Der Trend zur Camouflage-Mode ist ein wiederkehrendes Phänomen. Auch in diesem Jahr ist das Tarnmuster wieder vermehrt zu sehen und findet sogar Anklang bei bekannten Models wie Bella Hadid. Somit ist es durchaus möglich, dass sich das Muster in naher Zukunft wieder vermehrt in unseren Kleiderschränken wiederfinden wird. Jedoch löst das Wort „Camouflage“ bei vielen Menschen Assoziationen mit dem Militär oder Krieg aus, welche aktuell besonders durch den Krieg in der Ukraine und Gaza präsent sind. Diese Konflikte sind vor allem in den Medien präsent, aber laut der Geneva Academy gibt es momentan um die 110 Konflikte auf unserem Planeten. Diese Umstände werfen die Frage auf, ob ein derartiger Modetrend in dieser Situation angemessen ist.
Unsere Autorin Johanna befasst sich mit Themen, die unsere Gesellschaft gerade beschäftigen. Ihre Recherchen und Artikel findest du unter dem Tag #wmnRecherchen!
Trendvorhersage Camouflage
Laut dem Modeblog Sanctuary Clothing kommt Camouflage auch dieses Jahr wieder zurück. Das liegt daran, dass wir Momentan einen Anstieg in sogenannter Y2K-Mode sehen – also Kleidung, die wir schon in den frühen 2000er-Jahren getragen haben. Aber, waren Tarnmuster damals angemessen? Wir erinnern uns an die Irak-Invasion 2003, welche zur selben Zeit aktuell war wie der Modetrend. Auch 2023 dominiert der Krieg wieder unsere Nachrichten, weswegen es auch jetzt wieder fragwürdig ist, oder?
Camouflage Mode: Vom Militär zum Laufsteg
Camouflage Mode hat eine lange und interessante Geschichte. Ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt, wurden Tarnmuster erstmals im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Sie sollten den Soldaten helfen, sich ihrer Umgebung anzupassen, um somit nicht entdeckt zu werden. Später wurden die Muster für den Einsatz im Zweiten Weltkrieg verfeinert und verbessert. Dort sind sie dann zu einem festen Bestandteil der Militäruniformen geworden.
Nach den Kriegen fanden Tarnmuster ihren Weg in die zivile Mode. In den 1960er Jahren wurden die Muster von der Gegenkulturbewegung als Symbol der Rebellion und der Ablehnung des Establishments übernommen. In den 1980er und 90er Jahren wurde Camouflage Mode dann zum Mainstream, und die Designer:innen haben die Muster in alles von Streetwear bis hin zu High Fashion integriert. Tarnmuster wurden von Designer:innen wie Jean Paul Gaultier, Vivienne Westwood und Yohji Yamamoto verwendet und von Berühmtheiten, wie beispielsweise Madonna, getragen.
Auch heute ist Camouflage nach wie vor ein beliebter Modetrend. Designer:innen finden immer wieder neue Wege, das klassische Muster neu zu interpretieren. Von der lässigen Streetwear bis hin zur High-End-Mode bleibt Camouflage ein beständiges und vielseitiges Modeelement. Aber ist es eigentlich angemessen, Klamotten zu tragen, die von Kriegskleidung inspiriert sind?
„Dressed to Kill?“
Die Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften, Gender Studies und Mitglied des Studienschwerpunkts Theorie und Geschichte, Hanne Loreck, hat schon 2014 zu dem Thema ein Forschungsergebnis namens „Dressed to Kill? – Camouflage-Mode und Geschlecht“ veröffentlicht. Sie stellt in ihrem Bericht die Frage, was es heutzutage bedeutet, Kleidung im Tarnmuster zu tragen. Camouflage wurde ursprünglich als politischer Protest gegen den Vietnamkrieg verwendet und als Entweihung des Gewaltmonopols des Staates betrachtet.
Sie schreibt: „Standen die olivgrünen Second-Hand-Parkas, -Hosen und -Taschen in den 1960er und 1970er Jahren für den Friedensaufruf „Make love, not war“, so wirkt die derzeitige Allgegenwart der Camouflage wie eine Art aggressiven Einverständnisses mit dem gesellschaftlichen Apparat und seinen autoritären bis gewaltsamen Methoden.“ Loreck weist also darauf hin, dass sich innerhalb der letzten Jahre die Message hinter der Kleidung geändert hat. Ob das so wirklich stimmt, sei dahin gestellt. Denn: Natürlich heißt es nicht, dass jede:r, der ein Kleidungsstück im Tarnmuster trägt, damit eine Meinung verbreiten will.
