Seit vielen Jahren leide ich an einer Panikstörung. Bei dem Versuch, meiner Familie und meinem Freundeskreis meine Angststörung zu beschreiben, kamen Ratschläge wie „Ach, das ist doch alles nur in deinem Kopf“ oder „Denk einfach an etwas anderes“. Scheinbar habe ich nicht die richtigen Worte gefunden, um meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Geht es dir genauso? Zum Glück haben anderen Menschen darin mehr Geschick.
Angststörung beschreiben: Wie fühlt es sich an?
Jemandem eine Angststörung zu beschreiben, ist tatsächlich gar nicht so leicht. Häufig können Betroffene selbst nicht mal erklären, was genau in ihnen vorgeht. Die Gedanken fahren Achterbahn und der Körper reagiert mit Symptomen, die uns in den Wahnsinn treiben. Von außen ist all das nicht zu erkennen.
„Angstgefühle sind ein nicht eingeladener Gast in meinem Kopf, der für Menschen ohne Angststörung unsichtbar ist – sie verstehen es nicht, und weil sie denken, dass mein Leben von außen betrachtet toll aussieht, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich verrückt bin, weil ich mich so fühle.“
Starke Gedanken
Umso wichtiger, dass Außenstehende versuchen, sich in die Angstgedanken hineinzuversetzen und die Angst als solche zu verstehen. Das Magazin Starke Gedanken hat einige Angstpatient:innen gefragt, wie sie ihre Angst einer Person erklären würden, die noch nie eine Angstattacke hatte.
Willkommen im Gedankenkarusell
Eine Angstattacke kann durch einen einzigen Gedanken ausgelöst werden, die sich zu einer Angstspirale aneinanderreihen. Betroffenen beschreiben die Situation wie folgt:
- „Ein ständiger Kampf zwischen mir und mir selbst. […] Ich bin ständig in einem Zustand der Panik oder der Selbstzweifel. Gleichzeitig versuche ich mir selbst tief im Inneren zu sagen, dass es nichts ist, oder ich schreie und kratze im Inneren ohne einen Ausweg, weil ich einfach von dieser Krankheit gelähmt werde… und am Ende bin ich erschöpft, normalerweise mit Kopfschmerzen oder Migräne, wegen nichts und wieder nichts.“
- „Man fühlt sich immer angespannt, mit einer ständigen Kampf/Flucht-Reaktion, wenn die Angstgefühle da sind. In manchen Situationen denkt man zu viel nach und brauchst Bestätigung, dass deine Gedanken wertig sind, auch wenn sie vielleicht nicht rational sind – was wir verstehen, aber unser Kopf versucht uns vom Gegenteil zu überzeugen.„
„Angstgefühle fühlen sich an wie 100 verschiedene Menschen, die dir 100 verschiedene Meinungen über dein Leben sagen, nach denen du nicht gefragt hast.“
Starke Gedanken
Das Gewicht auf der Brust
Beginnen die Gedanken zu kreisen, treten häufig psychosomatische Begleiterscheinungen auf. Ein Teufelskreis – denn diese sind so unangenehm, dass sie das Gefühl der Angst noch verstärken. Das fühlt sich ungefähr so an:
- „Es fühlt sich an, als ob man durch einen Strohhalm atmet. Wenn du Zuhause sitzt und theoretisch ist alles in Ordnung, es gibt nichts, worum man sich Sorgen machen müsste, aber du fühlst dich trotzdem beunruhigt und weißt nicht, wieso.“
- „Es ist wie ein Gewicht auf der Brust und jedes Mal, wenn man ausatmet, wird es immer schwieriger, Luft zu holen. Gleichzeitig schrumpft der Raum, in dem du gerade bist. Du rufst um Hilfe, weil der Raum voller Menschen ist, und sicher kann doch jemand kommen und dir das Gewicht abnehmen, damit du nicht erstickst, aber niemand hört dich, also bist du ganz allein.“
- „Ich beschreibe es meinen Freunden oft als lähmend. Ich kann mich nicht dazu bringen, etwas zu tun, auch wenn ich es sollte. Ich kann nicht ordentlich atmen, obwohl alles in Ordnung ist. […] Ich kann das Gewicht nicht von meiner Brust heben, obwohl gar kein Gewicht da ist. Es ist lähmend.“
Denk an das Schlimmste, was passieren kann
Egal, welche Unternehmungen geplant sind – du überlegst immer, was im schlimmsten Fall passieren könnte und wie du dich bestmöglich auf eine solche Situation vorbereitest. Du nimmst immer Wasser mit, um nicht zu dehydrieren? Damit bist du nicht allein. So beschreiben Betroffene ihre Angststörung:
- „Alles ist ein Worst-Case-Szenario, selbst wenn du rational gesehen weißt, dass alles in Ordnung sein wird.“
- „Angstgefühle sind eine sehr isolierende Sache, wenn man keine entsprechende Unterstützung hat. Es ist ein ständiger Zustand, sich über den schlimmsten Ausgang Sorgen zu machen, “was, wenn…?”-Szenarien. Bei mir manifestiert es sich körperlich in Herzstolpern, Magenproblemen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. Für mich ist es das Schlimmste, jede Nacht um 3 Uhr aufzuwachen, mit wirbelnden Gedanken über Situationen, die vielleicht nicht einmal je eintreten werden.“
„Ich habe mal gelesen, dass man jemandem Angstgefühle am besten so erklären kann, dass man sich vorstellt, man hätte Pornos im Browser offen und jemand steht hinter dir und du kannst das Fenster nicht schnell genug schließen.“
Starke Gedanken
Angststörung beschreiben: Gefangen im Autopilot
Der Kontrollverlust führt dazu, dass wir keine Macht mehr über unser Handeln haben und quasi in den Automatismus übergehen. Wir funktionieren einfach nur noch, um unseren Alltag zu überstehen. Das fühlt sich in etwa so an:
- „Wenn ich Angst habe, kann ich an nichts anderes denken als diese eine Sache, alles ist auf Autopilot. Duschen, essen, texten oder sogar ein Buch lesen fühlen sich wie eine lästige Pflicht an. Es ist schon eine Herausforderung, einfach nur aus dem Bett zu kommen, obwohl du am liebsten einfach nur liegen bleiben würdest.“
- „Es fühlt sich an, als ob ich keine Kontrolle über meine Angstgefühle habe. An manchen Tagen wache ich auf und fühle mich super und kann mit allem umgehen, was der Tag mit in den Weg wirft.“
Bin ich krank oder habe ich Angst?
