Am Sonntag saß ich auf meinem Bett und wusste nicht, wohin mit mir. In diesem Moment spürte ich ein Gefühl, welches ich in der heutigen Zeit für begraben glaubte: Mir war langweilig. Weder mein Smartphone noch eine Serie, geschweige denn ein Work-out vermochten es, mich aus diesem Loch zu ziehen. Heute weiß ich, dass mein Versuch, mich gegen die Langeweile zu wehren, die falsche Reaktion war. In diesem Artikel verrate ich dir, warum es manchmal sogar wichtig ist, Langeweile auszuhalten, aber auch, wie du sie möglichst kleinhalten kannst.
Alles zum Thema „Was hilft gegen Langeweile?“ auf einen Blick:
Hältst du es aus, dich 15 Minuten zu langweilen?
Für den Einstieg habe ich ein kleines Gedankenexperiment für dich. Stell dir vor, du wirst in einen langweiligen Raum gebeten. Hier sollst du dich auf einen Stuhl setzen und nichts weiter tun, als die nächsten 15 Minuten dort zu verbringen – ohne einzuschlafen.
Vor dir steht aber auch ein Tisch. Auf dem Tisch ist ein Apparat, der dir einen Stromschlag verpassen kann. Er kann von dir selbstständig gesteuert werden. Verrate mir: Würdest du die 15 Minuten Langeweile ertragen? Oder würdest du dir einen schmerzhaften Stromschlag verpassen?
Tatsächlich handelt es sich hierbei um den Versuchsaufbau eines Experiments rund um den Sozialpsychologen Timothy Wilson von der University Virginia. Wie sicherlich auch du, fragten sich einige Mitglieder des Forschungsteams, was dieses Experiment bringen soll. Hier wird doch wohl niemand auf die Idee kommen, sich lieber einen Schlag zu verpassen, als die 15 Minute Langeweile auszuhalten?!
Das Ergebnis sollte sie eines Besseren belehren: Zwei Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen konnten es nicht lassen und versetzen sich selbst Elektroschocks. Ein Teilnehmer schockte sich sogar 190-mal in diesen 15 Minuten!
Dieses Experiment zeigt eindrücklich unser Verhältnis zum Gefühl der Langeweile auf. Wir können die Öde schlicht nicht ertragen und verstehen sie als etwas Negatives. Bevor ich dir nun verrate, warum wir dem Gefühl damit unrecht tun, lass mich dir aber erklären, was Langeweile eigentlich genau ist…
Was ist Langeweile?
In der Forschung wird zumeist die Definition nach Dr. John Eastwood, Associate Professor im Department Psychology an der York University Toronto herangezogen. Er definiert die Langeweile wie folgt: „Langeweile ist das unangenehme Gefühl, eine zufriedenstellende Aktivität ausführen zu wollen, aber nicht zu können.“
Diese Definition macht deutlich, dass wir uns zum einen langweilen können, weil wir etwas tun, das uns nicht zufriedenstellt. Wer einen Text abschreiben muss, kann sich beispielsweise fragen, wie sinnhaft das ist und wird sich daher dabei langweilen. Eastwood, der das weltweit einzige Langeweile-Labor leitet, betont dahingehend, dass Langeweile vor allem mit mangelnder Sinnhaftigkeit in Zusammenhang steht.
Zum anderen kann Langeweile aber auch aufkommen, weil wir etwas tun wollen, aber keine Möglichkeit haben, die uns zufriedenstellt. So erging es auch mir an jenem Sonntag in meinem Bett. Ich langweilte mich, obwohl ich zig Beschäftigungsmöglichkeiten gehabt hätte. Die Frage, welche sich die Forschung seit Jahren dazu stellt, ist: Hatte ich Langeweile, wegen der Situation oder lag es an meiner Persönlichkeit?
Die Forschung unterscheidet dahingehend zwischen dem sogenannten State Boredom und dem Trait Boredom. Beim State Boredom, also dem Zustand der Langeweile, ist eine bestimmte Situation für das negative Gefühl verantwortlich. Ein gutes Beispiel dafür ist eine langweilige Vorlesung, die uns regelrecht flüchten lassen will vor Langeweile.
Beim Trait Boredom ist Langeweile dagegen ein Persönlichkeitsmerkmal. So meinen einige Wissenschaftler:innen, dass es bestimmte Persönlichkeitstypen gibt, die besonders leicht gelangweilt sind. Meist können diese Personen sich auch schwerer konzentrieren, sind antriebslos, lethargisch und reizbar zugleich.