Ist es angemessen, Camouflage Mode zu tragen?
Mit dieser Frage haben sich schon einige Mode-affine Menschen befasst. Als ich in den 2010er-Jahren auf den Trend aufgesprungen bin, kann ich mich noch an die Reaktion meiner Mutter erinnern, die meine Camo-Jacke fragwürdig angeschaut hat. Die Jacke würde sie an Krieg erinnern. Kann man den heutigen Gebrauch des Musters komplett von seinem Ursprung trennen?
In ihrem Artikel für Marie Claire hat die Journalistin Maria Ricapito sich auch mit dem Thema befasst. Sie schreibt, dass ihr der Fashion-Editor der New York Times eine Frage in ihrer „Ask Vanessa“ Newsletter-Kolumne gestellt hat, die dann mitunter auch von einem Veteranen beantwortet wurde. Der Kommentator hat geschrieben, dass das Tragen von Tarnkleidung allein um der Mode willen „schrecklich respektlos“ und „ähnlich wie gestohlene Tapferkeit“ sei. Der Leser hat zudem hinzugefügt, dass die einzige Ausnahme, die ihm einfallen würde, sei, wenn ein Veteran eine Jacke oder ein solches Stück als Andenken an ein Familienmitglied verschenkt. „Selbst dann wurden wir angewiesen, dass Abzeichen und Medaillen entfernt werden sollten, da der Beschenkte sie nicht verdient hat.“ In ihrem Stück schreibt sie zusätzlich, dass ein weiterer Veteran mit Camouflage Mode allerdings kein Problem hätte – solange keine Patches auf der Jacke aufgenäht sind. Soldat:innen würden für diese hart arbeiten, meint er.
Was sollte man also bei Camouflage Mode beachten?
Wenn dir das Muster einfach zu gut gefällt, und du nicht darauf verzichten kannst, solltest du dennoch einige Dinge beachten.
Übertreibe es nicht
Gerade beim Tarnmuster ist es wichtig, nicht zu viel zu tragen. Das sieht dann nämlich nicht mehr wie ein Alltagsoutfit aus, sondern als wärst du wirklich ein:e Soldat:in. Versuche deswegen, es auf ein Teil zu reduzieren. Das kann eine Jacke, oder auch ein T-Shirt sein.
Achte auf den richtigen Anlass
Camouflage-Kleidung passt nicht zu jedem Anlass und auch nicht in jedes Land! Was bei uns als Mode gilt, kann in anderen Ländern schon ganz anders aussehen. Länder, wie beispielsweise Barbados, sehen Camouflage-Muster als Modetrend sogar als eine Straftat an. So schreibt die britische Regierung, dass es für jeden, auch für Kinder, eine Straftat ist, sich in Tarnkleidung zu kleiden. Barbados ist hier allerdings nicht allein.
Die folgenden Länder haben Camouflage für Zivilisten verboten: Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Dominica, Ghana, Grenada, Jamaika, Nigeria, Oman, Philippinen (nur Uniformen), St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Saudi-Arabien, Südafrika, Trinidad und Tobago, Uganda, Sambia und Simbabwe.
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Man muss selber wissen, ob man Camouflage als Modetrend sieht, oder nicht
Bei Camouflage-Kleidung kommt es auf die persönlichen Vorlieben an. Wenn man das Muster so sehr liebt, dass man nicht darauf verzichten kann, sollte man darauf achten, es nicht zu missbrauchen. Dennoch kann man nicht bestreiten, dass das Muster mit Krieg in Verbindung gebracht wird. Solange wir in einer Welt leben, in der Menschen unzähliges Leid durch Krieg erleiden, gilt dies als pures Fashion-Statement als geschmacklos. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass dieser Modetrend für manche Menschen mit Kriegserfahrung retraumatisierend sein kann.
Was ist deine Meinung zu Tarnmustern? Siehst du es als harmlosen Mode-Trend, oder assoziierst du es, wie meine Mutter, mit Krieg?