Konzerte, Festivals, Messen, Events – all das das ist seit dem Corona-Ausbruch überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Schon für alle, die gerne Veranstaltungen besuchen, ist das ein riesiger Einschnitt.
Doch wie geht es erst den Menschen, die in der Veranstaltungsbranche arbeiten? In unserer Reihe #CoronaAlltagsheldInnen sprechen wir diesmal mit Alessa Negri. Für die Eventmanagerin verlief 2020 mehr als turbulent.
Interview mit Eventmanagerin Alessa: So erging es ihr in der Pandemie
Alessa Negri hat als Eventmanagerin schon so einiges miterlebt. Sie hat bereits Veranstaltungen für Airbnb, Zalando oder Amazon Prime Video umgesetzt und ist es gewohnt, sich neuen Situationen immer wieder anpassen zu müssen. „Das ist ja das Schöne an meinem Job“, erzählt sie uns im Interview.
Doch auf das, was da im Frühjahr 2020 über sie hereinbrach – darauf war auch sie nicht vorbereitet. Von jetzt auf gleich wurde eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt. Die ganze Eventbranche lag plözlich brach und befand sich in Existenz-Not. Doch statt in Schockstarre zu verharren, machte Alessa weiter – und gründete mit ihrem Kollegen noch im Krisenjahr eine Eventagentur, die auch noch den Namen zwanzigzwanzig trägt.
Alessa, sag mal, wie verrückt seid ihr denn?
Alessa: Ja, das klingt vielleicht erstmal merkwürdig. Natürlich war 2020 alles andere als einfach, aber es ist auch ein Jahr, das ganz neue Chancen mit sich gebracht hat. Wir dachten uns: Wenn schon, denn schon! Wenn man schon so verrückt ist, in 2020 zu gründen, kann man sich auch direkt danach benennen. Wir wollen den positiven Aspekt in den Vordergrund stellen. 2020 hat einen neuen beruflichen Standard gesetzt und auch Raum für Neues geschaffen.
wmn: Nun arbeitest du auch noch in dem Bereich, der in 2020 besonders von der Pandemie gebeutelt worden ist: der Veranstaltungsbranche. Ganz schön mutig, genau jetzt eine Eventagentur zu gründen, oder?
Alessa: Das ist es auf jeden Fall. Wir nennen das liebevoll antizyklisches Gründen. (lacht) Natürlich haben uns einige Leute schräg angeguckt, als wir gesagt haben, dass wir mitten in der Pandemie eine neue Eventagentur aufbauen. Aber ich glaube, genau das ist die Essenz: Jetzt ist es schwierig und gerade verändert sich ganz viel. Aber es verändert sich zum Positiven; da sind wir uns ganz sicher. Und: Es wird weitergehen. Auch jetzt treffen sich Menschen für Veranstaltungsformate, nur eben rein digital. Aber es wird auch wieder Live-Events geben. Wir haben jetzt gegründet und sind vorbereitet auf das, was kommt. Und das was kommt, ist sicher.
wmn: Ich würde gern mit dir noch mal zurückblicken. Vor einem Jahr gab es zwar ein paar Corona-Fälle, doch niemand hätte sich wohl ausmalen können, wo das alles hinführt. Wann hat die Pandemie das erste Mal Auswirkungen auf deine Arbeit gehabt?
Alessa: Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich gerade für die Messe München gearbeitet habe, als im Februar die ersten Fälle in Deutschland bestätigt wurden. Wir haben uns lange Gedanken darüber gemacht, ob die Dinge sich plötzlich verändern werden. Aber bis auf das Aufstellen von Desinfektionsspendern passierte nicht viel. Zu dem Zeitpunkt hat das niemand kommen sehen.
wmn: Im März wurden dann aber doch die ersten Events abgesagt …
Alessa: Ja, und ausgerechnet die erste Veranstaltung überhaupt, die wegen Corona abgesagt wurde, betraf unsere damalige Agentur. Ich weiß noch ganz genau, wie ich an der Supermarkt-Kasse stand und die Push-Nachricht bekam, dass die ITB abgesagt wurde. Ich bin direkt nach draußen und hab geheult. Ein halbes Jahr Vorarbeit – das war so bitter. Zwölf Stunden bevor der Aufbau für unser Projekt starten sollte, wurde alles gecancelt. Es brach erstmal Chaos aus.
Niemand wusste: Ist das jetzt höhere Gewalt? Hat der Staat abgesagt? Oder sind wir als Agentur verantwortlich? Keiner konnte ja was für die Situation.
wmn: Was genau passierte dann?
Alessa: Zu Beginn sind einfach nur riesige Fragezeichen aufgetaucht. Ich war erstmal komplett überfordert mit der Situation. Wir haben uns in der Agentur gefragt, was überhaupt gerade passiert und wie wir jetzt damit umgehen sollen. Natürlich habe ich sofort den Kunden und dann alle Gewerke angerufen und auf die Stopp-Taste gedrückt, sodass bloß keiner auf die Idee kommt, doch zur Produktion zu fahren. Und dann haben wir Anwälte kontaktiert, um zu erfahren, wie es weitergehen soll. Denn niemand wusste: Ist das jetzt höhere Gewalt? Hat der Staat abgesagt? Oder sind wir als Agentur verantwortlich? Keiner konnte ja was für die Situation. Zum Glück hatten wir langjährige Partnerschaften mit unseren Kunden, Gewerken und Dienstleistern, sodass wir uns ganz fair auf Augenhöhe einigen konnten. Alle haben verstanden: Das ist eine Sondersituation.
wmn: Ab welchem Punkt war dir klar: Das ist richtig ernst und geht an die Existenz?