Warum die Tristesse uns nützen kann
Langeweile wird in seiner Definition bereits negativ konnotiert, da von einem „unangenehmen Gefühl“ die Rede ist. Tatsächlich sollten wir die Langeweile aber nicht zu sehr verteufeln. Viel eher sollten wir sie als Warnung für die eigene Psyche verstehen. Laut dem Psychologen Dr. Leon Windscheid ist sie eine Aufforderung an unser Selbst, sich zu verändern.
In seinem Buch: „Besser Fühlen – eine Reise zu mehr Gelassenheit“ schreibt er: „Kein anderes Gefühl macht die Diskrepanz zwischen dem, was wir erreichen wollen, und dem, was wir erreicht haben, spürbarer als Langeweile.“ Der Experte für Emotionen meint also, dass Langweile das Potenzial hat, uns zu motivieren, unser Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Das gelingt allerdings nur, wenn wir die Langeweile zulassen und sie nicht von uns schieben. Die meisten Menschen, so auch ich an jenem Sonntag, greifen direkt zu ihrem Smartphone, Laptop oder anderen Geräten, um der Langeweile zu entfliehen. Stattdessen sollten wir sie öfter mal aushalten und sie vor allem positiv besetzen.
Dafür sollte man sich vor Augen führen, dass Studien beispielsweise zeigen, wie Langweile unsere Kreativität fördern kann. Außerdem stößt sie unser persönliches Wachstum an. Denn wer immerzu das Gleiche macht, wird sich langweilen. Wer gegen Langweile etwas tun möchte, muss demnach seine eigene Komfortzone verlassen und über sich hinauswachsen.
Windscheid ist sich sicher: „In Abständen braucht es Momente der Langeweile, um uns zu erden und in uns selbst hineinzuhorchen und unsere Ziele mit unserem eingeschlagenen Weg abzugleichen.“
Was kann man gegen Langeweile tun?
Du siehst: Langeweile ist nichts Schlechtes. Und doch ist es an uns, aus der Langweile etwas erwachsen zu lassen bzw. ihr Einhalt zu gebieten. Diese drei Tipps können dir dabei helfen.
1. Langweile aushalten
Windscheid plädiert in seinem Buch „Besser Fühlen“ dafür, dass wir lernen sollten, Langweile standzuhalten. Das gelingt, indem wir uns beim nächsten Anfall der Öde hinterfragen: Warum ist mir gerade langweilig? Liegt es an der Situation oder an mir?
Im nächsten Schritt solltest du die Finger von elektronischen Geräten oder anderen Beschäftigungen lassen. Genieße es, deine Gedanken wandern zu lassen – sei es nur für fünf Minuten. Warum es allgemein lohnt, sich im süßen Nichtstun zu üben, erfährst du hier.
Wer langfristig besser gegen Langweile vorgehen möchte, sollte zudem auf Meditation setzen. Die bekämpft innere Unruhe und gibt dir einen Mechanismus an die Hand, um während deiner Phasen der Langeweile etwas zu tun zu haben.
2. Neues erleben
Leon Windscheid nennt in seinem Buch zudem die Idee, dass man der langweiligen Zeit ein Schnippchen schlagen kann, indem man öfter mal Neues erlebt. Das kann für jeden Menschen etwas anderes bedeuten. Während einer zum ersten Mal ein Gängemenü kocht, kann die andere ehrenamtlich tätig werden oder schlicht mal die Treppe statt den Aufzug nehmen.
Der Psychologe beschreibt den Effekt metaphorisch, wenn er sagt: „Wer allerdings Gewohnheiten durchbricht, sorgt dafür, dass unser Hirn nicht nur einzelne Seiten beschreibt, sondern ganze Ordner füllt.“
3. Perspektive ändern
Zuletzt meint Windscheid, dass es gegen Langweile hilft, mal die Perspektive zu ändern. Wer immer nur nach vorne blickt, an dem rast die Welt vorbei. Bleibt man bewusst stehen und nimmt sich die Zeit, zurückzublicken, der schafft es für einen kurzen Moment der Zeit Einhalt zu gebieten.
„Wer seine Vergangenheit nicht wirken lässt, verliert seine Zeit aus dem Blick“, schreibt der Psychologe. Und wer seine Zeit aus dem Blick verliert, ist anfälliger für Langeweile, welche die Zeit oft wie einen Kaugummi zu ziehen scheint.
Langeweile als Chance verstehen
Nach diesen Zeilen wünsche ich mir künftig häufiger Momente der Langweile. Und ich wünsche mir, dass ich diese Momente aushalte. Statt zu meinem Smartphone zu greifen, möchte ich diese Momente für mich nutzen, um innezuhalten. Wer weiß: Vielleicht sind diese fünf Minuten Langeweile genau das, was ich brauche, um meinem Leben eine völlig neue Richtung zu verleihen. Und wie steht es mit dir? Langweilst du dich schon oder lenkst du dich noch ab?
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