Im Jahr 2021 sind die Frauen emanzipiert, die Männer haben Respekt und die Kirche hat keinen Einfluss mehr auf das Leben der Menschen in Europa? Im Großen und Ganzen stimmt das wohl, doch noch immer kommen hier und da Sexismus-Skandale auf, die uns schockieren und zeigen, dass es in unserer Gesellschaft noch immer an wichtigen Einsichten krankt.
Wir haben einen Flyer ausgegraben, der diesen Sommer an die Kinder einer britischen Kirchengemeinde verteilt wurde, bevor sie ein gemeinsames Fest feiern wollten. Die Benimmregeln, die hier beschrieben werden, sind einfach nur lächerlich und frauenfeindlich.
Benimmregeln aus der Hölle: Dieser Kirchenflyer hat es in sich
Ein Flyer einer britischen Kirchengemeinschaft beweist, dass der Sexismus und Frauenhass noch lange nicht ausgemerzt sind. Seit Tagen regt sich das Internet bereits über die Messages auf, die hier an junge Mädchen weitergegeben werden.
Es handelt sich um einen Flyer mit „Benimmregeln“ für Mädchen vor ihrem ersten Tanzabend. Die Mädchen werden dazu aufgefordert, sechs Regeln einzuhalten, die sie zu einem guten Mitglied der Gesellschaft machen und die Jungs nicht verschrecken. Wäre es nicht so erschreckend, wäre es beinahe lustig. Hier sind die sechs Regeln, die die Britinnen laut ihrer Kirche auf der Veranstaltung einhalten sollten.
(Wir haben die Benimmregeln frei aus dem Englischen übersetzt.)
1. Benimmregeln über das Aussehen: Sei immer hübsch
„Mach dich schön für den Tanz. Lackiere dir die Fingernägel, trage ein wenig Lipgloss und vergiss nicht, dir die Zähne zu putzen.„
Dass es ein Mädchen wagen könnte, sich nicht mit Lipgloss und Nagellack zu identifizieren, ist den Kirchenfreund:innen hier wohl noch nicht in den Sinn gekommen. Hier geht es offensichtlich nicht darum, dass die Mädchen sich wohlfühlen, sondern einem Standard entsprechen.
2. Komm nicht auf die Idee, das zu tragen, was dir am besten gefällt
„Vergiss nicht, die Kleiderstandards zu beachten. Du willst dich doch nicht blamieren, wenn wir dich wieder nach Hause schicken müssen, um dich umzuziehen. Und du willst nicht, dass der Junge, der mit dir tanzt, sich unwohl fühlt, weil du ein fragwürdiges Kleid trägst.“
Wow. Einfach nur wow. Das ist Slutshaming vom Allerfeinsten. Die Autor:innen dieses Flyers sagen ihren Schutzbefohlenen hiermit, dass sie selbst schlechte Entscheidungen treffen und sich deshalb lieber an die Regeln halten sollten. Außerdem unterstellen sie dieses „schlechte“ Verhalten nur den Mädchen. Ihr Ziel sollte es aber sein, den Jungs, mit denen sie tanzen, zu gefallen. Das tritt in Regel 4 noch einmal deutlich hervor.
3. Das Ziel ist es, angesprochen zu werden. Bloß kein Spaß mit Freund:innen.
„Geh ruhig mit einer Freundin zum Ball, aber hängt nicht die ganze Zeit miteinander rum. Es wird dich kein Junge zum Tanzen auffordern, wenn du die ganze Zeit mit einer Freundin im Gespräch bist.„
Hier sehen wir, dass es wohl die ultimative Aufgabe der Mädchen ist, sich zum Tanz auffordern zu lassen. Und das, indem sie nichts tun außer hübsch auszusehen. Die Aufgabe der Frauen ist es also passiv zu sein, die Aufgabe der Männer ist es, den aktiven Part zu spielen.
4. Vergiss deinen eigenen Willen
„Sag niemals „nein“ zu einem Jungen, der den Mut aufbringt herüberzukommen und dich um einen Tanz zu bitten. Ein Song ist nur ungefähr 3 Minuten lang, SO schlimm ist das auch wieder nicht.„
Hier wird den Mädchen ganz offensichtlich ihre eigene Entscheidung und ihr Wille abgesprochen. Frei nach dem Motto: „Was du willst, ist eigentlich ziemlich egal. Wenn ein Typ etwas will, dann hast du zu gehorchen.“
5. Nicht auffallen
„Kenne deine Standards (als Jugendliche)„
Dieser Satz ist ein Aufruf dazu, sich beim Tanz nicht sittenwidrig zu verhalten. Wir gehen mal davon aus, dass die Mädchen nicht auf etwaige Knutsch- und Fummelangebote der jungen Männer eingehen, sondern sich lieber zurückhalten sollten. Hier wird eines der bekanntesten Klischees des Sexismus bedient: Männer können sich einfach nicht beherrschen. Frauen dagegen müssen sich kontrollieren.
6. Endlich etwas Sinnvolles
Vergiss deine Tanzkarte nicht.
Das ist die einzige Regel auf diesem Flyer, die Sinn ergibt.
Uns von wmn hat dieser Flyer an einer britischen Kirche sehr wütend gemacht. Leider ist es aber keine Seltenheit, dass solche sexistischen Standards und Klischées bedient werden, ohne dass jemand darauf aufmerksam macht. Zum Glück hat das Magazin Tyla darüber berichtet.