Am 09.06.2021 wurde bei den Tagesthemen beinahe 15 Minuten über ein wichtiges und dennoch sehr kontroverses Thema berichtet.
Bundesfamilien und -justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung vorgestellt. Es geht darin unter anderem um die so umstrittene Gendersprache. Das Thema spaltet die Gemüter derzeit dermaßen wie nur wenige andere, so sieht es auch der Journalist und Moderator Ingo Zamperoni. Die Tagesthemen haben sich aber endlich diesem wichtigen Thema angenommen und beinahe eine Viertelstunde das Gendern, seine Pros und seine Kontras erklärt. Doch ein Fauxpas ist den Tagesthemen dabei unterlaufen.
Gendern? Was war das nochmal?
Vom Gendern spricht man, wenn man beispielsweise Politiker und Politikerinnen sagt, oder wenn man den Gendergap, -stern oder -doppelpunkt nutzt (Politiker:innen). Das Gendern soll alle Menschen und alle Geschlechter einbeziehen. Derzeit nutzen die meisten Menschen noch immer das generische Maskulinum – damit fühlen sich aber viele Frauen und Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, nicht angesprochen.
Was kann das Gendern?
Das Gendern ist die Möglichkeit, die Vielfalt der Gesellschaft darzustellen und zu Wort kommen zu lassen. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch erklärt in den Tagesthemen, wie das generische Maskulinum das Denken der Menschen bestimmt. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Menschen sich teilweise nicht angesprochen fühlten, wenn nur das “Männliche” angesprochen werde. So kommt es beispielsweise, dass Frauen sich viel wahrscheinlicher auf einen eher männlich konnotierten Job bewerben, wenn sie in der Ausschreibung als Frauen extra angesprochen werden. Sie sind außerdem selbstbewusster in Vorstellungsgesprächen und haben eine größere Chance, den Job auch zu bekommen.
Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch über Gendersprache
Wir haben 20 Jahre Forschung, die besagt: Wenn wir so sprechen, als bestände die Welt nur aus Männern, dann verhalten wir uns auch so, als bestände die Welt nur aus Männern.
Sprache soll verbinden, nicht spalten
Das Thema Gendersprache entfacht immer wieder hitzige Diskussionen und wird als Zentrum vieler allgemeinen gesellschaftlichen Streitthemen gesehen. Das bedeutet aber auch, dass das Gendern einen präsenten Platz im gesellschaftlichen Diskurs einnimmt, was eine spannende Entwicklung darstellt. Denn keine Sprachneuerung hat es je so intensiv in die Gemüter und die Politik geschafft.
Setzen die Tagesschausprechenden hier ein Statement?
Die Tagesschausprechenden sind sich noch nicht ganz einig darüber, wie das Gendern in den Öffentlich Rechtlichen gehandhabt werden soll. Obwohl hier ein so langer, intensiver und von vielen Seiten beleuchteter Beitrag zu der Gendersprache gesendet wurde, wird hier explizit nicht gegendert. Stattdessen nutzen die Beitragssprechenden das generische Maskulinum. Es ist nicht ganz klar, ob das ein Versehen, Gewohnheit oder Absicht war. Es könnte natürlich sein, dass die Tagesschaubetreibenden damit ein Zeichen gegen das Gendern setzen wollten.