„Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin“ – so betitelt Cordula Pflaum ihr erstes Buch, das am 20. März 2024 erscheinen wird. Sie war eine der ersten Berufspilotinnen in Deutschland. Ihr Leben ist geprägt von Mut, Herausforderungen und Freude, aber auch von Vorurteilen und Durchsetzungsvermögen.
Der Bildschirm ruckelt ein bisschen, dann ist das Bild plötzlich da. Online zugeschaltet sitzt vor mir Cordula Pflaum, die erste Ausbildungspilotin für Langstrecke bei Lufthansa, ganz gemütlich in ihrer Küche. Bevor wir das Gespräch wirklich beginnen können, reicht ihr noch jemand einen Strauß Blumen über den Tisch. „Hier, Mama, für dich – es ist doch Valentinstag. Ich hab dich lieb.“
Als eine der ersten Frauen machte Cordula eine Karriere in der Luftfahrt, auf die viele Kolleg:innen nur neidisch blicken können. Die 55-Jährige lächelt mich an und man hat das Gefühl, sie selbst sei sich dieser Vorbildposition gar nicht bewusst.
„Ich habe das schönste Büro der Welt“
Auf die Frage, was das Fliegen für sie zum Traumberuf macht, leuchten ihre Augen: „Die Arbeit mit Menschen, die Verantwortung und das schönste Büro der Welt“ – sind nur ein paar Dinge, von denen Cordula schwärmt.
Als sie 1990 ihre Ausbildung zur Pilotin in Bremen beginnt, ist sie unter vielen Männern eine der ersten Frauen. „Ich konnte mir zwar vorstellen, was die Ausbildung technisch mit sich bringt, aber welche Herausforderungen ich wirklich stemmen werde, das ist mir erst mit der Zeit bewusst geworden.“ Und die Herausforderungen sollten noch früh genug kommen.
„Das machen bei uns keine Frauen“
Nach fünf Jahren als Co-Pilotin möchte Cordula dann das erste Mal andere junge Talente coachen. Der erste Satz, den sie hören musste: „Das machen bei uns keine Frauen.“ Die Begründung: Die männlichen Piloten würden auf Frauen nicht hören. Die Vorurteile, mit denen sich auch heute noch viele Frauen auseinandersetzen müssen, waren auch für Cordula damals die Realität. Doch sie setzte sich durch, überzeugte die Stakeholder in den vielen Bewerbungsrunden von sich und wurde mit dem Satz „Wir probieren es mal“ zugelassen.
Und das Probieren zahlte sich aus: Recht schnell merkten die männlichen Kollegen, dass auch Frauen kompetente Ausbilderinnen sein können (Überraschung!). In ihren jungen Jahren behauptete sich die gebürtige Darmstädterin laufend zwischen vielen, meist älteren, männlichen Kollegen. „Ich habe mich auf das Abenteuer einfach mal eingelassen.“, verrät sie.
„Auch ich hatte Selbstzweifel, Angst zu Versagen und sogar Prüfungsdruck“
Wie viel Selbstvertrauen kann ein Mensch überhaupt haben? Aber Cordula ist kein Roboter. „Als ich in den Beruf gestartet bin, konnte ich mir selbst noch gar nicht vorstellen, solch wichtige Positionen zu übernehmen. Ein großer Wendepunkt war der Wechsel der Plätze im Cockpit: Ich wurde von Co-Pilotin zur Kapitänin und spätestens da kam ein riesiger Schub Selbstvertrauen. Aber das MUSS man als Pilotin auch haben.“
„Dann habe ich mit mir selbst gesprochen, wie mit einer Freundin: ‚Cordula, du kannst das doch. Du schaffst das!’“
Ist es das Rezept, was wir alle brauchen? Mit der Verantwortung kommt das Selbstvertrauen von ganz alleine? Nicht ganz. „Auch ich hatte Selbstzweifel, Angst zu versagen und sogar Prüfungsdruck. Eines Tages sagte eine Freundin mir: ‚Cordula, das ist alles dein Mindset.‘ Ich habe also angefangen, nicht so streng mit mir selbst zu sein und mich auch mal in Situationen von außen zu betrachten. Dann habe ich mit mir selbst gesprochen, wie mit einer Freundin: ‚Cordula, du kannst das doch. Du schaffst das!’“
Und plötzlich lief es wie am Schnürchen! „Natürlich ist auch die Erfahrung ein großer Lehrmeister, aber sich selbst den Mut immer wieder zuzusprechen, das ist das Wichtigste.“ Sie zeigte es allen: Arbeitete sich von Position zu Position und stellte nicht wenige männliche Kollegen in den Schatten.
