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#CoronaAlltagsheldInnen: Welche Ängste eine Ärztin in der Pandemie aussteht – Ein Interview

#CoronaAlltagsheldInnen: Im Interview erzählt eine Ärztin, wie sehr sich ihr Leben durch die Corona-Pandemie verändert hat.

AlltagsheldInnen: Ärztin
In unserer Reihe der #AlltagsheldInnen stellen wir euch heute eine junge Ärztin vor, die erzählt, wie es im Krankenhaus tatsächlich zugeht. PS: Das ist ein Stockbild, nicht Hannah. Foto: Getty Images/Westend61 /

Ohne sie ging 2020 gar nichts: LehrerInnen, PolizistInnen, VerkäuferInnen, PostzustellerInnen und ÄrztInnen – nie zuvor war uns allen so sehr bewusst, was die #CoronaAlltagsheldInnen eigentlich leisten. 

Beim ersten Lockdown im Frühjahr gab es tatsächlich teilweise die sonst so fehlende Anerkennung für die, die trotz des grassierenden Coronavirus die Stellung hielten. Doch was ist neben dem Beifall, dem Lob und der Prämien für die meisten Menschen in systemrelevanten Berufen hängen geblieben? „Nicht viel“, ist Hannahs* ernüchterndes Fazit. Wir sprechen mit der Ärztin aus Berlin darüber, wie sich ihr Arbeitsalltag als Medizinerin in Pandemie-Zeiten verändert hat und was sich ihrer Meinung nach ändern muss.

* Name von der Redaktion geändert

corona patient infizierter ansteckung gefahr krankenhaus
Um Corona-Patienten zu betreuen, müssen viele Schutzvorkehrungen getroffen werden.(Photo: imago images/Belga)

Als Ärztin in der Corona-Pandemie: „Diese Situation hat es noch nie gegeben!“

In unserer Reihe #CoronaAlltagsheldInnen sprechen wir mit den Menschen, denen im Jahr 2020 besonders viel abverlangt wurde. Gerade diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten, wurden Anfang des Jahres plötzlich vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Ein bis dato unbekanntes Virus breitete sich auch in Deutschland aus und krempelt das bisherige Arbeitsleben einmal herum. Mittlerweile sind allein hierzulande 1,8 Millionen Menschen an Corona erkrankt, 35.000 sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

Um die rasant steigenden Infektionszahlen zu drosseln, gilt seit Ende November 2020 wieder ein harter Lockdown. Vor allem, um die Krankenhäuser vor Überlastungen zu schützen. Doch wie ist es tatsächlich vor Ort? Sind die Corona-Maßnahmen überzogen oder zu lasch?

Darüber sprechen wir mit Hannah. Sie ist Fachärztin für innere Medizin in einem mittelgroßen Krankenhaus in Berlin und pendelt zwischen der normalen Station und der Rettungsstelle, wo sie immer wieder Kontakt mit Corona-Patienten hat.

wmn: Hannah, seit einem Jahr gibt es nun das Coronavirus. Wie hat sich dein Alltag als Ärztin ganz persönlich durch die Pandemie verändert? 

Hannah: Vor Corona lief alles routiniert ab. Es gab klar geregelte krankenhausinterne Strukturen und Patienten mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern. Seit der Krise hat sich mein Arbeitsalltag doch sehr verändert und wird deutlich von der Corona-Pandemie dominiert.

 Momentan kommen ungefähr ein Drittel der Patienten in die Rettungsstelle, um abklären zu lassen, ob sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Solch einen Ansturm hat es bei der ersten Welle nicht gegeben. 

wmn: Was hast du gedacht, als in dieser Zeit für die AlltagsHeldInnen geklatscht wurde?

Hannah: Ich habe das nicht wirklich auf mich bezogen. Letztlich ist es ja mein Job, den ich mir ausgesucht habe: Ich habe erkrankte Menschen behandelt, wie all die Jahre zuvor auch.

wmn: Wie waren damals deine Arbeitsbedingungen?

Hannah: In der ersten Welle der Corona-Pandemie hatten wir zeitweise eher knappe Schutzausrüstung. Das war eine Situation, die es noch nie gegeben hat. Schutzausrüstung war immer selbstverständlich. Letztendlich bestand aber immer die Möglichkeit, sich entsprechend der Bedingungen zu schützen.

 Das ist ja nicht bei allen Berufsgruppen so. In vielen nicht-medizinischen Bereichen mit hohem Personenkontakt wurden und werden kaum oder keinerlei adäquate Schutzmittel durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Das Risiko wäre mir zu hoch und das würde ich auch nicht in Kauf nehmen.

Ich hatte Angst, selbst zu erkranken, einen schweren Verlauf zu erleiden oder vielleicht sogar meine Familie anzustecken.

– Hannah, Ärztin

wmn: Gab es gerade am Anfang eine Situation, in der du Angst bei der Arbeit verspürt hast?

Hannah: Ja, ich hatte tatsächlich Angst, selbst zu erkranken, einen schweren Verlauf zu erleiden oder vielleicht sogar meine Familie anzustecken. Auch vor ähnlichen Zuständen wie beispielsweise in Italien hatte ich Angst. 

Im Verlauf der ersten Welle wurden diese Befürchtungen geringer. Aber in den letzten Wochen sind die Infektionen wieder rasant gestiegen, was sich auch deutlich an der Bettensituation in den Krankenhäusern zeigt. Das ist sehr erschreckend, wenn man bedenkt, dass die Fallzahlen eventuell noch weiter steigen werden.

wmn: Wie sieht aktuell deine Arbeitsbelastung aus?