Mir persönlich fällt es trotz jahrelanger Angstattacken noch immer schwer zu unterscheiden, ob die Symptome tatsächlich körperlicher Natur sind oder „nur“ von der Psyche kommen? Ist mir übel, weil ich Panik habe oder habe ich mir etwa eine Magen-Darm-Infektion eingefangen? Diese Unsicherheit treibt einen in den Wahnsinn…
- Es ist ein „Gefühl der Übelkeit und Krankheit. Mein Körper ist erschöpft und ich will nur noch schlafen oder weinen oder beides. Ich weiß auch nie, warum. Und manchmal fühle ich mich nach dem Weinen immer noch übel und müde“
- „Das Schlimmste ist, dass es zu jedem Zeitpunkt am Tag ohne Vorwarnung passieren kann, sodass es schwer ist, meinen Tag im Voraus zu planen oder überhaupt daran zu denken, das Haus zu verlassen.“
Eine Welt ohne Wert
Fakt ist, Angststörungen zu beschreiben ist schwierig, denn sie schränken das Leben enorm ein. Daher erscheint es für Betroffene oft unmöglich, Dinge zu tun, die sie vor einer Weile noch problemlos bewältigen konnten. Das führt dazu, dass sie sich wertlos und niedergeschlagen fühlen, wie eine betroffene Person erklärt.
- „Mir selbst im Weg stehen, in meinen eigenen Gedanken feststecken, Angst vor Bewertung, Gefühl der Wertlosigkeit, Festhalten an alten Wunden, existenzielle Krisen und ständiger niedriger Selbstwert, der zu schlechten Entscheidungen, mehr Selbstkritik und mehr innerer Angst führt… all das führt zu ständiger Sorge und negativen Vorstellungen und Nervosität.“
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Kein Ausweg aus der Angst
Im Moment akuter Angst ist es für mich unvorstellbar, dass dieses Gefühl wieder vorbei geht. Es fühlt sich an wie ein endloser Kampf, aus dem es keinen Ausweg gibt. Doch das Gute ist: Es gibt ihn. Auch andere empfinden das so:
- „Angstgefühle bedeuten für mich, dass ich weine und nicht atmen und keine Luft holen kann, mein Kopf befindet sich in einer Endlosschleife und ich kann nicht klar denken, ich fange an, mir Dinge über meine Beziehungen einzubilden und jetzt habe ich angefangen, Schlafprobleme zu bekommen.“
- „Wenn ich Angst habe, bin ich komplett auf diese eine Sache fixiert. Ich kann nicht rational oder logisch denken, ich fühle mich nur von Emotionen überwältigt. Es fühlt sich an, als ob alles falsch ist und es immer so sein wird. Ich kann nicht weiter als bis zum Grund meiner Angstgefühle sehen oder sehen, dass es in Ordnung sein wird. Angstgefühle geben dir das Gefühl, dass die Welt endet, auch wenn sie es in Wirklichkeit nicht tut.„
Angststörung beschreiben: Panik macht machtlos
Neben all diesen Dingen, die versuchen eine Angststörung zu beschreiben, bleibt auch das Gefühl der Machtlosigkeit. Es scheint, als hätten wir keine Macht mehr über unsere Gedanken, über unseren Körper oder über irgendetwas. Das ist für Betroffene zutiefst verunsichernd.
- „Es ist, als ob man ständig von einer Welle nach der anderen unter Wasser gedrückt wird. Auftauchen um nach Luft zu schnappen bringt nur Erleichterung für einen Moment, aber du wirst sofort wieder nach unten gedrückt. Manchmal sind die Wellen klein und du kannst daran vorbei schwimmen, aber manche Wellen sind so groß und heftig, dass du nichts tun kannst als abzuwarten und Geduld zu haben, dass es vorbeigehen wird.“