorin gibt ein Beispiel in ihrem Video an: „Die USA ist eine verschwenderische Gesellschaft auf Konsument:innen, die einsame Individuen hervorbringt.“ Dieses Beispiel wurde aus einem Online-Study-Guide entnommen, das die richtigen Lösungen des Buches vorgibt.
The U.S. has become a wasteful consumer society of lonely individuals.
Study Guide für The American Dream in the 21st Century
The American Dream (gone wrong?)
Das Grundthema des Lehrbuches ist der sogenannte American Dream, der es bereits im späten 18ten Jahrhundert unter dem damaligen Präsidenten Thomas Jefferson in den Alltag der US-Amerikaner:innen schaffte. Der amerikanische Traum entstand mit der Unabhängigkeitserklärung der USA.
Seither sind die USA zum Einwanderungsland, zum Vielvölkerstaat und zu einem Ort der „unbegrenzten Möglichkeiten“ geworden. Letzteres gilt in Deutschland, so erklärt es die TikTok-Creatorin, Teil der Propaganda. Im American Dream gilt der Leitsatz „From rags to riches“, also „Von der Tellerwäscher:in zur Millionär:in.“ In Laiensprache übersetzt: Wohlstand und Freiheit kann jeder Mensch erreichen.
Das deutsche Lehrbuch für das Abitur „The American Dream in the 21st Century“ zeichnet aber ein anderes Bild der Amerikaner:innen. Es analysiert, was der Traum von Reichtum und Freiheit mit den US-Amerikaner:innen gemacht hat.
Der US-Amerikanische Journalist Alan Friedman hat den Verlust der Bedeutung des amerikanischen Traums bereits im Jahr 2017 beklagt. Er sagte: “If your are a women, a black individual or a poor white, the American dream does not exist for you. The story of the American dream was possibly true during the 50s and 60s where anyone could come in and make it big in America. Today, the American dream is more propaganda than reality.”
Auf Deutsch: „Wenn du eine Frau, eine Schwarze Person oder weiß und arm bist, dann existiert der amerikanische Traum nicht für dich. Die Geschichte des amerikanischen Traums mag während der 50er und 60er Jahre möglich gewesen sein. Damals konnte jede:r groß werden in Amerika. Heute ist der amerikanische Traum mehr Propaganda als Realität.„
Weiterlesen: Was aus dem amerikanischen Traum heute geworden ist, kannst du hier nachlesen. Eine kritische Betrachtung des Magazins realwealth.com.
Deutsche Schulen: So USA-kritisch sind sie
Auch während meiner Abitur-Zeit wurde die USA eher kritisch betrachtet. Als ich die Schule abschloss, im Jahr 2013, lernten wir alles über den Leitsatz „From rags to riches“ und wie dieser Traum nach hinten losgehen kann.
Das Lehrbuch „The American Dream in the 21st Century“ geht hier in die Tiefe. Schüler:innen besprechen Themen wie „Was es in den USA bedeutet, erfolgreich zu sein“, die „Mobility Myth“ (Der Mythos, dass man in den USA keinen Klassizismus erfährt). Ein wichtiges Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, warum auch viele arme Menschen an den amerikanischen Traum glauben. Diese können, so der Journalist Friedman, nicht von dem amerikanischen Traum profitieren.
Deutschland & USA: Mögen sie sich überhaupt?
Eine Umfrage aus dem Jahr 2020, die von der Körber-Stiftung und Pew-Research-Center erstellt wurde, zeigte, wie gut oder schlecht das Verhältnis zwischen der Deutschen und den US-Amerikaner:innen wirklich ist. 75 % Einwohner:innen der USA hielten das Verhältnis zu den Deutschen für durchaus positiv. Als die Deutschen befragt wurden, kehrte sich das Verhältnis um: 65 % der Deutschen empfanden das Verhältnis zu den USA als schlecht.
Die Gründe für diese großen Unterschiede in der Wahrnehmung sind vielfältig. Einer der Gründe für diese Einschätzung der Deutschen war unbestreitbar der in 2020 amtierende US-Präsident Donald Trump, so ist sich Deutschlandfunk sicher.
Heute, zwei Jahre später, ist Donald Trump nicht mehr im Amt und das Verhältnis zwischen den beiden Ländern scheint sich tatsächlich zu bessern. Im November 2021 wurde eine erneute Umfrage der Körber-Stiftung durchgeführt: Nun gaben 84 % der US-Amerikaner:innen an, dass die Verhältnisse gut seien. 44 % der Deutschen gaben nun, an, dass die USA einer der wichtigsten Partner für die Außenpolitik sei.
Einer der Gründe für die USA so positiv Deutschland gegenüber eingestellt zu sein, erklärt Deutschlandfunk: Die US-Amerikaner:innen scheinen ein beständig gutes Verhältnis zu uns Deutschen zu haben, da sie in den Nachrichten sehr viel weniger von uns mitbekommen und unser politisches Geschehen „weniger aufmerksam“ verfolgen.
Propaganda? Das sagen User:innen auf TikTok dazu
Das Video der jungen Creatorin auf TikTok hat viel Aufmerksamkeit erregt. Es hat heute 1,2 Millionen Likes. User:innen aus Deutschland wie aus den USA haben sich in der Kommentarspalte ausgelassen. Vielen Deutschen ist durchaus bewusst, dass die USA in den Schulen kritisch betrachtet wird. Kein Wunder, wo viele von ihnen das Buch von Peter Bruck oder eine ähnliche Lektüre selbst gelesen haben.
Viele Amerikaner:innen hätten wohl nicht mit so viel Kritik gegen ihr Land gerechnet. Es folgen Übersetzungen aus dem Englischen in das Deutsche. Ein:e User:in schreibt: „Wir (USA) sind so damit beschäftigt, uns das tollste Land zu nennen, dass wir vergessen, wie wir es besser machen könnten.“
Weitere User:innen schreiben: „Das tut nur weh, weil es wahr ist.“ Eine andere Userin: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ein Lehrbuch mich so bloßstellt.“
Ein anderes Kommentar: Ich spüre, dass sehr viele Menschen sehr wütend über das hier (Video) sein werden.
Nicht alle User:innen scheinen schockiert darüber. Ein:e User:in schreibt „Ich wohne IN den USA und ich sehe es ganz genauso“, eine andere: „Das hier ist zu 0 % schockierend.
Die US-amerikanische Jugend, die das Video der Creatorin @usa.mom.in.germany kommentiert hat, scheint zwiegespalten zu sein. Zum einen herrscht Schock darüber, wie sie Ländern fernab der USA gesehen werden. Zum anderen sind die Jugendlichen sich durchaus darüber bewusst, dass der amerikanische Traum heutzutage für die meisten Menschen keine Realität ist.
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