Neben starken feministischen Vorbildern wie Margarete Stokowski oder Sophie Passmann und Bewegungen wie der #aufschrei-Debatte lässt sich gleichzeitig ein erstarkender Antifeminismus in Deutschland feststellen.
Antifeminismus: Was bedeutet das eigentlich?
Der Begriff Antifeminismus fasst laut der Amadeu Antonio Stiftung alle soziale Bewegungen sowie alle gesellschaftlichen, politischen, akademischen und religiösen Strömungen zusammen, welche sich organisiert gegen Feminismus richten. Diese Bewegungen und Strömungen wenden sich gegen feministische Anliegen wie die Beseitigung von Sexismus, die Realisierung von Gleichberechtigung, sexuelle Vielfalt oder die Stärkung weiblicher Selbstbestimmung.
Beim Antifeminismus vernetzen sich extreme Rechte, Konservative und die selbsternannte gesellschaftliche Mitte. Antifeministinnen und Antifeministen sind überzeugt von einer traditionellen Geschlechterordnung: Männer sind das stärkere Geschlecht, Frauen das schwächere. Dementsprechend müssen sie unterschiedliche Rollen in der Gesellschaft übernehmen.
Antifeminismus kann dabei auch in gefährliche Richtungen abdriften: Sexualisierte Gewalt, Femizide (Frauentötungen) und Terrorismus sind nur einige der Folgen von extremen Frauenhass.
Antifeminismus: Aktuelle Entwicklungen
Antifeminist*innen werten kinderlose Frauen häufig ab und machen sie für den Geburtenrückgang in Deutschland verantwortlich. Sie sprechen gerne vom sogenannten Gender-Wahn. Der Begriff Gender-Wahn wertet Gleichstellungsmaßnahmen und alle Bemühungen, eine gendergerechte Sprache zu etablieren, als übertrieben ab.
Antifeministische Plattform “ScienceFiles”
ScienceFiles ist eine antifeministische Plattform, die sich angeblich kritisch mit Wissenschaft auseinandersetzt, aber eher in die Kategorie Pseudo-Wissenschaft fällt. Gender-Kritik wird mit dem Klimawandel verknüpft, wie in der Publikation wie Die Klimahysterie ist weiblich. Ein typisch rechtes Phänomen, welches ScieneFiles bedient.
ScienceFiles hat in einem Beitrag selbst angegeben den Blog PI-News zu lesen, der ebenfalls als rechtsextrem eingestuft wird. Darüber hinaus nutzen viele rechte Blogs die Thesen von ScienceFiles-Betreiberin Heike Diefenbach und binden Aussagen von ihr als Gastbeitrag ein.
Wikipedia und Wikimannia
Egal, welcher Suchbegriff: Das digitale Lexikon Wikipedia ist bei den meisten Wörtern unter den ersten Treffern und unter den fünf beliebtesten Internetseiten weltweit. Die Online-Enzyklopädie lebt von den Beiträgen der Nutzer, die viel Zeit in das Recherchieren und Schreiben der Artikel investieren.
In Österreich ist die Wikipedia-Szene vergleichsweise klein. Das nutzen konservative und rechte Kräfte, um Beiträge zu manipulieren. Der österreichische Blog Kontrast.at deckte kürzlich auf, dass es in der österreichischen Wikipedia-Szene gerade einmal 57 sehr aktive User gibt, die mehr als 100 Bearbeitungen pro Monat durchführen.
Einer dieser Nutzer ist der User Benqo, der mehr als 11.000 Änderungen in der Wikipedia durchgeführt hat. Er schwächt Kritik an der rechtspopulistischen, antifeministischen FPÖ ab, löscht kritische Bemerkungen zu rechtsextremen Medienprojekten und entfernt kritische oder linke Medienquellen.
Online-Antifemismus bei Wikipedia
Gleichzeitig sind bei Wikipedia Frauen und Artikel über Frauen deutlich unterrepräsentiert, nur schätzungsweise 10-20 % sind von Frauen geschrieben und lediglich 18 % der biografischen Artikel sind über Frauen.