„Hier im Dorf waren wir sowieso schon die Exoten“
Auch wenn es ihr Beruf nicht direkt vermuten lässt: Cordula ist privat immer auf dem Boden geblieben. Als Mutter von zwei erwachsenen Töchtern schätzt sie das Familienleben, wann immer sie es zwischen ihren Einsätzen genießen kann.
Dass Cordula und ihr Mann (bei der Polizei) eines Tages eine Familie gründen wollen, stand für beide fest. Vor 20 Jahren noch eine eher kontroverse Entscheidung, dass SIE wieder in den Beruf geht. Aber auch das lächelt Cordula einfach weg: „Hier im Dorf waren wir aufgrund der Berufe sowieso schon die Exoten. Aber unser engster Kreis hat immer hinter uns gestanden.“
Mit 11 Jahren beschließen Cordulas Töchter ein Internat zu besuchen. Fluch und Segen zugleich für ihre Mutter: „Auch wenn die Entscheidung der beiden unseren Alltag etwas vereinfacht hat, ich habe sie oft vermisst und war traurig, wenn niemand zu Hause war.“ Bei der Frage, ob der Beruf der Mutter das Verhältnis zu den Kindern geschadet hätte, müssen wir beide schmunzeln. Ich weiß, dass wir in diesem Moment beide an den schönen Blumenstrauß denken.
Frauen sind im Cockpit mit acht Prozent noch immer unterrepräsentiert
Cordula wirbt gerne für ihren Beruf: „Fliegen ist nichts Alltägliches, das muss man schon im Blut haben. Aber wer ein bisschen Verständnis für Technik hat, Lust hat, mit Menschen zu arbeiten und verantwortungsvoll ist – für den könnte der Beruf auf jeden Fall etwas sein.“ Gerade Frauen sind im Cockpit mit knapp acht Prozent noch immer unterrepräsentiert. Ich frage mich, ist der Beruf wirklich für jeden etwas?
Unterstützung von der Familie, ein gutes Einkommen beider Partner und die Kinder im Internat: Das klingt zunächst sehr privilegiert. Cordula wird kurz nachdenklich: „Privilegiert? Ja, aber selbst erarbeitet. Mein Abi-Schnitt lag auch nur bei 2,3. Ich bin kein Genie. Nie hätte ich gedacht, dass wir das mal schaffen werden, unseren Kindern diese Fördermöglichkeiten zu geben. Ein Privileg, aber ohne Hilfe von außen.“
„Wir sind alle nur Menschen“
Nach meinem Gespräch mit Cordula Pflaum bin ich mir sicher: Sie macht Mut! Und zwar allen Frauen, die manchmal denken, sie könnten etwas nicht schaffen. Cordula ist sich ganz sicher: Auch das scheinbar Unmögliche ist möglich – mit dem richtigen Mindset. Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig Gelassenheit von Cordula annehmen und uns selbst in stressigen Situationen von außen betrachten: „Fehler können allen passieren, wichtig ist, dass man darüber spricht. Vom Gepäckband, bis ins Cockpit. Wir sind alle nur Menschen und versuchen jeden Tag unser Bestes zu geben.“