Sophia Hoffmann ist Köchin, Autorin und Aktivistin. Die Wahl-Berlinerin setzt sich aktiv für vegane Ernährung, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Feminismus ein. Und genau deshalb ist sie diese Woche – pünktlich zur Bundestagswahl 2021 – unsere weekly heroine.
Jede Woche stellen wir bei wmn Frauen vor, die uns durch ihre Stärke inspirieren und empowern, unseren eigenen Weg zu gehen. Sophia Hoffmann ist nicht nur gefeierte Köchin, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Küche und einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln einsetzt. Sie vertritt auch eine starke politische Meinung in den sozialen Medien. Wir haben mit ihr über die Wahlen 2021 und ihre Hoffnungen auf eine grünere Zukunft gesprochen.
Sophia Hoffmann kurz & knapp
- Sophia ist 41 Jahre alt & arbeitet als Köchin und Autorin in Berlin
- 2011 gründete sie ihren Blog sophiahoffmann.com und machte damit ihre Leidenschaft, die Kulinarik, zum Beruf
- 2014 erschien ihr erstes Kochbuch Sophias vegane Welt – es folgten Vegan Queens, Zero Waste Küche & Die kleine Hoffmann: einfach intuitiv kochen lernen
- Sie ist Köchin bei Isla Coffee, einem renommierten Zero-Waste Café mit Kreislaufkonzept; ein eigenes Restaurant ist in Planung
- Im Podcast Hoffmanns Küche bekocht & interviewt sie Gäste in ihrer eigenen Küche
Interview mit Sophia Hoffmann: „Fleischessen ist für mich nicht mehr zeitgemäß“
wmn: Du wählst offen die Grünen, weil sie für dich die einzig wählbare Option sind. Bedeutet, ganz zufrieden bist du mit ihrem Wahlprogramm auch nicht. Was fehlt dir?
Sophia Hoffmann: Ich sage nicht, dass die Grünen die einzig wählbare Option sind, da gibt es schon noch ein paar Alternativen, die auch noch infrage kämen oder für deren Wahl ich Verständnis habe, weil sie in eine ähnliche politische Richtung gehen. Aber ich habe mich jetzt einfach mal für
eine Partei entschieden, bei der ich eine große Schnittmenge sehe.
Die Frage bringt mich schon zu einem wichtigen Punkt und einem der Gründe, warum ich mich überhaupt politisch positioniere: Die allgemeine Erwartungshaltung der Menschen an eine Partei bzw. an Politiker:innen: Es ist völlig utopisch 100 % Deckungsgleichheit mit den eigenen Werten oder der politischen Umsetzung durch gewählte Vertreter:innen zu erwarten. Demokratie ist irre komplex und (für die, die nicht korrupt sind) ein beinharter Job, der von Kompromissfindung lebt.
Ich bin nicht ständig akribisch auf der Suche nach den Punkten, die NICHT passen, ich möchte mich auf das konzentrieren, was passt und was realistisch ist. Eine Partei nicht wählen zu wollen, weil man einzelne Vertreter:innen doof findet, oder weil diese Partei in einem Koalitionskontext mal einen faulen Kompromiss eingehen musste, finde ich ziemlich realitätsfern. Für mich ist die Wahlentscheidung nicht die Suche nach dem Traumpartner, sondern die Entscheidung für den Bus, der mich am nächsten ans Ziel bringt.
Welche konkreten Hoffnungen stellst du an eine Grüne Bundeskanzlerin?
Zuallererst einmal ist Annalena Baerbock die erste Bundeskanzlerkandidatin EVER, mit der ich mich identifizieren kann: Sie ist genauso alt wie ich, sie ist eine Frau und sie hat einen sehr ähnlichen Wertekatalog. Schon alleine das ist für mich ein Grund, sie zu wählen. Ich bin immer wieder schockiert, wie viele Menschen – selbst in meinem Umfeld – gar nicht merken, wie viel internalisierten Sexismus sie mit sich herumtragen.
