Comics sind trotz aller Stipendien, Preise und Aufträge eine Männerdomäne. Das erkennt man an den Akteur:innen und noch viel deutlicher an den Comics selbst, insbesondere an denen aus der Marvel-Welt. Dort spielen auch Superheldinnen eine Rolle. Die Darstellungsformen sind allerdings dermaßen verzerrt, dass der Protest nur eine Frage der Zeit war. Eine Form der Kritik wurde von der Webcomic-Zeichnerin Noelle Stevenson Ende 2012 durch ihre Hawkeye Initiative ins Leben gerufen.
Hawkeye Initiative: Das Problem mit den Comics
Was ist die Hawkeye Intitiative?
Die Hawkeye Initiative lässt sich als künstlerisch-satirische Internetbewegung beschreiben, die über Tumblr groß geworden ist. Die Idee dahinter ist, die hypersexualisierte Darstellung von Frauen in Comics zu veranschaulichen – und zwar mit grotesken Gegenbeispielen.
Das erste veröffentlichte Bild der Initiative zeigte ursprünglich den Superhelden Hawkeye und die Superheldin Black Widow. Die beiden wurden vertauscht, aber behielten ihre Positionen. Das Resultat: Der Namensgeber hängt mit ausgestreckten, gespreizten Beinen über Kopf in der Luft. Eine Pose, die sich Zeichner:innen üblicherweise für Superheldinnen aufsparen würden.
Mit der Zeit wurden weitere Superhelden Teil des Projekts, dem sich immer mehr Künstler:innen anschlossen. Alle lasziv, sexy, leicht bekleidet und inspiriert durch ein weibliches Pendant.
Das Problem mit der Darstellung
Die Kritik der Zeichner:innen: Superheldinnen und Frauen insgesamt werden in Comics hypersexualisiert. Während männliche Figuren durch die Bilder rennen, springen und boxen, verharren Frauen leicht bekleidet in passiven Posen. Sie sind dermaßen verzerrt dargestellt, dass den Leser:innen ständig überdimensionierte Brüste und der Pos gleichzeitig entgegengestreckt werden. Die Hawkeye Initiative hat das nur aufgegriffen.
Die männlichen Kollegen werden allerdings auch alles andere als realitätsnah dargestellt. Der große Unterschied zeigt sich aber an den Verfilmungen. Mit Wonder Woman wurden weibliche Superheldinnen auf die Leinwand gebracht. Mit weiblicher Hauptrolle und Patty Jenkins als weibliche Regisseurin. Die sagte in einem Interview, dass Wonder Woman nicht nur stark sein müsste, sondern eben auch „hot“. Dasselbe gelte schließlich auch für die männlichen Kollegen.
Ein Aspekt überwiegt aber immer. Der Anteil derjenigen, die bei Batman, Spiderman oder Ironman an einen sexy Körper denken, ist dann doch geringer als bei Wonder Woman. „Hot“ steht immer noch im Vordergrund. Das wirkt sich auch auf die Emanzipationsabsichten aus. Comics und Filme werden eben für DEN Zuschauer entwickelt.
Wenig Frauen in der Comic-Branche
Autor:innen schreiben Comics meist aus männlicher Sicht. Das gilt insbesondere für Superheld:innen-Comics. Die amerikanische Comic-Künstlerin Megan Rose Gedris erkannte das Problem. Sie zeichnete schon vor der Hawkeye Initiative Comics nach dem Prinzip. Im Interview mit dem Missy Magazine sagte sie, dass Comics eine Art Pornografie-Einführung sind und Comicmacher:innen den Playboy als Vorlage und Inspiration für Zeichnungen weiblicher Körper verwendeten.
Auch heute ist das Geschlechterverhältnis unausgewogen. Parität und Diversität sind im Kommen, jedoch lange nicht etabliert.
Veränderung durch neue Perspektiven
Die Hawkeye Initiative musste aber auch reichlich Kritik einstecken. Leichtbekleidete Männer in Frauenposen abzubilden, nahmen viele User:innen auf Tumblr und Reddit als transfeindlich wahr. Der Punkt ist bestimmt verständlich, auch wenn in endlosen und vor allem sieglosen Diskussionen der eigentliche Punkt der Aktion etwas unterging. Schließlich ging es bei der Hawkeye Initiative darum, den Betrachter:innen einen neuen Blickwinkel zu öffnen und zum Nachdenken anzuregen.
Genau das hat die Hawkeye Initiative als kreatives Sammelbecken Gleichgesinnter durchaus geschafft und die Rückständigkeit vieler Comics offensichtlich gemacht. Und am Ende ist es ja so: Etablieren sich neue Perspektiven und Positionen, ändert sich das Umfeld für alle zwangsläufig.
Die Ursprungsseite der Hawkeye Initiative liefert übrigens schon länger keine neuen Posts mehr. Tumblr achtet seit ein paar Jahren stärker auf sexualisierte Inhalte – wenn auch oft unzureichend und etwas inkonsistent.
Du willst mehr über das Thema erfahren? Wir zeigen auf, wie problematisch das Frauenbild in Comics wirklich ist und wie unsere weekly heroine als Comic-Heldin für Frauen in Indien kämpft.
Lieber Bücher statt Comics? Das sind die Top 7 Bücher zum Weltfrauentag.