Wikimannia ist ein Online-Lexikon in Wikipedia-Optik, aber mit einer gänzlich anderen Ausrichtung als die beliebte Enzyklopädie. Laut eigenen Angaben will Wikimannia “eine feminismusfreie Ergänzung zum Informationsangebot des Internets” bieten und tritt offen als frauenfeindlich auf. Das Portal bezeichnet den Geschlechterforscher Thomas Gerstenkamp beispielsweise als lila Pudel, der sich auf Femi-Naziteffen rumtreibt und taz-Autorin Simone Schollack als Hardcore-Feministin. Auch andere Beiträge lassen einen deutlichen Frauenhass erkennen.
Mittlerweile gibt es ungefähr 5.500 Beiträge auf der Antifeminismus-Seite, von denen der Großteil deutschsprachig ist. Aktuell steht die Online-Enzyklopädie kurz vor dem finanziellen Aus, weshalb die Betreiber Ende 2019 einen großen Spendenaufruf starteten .
Rechtspopulistische Parteien
Rechtspopulistische Parteien wie die AfD setzen sich kontinuierlich für Antifeminismus ein. 2017 hat die Partei ihre Überzeugungen auch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl festgehalten: “Gender-Ideologie marginalisiert naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern und stellt geschlechtliche Identität in Frage”.
An anderer Stelle heißt es im gleichen AfD-Wahlprogramm: “Wir lehnen daher Bestrebungen […] ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen z.B. für Frauen, Propaganda-Aktionen wie den „Equal Pay Day“ oder die „geschlechterneutrale Sprache“ umzusetzen”.
Passend zum Wahlprogramm hat die AfD wiederholt Anträge zur Abschaffung von geschlechtergerechter Sprache gestellt. AfD-Politikerin Nicole Höchst fällt darüber hinaus immer wieder mit Antifeminismus-Bemerkungen wie “Gleichstellungstotalitarismus” am Weltfrauentag oder einem Merkel-Hitler-Vergleichen kürzlich in einem ZDF-Interview auf.
Feministische Anliegen wie die sexualisierte Gewalt an Frauen werden von der Partei lediglich zur Sprache gebracht, wenn sie rassistisch instrumentalisiert werden können, beispielsweise in Parolen wie “Gewalt gegen unsere Kinder und Frauen”.
Rechter Terror
Im Oktober 2019 versuchte der Halle-Attentäter an Jon Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, einen Massenmord an Juden zu verüben. Auffällig war, dass der Attentäter einen Zusammenhang zwischen der Massenmigration, dem Judentum und dem Feminismus zog.
In seinem selbst aufgenommen Video hieß es “Mein Name ist Anon, und ich glaube, der Holocaust hat nie stattgefunden, der Feminismus ist an der sinkenden Geburtenrate im Westen schuld, die die Ursache für die Massenimmigration ist, und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude.”
Seinem Gedankengang zufolge sind sowohl Juden für die Massenbewegungen verantwortlich als auch der Feminismus, da dieser angeblich zu einem Bevölkerungsrückgang führt. Er empfindet Feminismus damit als eine Bedrohung von innen. Damit führt er die Gedanken anderer rechtsextremer Attentäter fort.
Setz dich gegen Antifeminismus ein!
Die Bemühungen zur Gleichstellung der Frau gingen schon immer mit Gegenbewegungen einher. Auch aktuell geben konservative und rechtsextreme Kräfte dem Feminismus die Schuld für wirtschaftliche und soziale Probleme. Mit Hilfe von sozialen Netzwerken und Blogs können Antifeministen und Antifeministinnen ihre Ansichten dabei noch weiter verbreiten.
Um diesen Positionen entgegenzutreten zu können, bietet die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen Argumentationshilfen gegen Antifeminismus an. So kannst du dich online und offline für eine vielfältige und geschlechtergerechte Gesellschaft einsetzen.
Der aktuelle Global Gender Gap Report gibt an, dass besonders weibliche Vorbilder ein wichtiger Faktor für die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind. Also lass dich von unseren weekly heroines wie Maragerethe Stokowski oder der Comic-Heldin Priya inspiriren, selbst gegen Antifeminismus aktiv zu werden!