Baerbock ist für mich die einzige der drei Kandidat:innen, die überhaupt konkrete Lösungsansätze mitbringt und doch wird ihr seit Monaten die Qualifikation abgesprochen, weil wir gewohnt sind, dass alte Männer an der Spitze stehen. Und ja, es gab/ gibt Angela Merkel, aber sie hat sich Zeit ihrer Karriere sehr „unweiblich“ und stromlinienförmig präsentiert.
Ich habe sogar Menschen getroffen, die Baerbock nicht wählen wollen, „weil sie ihre Stimme nicht mögen“. Für mich verkörpert eine Grüne Bundeskanzlerin so etwas wie die letzte Hoffnung vor einer drohenden Klimakatastrophe; mir ist absolut schleierhaft, wie man sie nicht wählen kann.
Aldi verbannt ab 2030 Billigfleisch aus seinen Regalen (verarbeitetes Fleisch wie Wurst oder Tiefkühlware sind allerdings genauso von dieser Maßnahme ausgenommen wie Spezialitäten…). Wäre es nicht die Aufgabe der Politik, solche Maßnahmen schon viel früher und verbindlicher umzusetzen?
Natürlich wäre das Aufgabe der Politik, genauso wie das ernsthafte Erstreben einer Agrarwende oder eine ordentliche Gesetzgebung gegen Lebensmittelverschwendung, die den Einzelhandel in die Verantwortung nimmt. Seit Jahren rede ich mir im Rahmen meiner Arbeit darüber den Mund fusselig.
Stattdessen hatten wir die letzten fünf Jahre mit Julia Klöckner eine CDU-Agrarministerin, die offen mit Konzernen wie Nestlé zusammenarbeitet und Steuergelder für Kampagnen verschwendet, die die Gesamtverantwortung auf die Endverbraucher:innen abwälzen – wie mit ihrer Plakatkampagne zur Tierhaltung „Du hast die Wahl!“ Das ist falsch und unverantwortlich.
Ist Fleischessen im Bewusstsein des Klimawandels noch zeitgemäß?
Für mich ein klares Nein. Die ethische Entscheidung muss jeder Mensch für sich selbst treffen, aber aus ökologischer Perspektive ist klar, dass der aktuelle Konsum (der ein Vielfaches jenes unserer Urgroßeltern darstellt) in diesem Maß langfristig nicht tragbar ist. Das brauche ich gar nicht auf emotionaler Ebene zu diskutieren, das sind Fakten, da lässt sich nichts schönreden. Es ist immer klimafreundlicher, eine Pflanze direkt zu essen, als sie an ein Tier zu verfüttern, das dann geschlachtet wird.
Für mich persönlich ist es eine empathische Entscheidung, keine Tiere zu konsumieren, wenn ich weiß, dass ich an meinem Lebensort und mit dem Privileg, Zugriff auf Alternativen zu haben, nicht darauf angewiesen bin. Außerdem besitzen Schweine die kognitiven Fähigkeiten eines dreijährigen Kindes, sind schlauer als ein Hund – das verdrängen die meisten Leute ihr Leben lang gekonnt. Alle Tiere wollen leben, wer bin ich darüber zu entscheiden?
Eines deiner Kochbücher beschäftigt sich mit Zero Waste: Welche Tipps hast du für unsere Leser:innen, Müll im Alltag zu verringern?
Um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, empfehle ich vor allem weniger, geplanter und besser einzukaufen. Meistens haben wir schon viel zu viel im Kühlschrank und verlieren den Überblick. Einkaufszettel schreiben, Inventur im Vorrats- und Gefrierschrank machen, Listen schreiben: Das befördert bewussteren Umgang mit Lebensmitteln.
Und mit „besser einkaufen“ meine ich biologische, fair erzeugte Lebensmittel zu nutzen. Wer lernt, Hochwertiges richtig zu lagern und ganzheitlich zu verwerten, kommt am Ende auf das gleiche Budget wie bei Billigprodukten. Nur dass für diese Mensch, Tier und Natur ausgebeutet werden und am Ende die Hälfte unreif oder verschimmelt im Müll landet. In den Worten von Vivienne Westwood, Designerin und Klimaaktivistin: „Buy less, choose well, make it last!“
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