Stell dir vor, du willst mit einer Freundin dieses neue niedliche Restaurant ausprobieren, das ihr auf einem gemeinsamen Spaziergang entdeckt habt. Seit Wochen steht die Reservierung und du freust dich auf den Abend. Nun sitzt du pünktlich im Restaurant, nippst bereits an deinem ersten Glas Wein und wartest auf deine Freundin. Vergeblich. Nach 15 Minuten schreibt sie dir einen kurzen Text und sagt ab. Ausrede? Fehlanzeige. Und du? Du entschuldigst dich beim Kellner für die Unannehmlichkeiten, bezahlst deinen Wein und schreibst deiner Freundin, dass das gar kein Problem wäre. Dieses Verhalten kommt dir bekannt vor? Dann musst du es vielleicht immerzu allen recht machen. In diesem Artikel erfährst du, warum manche Menschen einfach zu nett für die Welt sind und wer dafür besonders anfällig ist.
Alles zum Thema „Es allen recht machen wollen„
People Pleaser wollen es allen recht machen
Ein People Pleaser, übersetzt Menschen-Zufriedensteller, ist jemand, der seine eigenen Bedürfnisse immer unterordnet. Jemand, der findet, dass das Wohl anderer Menschen wichtiger als das eigene ist. Jemand, der es immer allen recht machen möchte.
Das kann sich auf verschiedene Weisen äußern: Manche stellen ihre eigene Freizeit zurück, andere verleihen Geld, ohne davon je einen müden Cent wiederzusehen und wieder andere springen sofort, wenn jemand ihnen schreibt, dass sie gebraucht werden. Nicht etwa, weil sie nichts Besseres zu tun hätten, sondern einfach, weil sie zu gut für die Welt sind.
Sie sind verständnisvoll, werden nie wütend und sind verdammt selbstkritisch: Geht etwas schief, suchen sie zunächst bei sich die Schuld. Wird ihnen unrecht getan, verzeihen sie schnell, meist zu schnell und oft vergeben sie nicht nur eine letzte Chance. People Pleaser sind der Inbegriff von Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft und Geduld. Psychologen nennen das: ein hohes Maß an Verträglichkeit.
Tatsächlich sind all das Persönlichkeitsmerkmale, die helfen, erfolgreich durchs Leben zu kommen. Wer möchte nicht Kolleg:innen um sich herum haben, die hilfsbereit, empathisch und gutherzig sind! Solche Menschen schart jeder gerne um sich. Und auch People Pleaser fahren gut mit diesen Eigenschaften, da sie so für ein Höchstmaß an Harmonie sorgen – ein Umstand, der ihnen besonders wichtig ist.
Die Schattenseite, wenn man es allen recht machen möchte
Früher oder später kommt allerdings ein Punkt im Leben eines jeden People Pleasers, an dem sich das Blatt wendet. Das gutherzige Verhalten führt dann dazu, dass ihnen eher geschadet wird – und zwar, wenn aus diesem wohlwollenden Verhalten dysfunktionale Beziehungen erwachsen.
Denn die offene und hilfsbereite Art von Menschen, die es immer allen recht machen wollen, zieht häufig Menschen an, die egomanisch oder narzisstisch veranlagt sind und die diese Art auszunutzen wissen. Die Gutmenschen dieser Welt werden von solchen Beziehungen häufig emotional erdrückt.
Mehr zum Thema Narzissmus in der Beziehung und toxische Beziehungen findest du hier.
Wie wird man zum People Pleaser?
Wie wird man zu gut für die Welt? Die Veranlagung, es immer allen recht machen zu wollen, wird meist in der Kindheit geprägt. Etwa durch narzisstische Eltern oder solche, die nur dann Liebe und Zuneigung zeigen, wenn eine besondere Leistung erbracht wurde.
People Pleaser haben demnach früh erlernt, dass sie etwas geben müssen, um etwas zu bekommen. Für sie ist es normal, nicht gut behandelt zu werden und zumeist geben sie sich selbst die Schuld daran. Letztlich verfallen sie in eine Überverantwortlichkeit die häufig mit einem geringen Selbstwert und einer hohen Toleranz gegenüber übergriffigem Verhalten einhergeht.