Hannah: Die ist gerade sehr hoch. Es müssen mehr Dienste an den Wochenenden übernommen werden, um Covid 19-Patienten täglich adäquat zu versorgen. 

wmn: Welche Aufgaben nehmen besonders viel Zeit in Anspruch?

Hannah: Es gibt ständig neue klinikinterne, strukturelle Regelungen, deutlich mehr bürokratischen und zeitlichen Aufwand. Im Allgemeinen dauert alles viel länger, weil ich intensivere Hygienemaßnahmen umsetzen muss, etwa wenn ich mich in Isolierzimmer einschleuse. 

Auch die Patientenversorgung ist deutlich komplizierter und aufwändiger geworden. Das durchgehende Arbeiten mit FFP2-Masken ist auch eine Herausforderung. Zudem haben wir interne Besprechungen nur noch über Online-Meetings, also habe ich auch weniger persönliche Kontakte zu Kollegen.

wmn: Immer wieder wird angeprangert, dass gerade ÄrztInnen und PflegerInnen nicht genug wertgeschätzt werden. Wie ist dein Gefühl dazu?

Hannah: Gemischt. Die Arbeitsbelastung für medizinisches Personal in Krankenhäusern war schon immer hoch und wurde im Vergleich zu anderen Berufsgruppen nicht adäquat entlohnt. Das ganze System funktioniert ja nur, weil die MitarbeiterInnen bereit sind, noch mehr Dienste in Kauf zu nehmen – mit großen Abstrichen im Privatleben.

Die versprochenen Bonuszahlungen gab es zwar tatsächlich, allerdings sind die meiner Meinung nach im Verhältnis gesehen, viel zu gering ausgefallen. Ab einem gewissen Punkt würde mehr Ausgleich die Abstriche im Privatleben etwas entschädigen und die Motivation steigern. Zum Beispiel für zusätzliche Nachtdienste, gerade weil sie eine große körperliche Belastung darstellen.

Aber natürlich gibt es auch viele andere Berufsgruppen, die einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Insbesondere Personen, die einen Vollzeitjob im Homeoffice haben und nebenbei ihre Kinder zu Hause betreuen müssen. Auch das ist nicht unbedingt eine einfache Situation. 

Ich habe permanent ein schlechtes Gewissen. Es ist kaum möglich, sowohl meinen Kindern als auch meinem Beruf gerecht werden zu können.

– Hannah, Ärztin

wmn: Was war deine größte Herausforderung während der Krise?

Hannah: Definitiv die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist jetzt noch schwieriger als vorher. Ich habe zwei kleine Kinder und permanent ein schlechtes Gewissen. Es ist kaum möglich, sowohl ihnen als auch meinem Beruf gerecht werden zu können. Zwar sind die beiden in der Notbetreuung, aber die Zeiten sind verkürzt, sodass ich von der Kita zur Arbeit haste und umgekehrt.

Erfahre im Video, wie du dich vor Corona schützen kannst.

wmn: Gibt es auch positive Erkenntnisse aus der Krise? 

Hannah: Absolut, ich habe ein neues, unbekanntes Krankheitsbild kennengelernt. Außerdem sehe ich es als große Erfahrung an, einen Beitrag zur Versorgung der Covid 19-Patienten zu leisten. Mein Beruf als Ärztin bietet mir einen krisensicheren Job, was ich wirklich sehr zu schätzen gelernt habe.

Die Notfallpläne können wegen Personalmangels nicht richtig umgesetzt werden.

– Hannah, Ärztin

wmn: Mit dem jetzigen Wissen aus der Corona-Krise, was meinst du: Wären wir auf eine neue Pandemie vorbereitet?

Hannah: Teils teils. Zwar wurden die Notfallpläne in der Corona-Zeit schnell und strukturiert aufgestellt, allerdings hakt es an der Umsetzung. Das liegt vor allem am Personalmangel, der besonders bei den Pflegekräften riesig ist. 

Und das Personal, das noch da ist, wird so verschlissen, dass es zu immer mehr Krankmeldungen kommt oder sie auch wegen Covid 19-Infektionen ausfallen. Das Problem können wir nur lösen, wenn insbesondere Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen angeworben und entsprechend entlohnt werden.

Fazit: Nie wurden die Defizite im Gesundheitswesen so deutlich

In den letzten Monaten haben wohl alle gemerkt, wie wichtig LehrerInnen PolizistInnen, VerkäuferInnen oder PostzustellerInnen oder ÄrztInnen wirklich sind. Doch besonders bei medizinischem Personal wurde durch die Corona-Pandemie deutlich, wie prekär die Situation im Gesundheitswesen tatsächlich ist.

So schön der Applaus auch sein mag, was medizinisches Personal wirklich braucht, ist eine faire Bezahlung und Entlastung. Doch die gibt es nur, wenn endlich genug Personal eingestellt wird. Wenn die Politik sich ewig auf dem Berufsethos der Mediziner ausruht, könnte das früher oder später äußerst gefährlich werden – für uns alle.

Wir stellen dir noch weitere #CoronaAlltagsheldInnen vor: Annett, die in der Gastronomie arbeitet, Friseurmeister Michi oder auch PolizistInnen, die durch Corona vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden.

Auch die Psychologie musste sich diese Jahr neu aufstellen. Das sind die Erkenntnisse eines jungen Psychologen.

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