Alessa: In unserer damaligen Agentur war das ein längerer schwebender Prozess. Wir hatten Veranstaltungen, die für April und für Juni geplant waren. Darauf hatte man relativ lange gepocht und nach und nach wurde eine nach der anderen abgesagt. Und als ich dann die Bilder aus Italien und dem Rest der Welt sah, in meinem Homeoffice saß und wir auch noch beschlossen, das Kurzarbeitergeld bis September anzumelden, wurde mir mehr als mulmig.
Ich hatte teilweise das Gefühl, einen neuen Beruf zu erlernen.
wmn: Wann kam die erste Veranstaltung, die ihr nach dem Lockdown wieder machen durftet?
Alessa: Das war im Juli für die Messe München. Dieses Event hat uns auf jeden Fall aus einem Loch rausgeholt. Plötzlich ging wieder was. Da waren mutige Kunden, die so planen wollten, wie es die aktuellen Corona-Regeln eben gerade erlaubten. Da war eine völlig neue Situation, eine hybride Veranstaltung zu planen, bei der sowohl Presse als auch Politik anwesend war. In der Zeit waren Hygienekonzepte komplett neu. Wir mussten erstmal rausfinden, wo man FFP2-Masken im großen Stil herbekommt, wie viel Desinfektionsmittel nötig ist und wie sich die Teilnehmer ohne großen Kontakt in einer Location aufhalten können. Teilweise hatte ich das Gefühl, einen neuen Beruf zu erlernen.
wmn: Was ist für dich an Veranstaltungen in Pandemie-Zeiten die größte Herausforderung?
Alessa: Die größte Herausforderung, die wohl alle EventmanagerInnen hatten und immer noch haben ist, nicht zu wissen, was nächste Woche noch gilt. Wie plant man eine Veranstaltung, wenn man keine Ahnung hat, wie viele Leute anwesend sein dürfen? Oder welche Bestimmungen es zu diesem Zeitpunkt in dem betreffenden Bundesland gibt? Es ist die hohe Kunst, ein Konzept zu entwickeln, das so variabel ist, dass man trotzdem weitermachen kann, auch wenn sich bestimmte Größen ändern.
wmn: Glaubst du, das Coronavirus wird dein Arbeiten für immer verändern?
Alessa: Auf jeden Fall! Ich glaube, so wie man irgendwann den technischen Leiter bei einer Veranstaltung braucht, ist ab jetzt für immer eine Hygiene-Manager nötig, der sich Hygienekonzepte überlegt. Sowas wie die Kontaktnachverfolgung wird uns mindestens Monate, wenn nicht sogar Jahre begleiten. Und auch aus der Perspektive der Firmen wird sicherlich ein Umdenken stattfinden. Man wird sich genau überlegen, ob man die Live-Veranstaltung wirklich braucht und ob es nicht auch digital geht. Ich glaube auch, dass das Thema Hybrid nicht mehr wegzudenken ist. Es wird sich nicht mehr ändern, dass jede Veranstaltung auch einen digitalen Strang hat. Bisher wurden digitale Bausteine ja eher stiefmütterlich behandelt. Mittlerweile haben sich da viele Firmen spezialisiert. Was da in der nächsten Zeit kommen wird, ist total spannend.
wmn: Du klingst wahnsinnig optimistisch. Dabei dürftest du das im Herbst eigentlich nicht gewesen sein, als sich abzeichnete, dass die Agentur, bei der du damals angestellt warst, 2020 wirtschaftlich nicht gut verkraftet hat …
Alessa: Ja, das war natürlich erstmal ein Schock. Ich liebe meinen Job und hatte für kurze Zeit keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Aber dann habe ich zusammen mit meinem Kollegen überlegt, was wir tun können. Und wir waren uns einig, dass die Eventbranche trotz allem eine Zukunft hat. Es ist ja nach wie vor ein Markt da. Und auch genau den bedienen wir – nur eben nicht als riesengroßes Tankerschiff, sondern als Schnellboot. So kam es zur Gründung unserer neuen Agentur.
Ich habe die Hoffnung, dass wir Mitte des Jahres, spätestens im Herbst wieder planungssicher Veranstaltungen stattfinden lassen können.
wmn: Hand aufs Herz: Wann werden deiner Meinung nach wieder Events wie vor Corona stattfinden können?
Alessa: Ich habe zumindest die Hoffnung, dass wir Mitte des Jahres, spätestens im Herbst wieder planungssicher Veranstaltungen stattfinden lassen können. Dann, wenn Schnelltests auch bei großen Menschenmengen angewandt werden können, ist schon viel gewonnen. So wäre auch der Besuch von Konzertveranstaltungen und Sportevents wieder denkbar. Dagegen finde ich eine Impfpflicht im Bezug auf Veranstaltungen äußerst schwierig. Wenn zukünftig nur noch der reinkommt, der einen Impfausweis vorweisen kann, entsteht schnell eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Ich glaube, dass wir als Eventmanager diese Frage nicht beantworten können. Sowohl ethisch als rechtlich gesehen, wirft das jede Menge Fragen auf.
wmn: Zumindest scheint schon klar, dass 2021 ein ereignisreiches Jahr wird. Was wünscht du dir für eure Agentur?
Alessa: Ich wünsche mir, tolle Events umzusetzen, Erfolg zu haben, zu wachsen und die Dinge, die wir im letzten Jahr gelernt haben, umsetzen zu dürfen. Wäre doch schön, wenn sich unsere Entscheidung, eine neue Eventagentur in 2020 zu gründen, als richtig herausstellt.
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