Die Persönlichkeitsmerkmale eines People Pleasers sind lobenswert und hilfreich für ein erfolgreiches Leben. Das Problem ist, dass jemand, der es immer allen recht machen möchte, keine Grenzen setzen kann. People Pleaser verhalten sich nicht vorbildlich, weil der Anstand es gebietet, sondern weil sie damit andere Dinge zu kompensieren versuchen. Sie Haschen nach Anerkennung, Harmonie und Liebe.
People Pleaser-Test: Bist du zu nett für die Welt?
Kannst du die folgenden Punkte mit einem Ja beantworten?
- Man hat dich bereits ausgenutzt.
- Du tust was du kannst, um Konflikte zu vermeiden.
- Du bist nicht nachtragend und verzeihst schnell.
- Was andere von dir halten, ist dir sehr wichtig.
- Du kannst nicht Nein-Sagen.
- Das hast Angst, die Menschen in deinem Umfeld zu enttäuschen.
- Du hast deine eigenen Bedürfnisse schon mehr als einmal hintenangestellt.
- Du stimmst Dingen zu, obwohl du das eigentlich gar nicht willst.
- Deine Meinung stellst du schon mal hinten an.
- Du fühlst dich verantwortlich, wenn es jemandem, der die nahe steht schlechtgeht.
- Dir gefällt das Gefühl, gebraucht zu werden.
- Du bist stolz darauf, dass andere immer auf dich zählen können.
- Andere kommen mit ihren Problemen zuerst zu dir.
- Du entschuldigst dich, auch wenn dich keine Schuld trifft.
- Erwartungen, die andere an dich haben, erdrücken dich.
- Du hast schon mehr als einmal eigene Pläne über Bord geworfen, um anderen zu helfen.
- Deine eigenen Gefühle schluckst du oft runter.
- Wirst du kritisiert, nagt das wochenlang an dir.
- Deine eigenen Überzeugungen wirfst du auch schon mal über Bord.
- Du ernährst dich von der Bestätigung anderer.
Wie hört man auf, es allen recht machen zu wollen?
Es wäre leicht zu sagen, dass People Pleaser einfach genau so bleiben sollen, wie sie sind und dass nur die Narzissten dieser Welt sich ändern müssen. Psycholog:innen warnen jedoch davor und meinen, dass People Pleaser den eigenen Anteil an einer toxischen Beziehung erkennen müssen. Wie so oft gilt also auch hier das Sprichwort: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Um sich davon zu lösen, es immer allen recht machen zu wollen und vor allem, um sich aus toxischen Beziehungen zu verabschieden, muss man sich außerdem klare Grenzen setzten. Der Paartherapeut Christian Hemscheimer hat dafür ein Konzept entwickelt: das der Standards und der Dealbreaker. Standards sind normale Erwartungen an eine Beziehung. Zum Beispiel kann ein Standard einer Liebesbeziehung sein, dass man sich zwei Mal in der Woche sieht. Im Übrigen lässt sich dieses Modell auf alle zwischenmenschlichen Beziehungen anwenden.
Dealbreaker sind dagegen absolute No-Gos, die man individuell für sich aufstellt und die direkt dafür sorgen, dass man eine Beziehung beendet: Körperliche Gewalt oder Fremdgehen können solche Dealbreaker beispielsweise sein. Sie sind also das rote Tuch, das jede Beziehung scheitern lässt. Und die sollten ohne Umstände eingehalten werden.
Das gute an diesem Modell ist, dass es völlig egal ist, welche Befindlichkeiten oder Ausreden der andere hat. Dieses Modell ist kompromisslos und sortiert alle Menschen aus, die sich nicht an die eigenen Wünsche und Erwartungen halten – jedenfalls dann, wenn man sich daranhält. Das Konzept soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn man wieder merkt, dass man sich zu sehr um den anderen als um sich selbst kümmert. Ziel eines jeden People Pleasers muss in letzter Konsequenz sein, den Fokus völlig auf sich zu richten. Wer versteht, dass man es nie allen recht machen wird, hat bereits den ersten wichtigen Schritt getan.
Diese Psychologie-Themen solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen: