Depressionen bei Kindern zu erkennen und damit umzugehen, ist für Eltern eine große Herausforderung. Der Diplom-Psychologe Michael Thiel gibt im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt wertvolle Hinweise, wie Mütter und Väter depressive Kinder erkennen und unterstützen können.
Ist Corona schuld? Eine Ursache für steigende Depressionszahlen
Die Zahl junger Menschen, die an Depressionen leiden, scheint in letzter Zeit enorm zuzunehmen. Michael Thiel verweist auf wissenschaftliche Studien, wie die Copsy-Studie am UKE, die zeigen, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie deutlich gelitten hat. Die radikalen Schulschließungen waren aus seiner Sicht ein Fehler, und auch die Sorgen der Erwachsenen über Kriege und Wirtschaftskrisen übertragen sich auf die Kinder. Die Welt erscheint unsicher, und oft fehlt ein optimistisches Denken und lebensbejahendes Vorbild der Eltern.
Bin ich schuld, wenn mein Kind Depressionen hat?
Die Frage, ob Eltern Schuld an der Entwicklung von Depressionen bei ihren Kindern tragen, beantwortet Thiel differenziert. Er betont, dass Kinder sich auch unter schwierigsten Bedingungen gut entwickeln können, vorausgesetzt, sie bauen eine sichere Bindung zu ihren Eltern auf. Leider stellt er in seiner Praxis fest, dass viele Eltern so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie die Antennen für die Bedürfnisse ihrer Kinder verlieren. Vernachlässigung, sei es durch Ignorieren oder Überdecken von Problemen mit Geld, Medien und Süßigkeiten, schafft einen Nährboden für psychische Erkrankungen.
Früherkennung von Depressionen bei Kindern
Die Erkennung von Depressionen bei Kindern ist selbst für Fachleute herausfordernd. Kinder zeigen ihre Gefühle oft im Spiel oder im Zeichnen, anstatt darüber zu sprechen. Ein seelisches Tief kann verschiedene Ursachen haben, von Liebeskummer bis zu Mobbing.
Doch bei einer Depression ist das Stimmungstief dauerhaft. Eltern sollten aufmerksam sein, wenn ein Kind länger als zwei Wochen traurig ist, keinen Spaß an Hobbys hat, sich ungeliebt fühlt oder schlecht schläft. In solchen Fällen ist fachliche Abklärung wichtig.
Das kannst du als Mama oder Papa tun
Michael Thiel betont die Bedeutung des offenen Gesprächs. Auch wenn Kinder in sich gekehrt wirken, sollten Eltern den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Offenes Zuhören und das Ernst nehmen der Probleme sind entscheidend. Eltern sollten dem Kind signalisieren, dass sie wie eine unterstützende Löwenmutti oder ein Löwenpapa an seiner Seite stehen.
Der Kinderarzt bzw. die Kinderärztin ist ein guter Ansprechpartner für eine erste Einschätzung, und in Notsituationen kann die 116117 angerufen werden, um schnell einen Termin für die psychologische Sprechstunde zu bekommen.
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Kann eine Depression vollständig geheilt werden?
Thiel betont die Bedeutung frühzeitiger Erkennung und Behandlung. Je früher Psychotherapie und gegebenenfalls Medikamente eingesetzt werden, desto besser sind die Ergebnisse. Die Neigung, in belastenden Situationen erneut zu erkranken, ist vorhanden, und auch erbliche Veranlagung kann eine Rolle spielen. Ein ausgeglichener Seelenhaushalt wird durch Bewegung, Spaß bei Sport und Freizeit sowie ein unterstützendes soziales Netzwerk geschaffen. Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten sind auch für Familien ein wichtiger Beitrag zum seelischen Wohlbefinden.
Fazit: Verständnis und Unterstützung sind bei Depressionen entscheidend
Insgesamt zeigt sich, dass das Verständnis der Eltern, ihre aktive Unterstützung und ein offenes Gesprächsklima essenziell sind, um Kinder mit Depressionen auf ihrem Weg zur Genesung zu begleiten. Durch frühzeitige Erkennung und die richtige Behandlung können Eltern einen bedeutenden Beitrag zur seelischen Gesundheit ihrer Kinder leisten.