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Welt-Tuberkulose-Tag: „Ohne Behandlung stirbt jeder dritte Betroffene“

Jedes Jahr fordert Tuberkulose das Leben von mehr als einer Million Menschen. Hierzulande wird die Infektionskrankheit jedoch nur selten thematisiert. „Da ist der Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März ein guter Anlass, um darauf aufmerksam zu machen“, erklärt Mediziner Sebastian Dietrich im Interview.

Tuberkulose betrifft häufig die Lunge.. © SewCream / Shutterstock.com
Tuberkulose betrifft häufig die Lunge.. © SewCream / Shutterstock.com

Tuberkulose kommt in Deutschland nur selten vor. Dennoch ist es wichtig, auch hierzulande über die bakterielle Infektionskrankheit zu sprechen, findet auch Sebastian Dietrich, medizinischer Berater der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). Weltweit infizieren sich jährlich etwa zehn Millionen Menschen mit Tuberkulosebakterien, mehr als eine Million sterben daran. Zum Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März klärt Dietrich im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news über das Krankheitsbild, die Folgen und die Behandlungsmöglichkeiten auf.

In Deutschland hören wir nur selten etwas von Tuberkulose. Dennoch sterben jährlich Millionen Menschen daran. Wie sieht diese Erkrankung aus?

Sebastian Dietrich: Die Tuberkulose (TB oder TBC, früher auch als Schwindsucht bezeichnet), ist eine Infektionskrankheit, die die Lunge, aber auch andere Organe betreffen kann, ebenso Knochen und Gelenke.

Wie häufig tritt Tuberkulose hierzulande auf?

Dietrich: 2019 wurden dem Robert Koch Institut 4.791 Tuberkulosefälle in Deutschland gemeldet.

Warum hören wir hier so selten etwas davon?

Dietrich: Das hat zwei Gründe: Zum einen ist Tuberkulose in Deutschland im Vergleich zu anderen Krankheiten selten geworden. Von etwa 17.000 Menschen erkrankt jährlich ein Mensch an Tuberkulose, im Vergleich werden von 17.000 Menschen jährlich etwa 22 am Knie operiert, da hört man natürlich öfter von Knieoperationen oder anderen Krankheiten. Zum anderen ist Tuberkulose auch in Deutschland nach wie vor eine Krankheit der Armut: Sie betrifft vor allem Menschen, die in unseren Gesellschaften kaum sichtbar sind und denen wir selten zuhören. Wohnungslose zum Beispiel.

Wie wahrscheinlich ist es, hierzulande an Tuberkulose zu erkranken?

Dietrich: Das Risiko ist für die Allgemeinbevölkerung gering. Da Tuberkulose hier nicht mehr so häufig vorkommt, ist auch das Risiko, sich anzustecken, niedrig. Ein Mensch mit einem gesunden Immunsystem wird zudem auch nach der Ansteckung wahrscheinlich nicht an Tuberkulose erkranken. Wenn das Immunsystem allerdings beeinträchtigt ist, zum Beispiel aufgrund unbehandelter Erkrankungen wie Diabetes oder einer HIV-Infektion oder weil jemand unterernährt ist, steigt das Risiko an.

Was sind die ersten Anzeichen einer Infektion?

Dietrich: Meistens ist das erste Symptom ein Husten, der über mehrere Wochen anhält. Hinzu kommen später Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, ein allgemeines Schwächegefühl und eventuell leichtes Fieber.

Wie breitet sich die Infektionskrankheit aus?

Dietrich: Der Übertragungsweg ist der gleiche wie bei einer Covid-19-Infektion. Die Ansteckung mit den Bakterien erfolgt in der Regel durch das Einatmen kleiner Tröpfchen, die von einer erkrankten Person ausgehustet werden.

Was sind die Ursachen?

Dietrich: Die Ursache sind Bakterien: Mycobakterium tuberculosis. Bei einem intakten Immunsystem können die Bakterien Jahrzehnte im Körper überdauern, ohne, dass Betroffene erkranken. Jeder dritte Mensch weltweit, so schätzt man, trägt den Erreger in sich. Doch wie schon erwähnt, kann ein gutes Immunsystem die Bakterien nach einer Infektion meist in Schach halten. Wenn das Immunsystem geschwächt wird, kann es die Infektion nicht mehr kontrollieren. Dann kommt es zu einer Tuberkuloseerkankung.

Wie kann man sich vor einer Infektion schützen?

Dietrich: Das Risiko, sich in Deutschland anzustecken, ist sehr gering. Es sei denn, man behandelt selbst Tuberkulose-Patienten oder arbeitet beruflich mit Menschen zusammen, die wegen ihrer sozialen Situation eher an Tuberkulose erkranken. Dann kann man sich durch das Tragen von FFP2-Masken schützen. Bei einem Urlaub in Ländern, in denen auch heute noch Tuberkulose verbreitet ist, sollte man sich des Risikos bewusst sein und bei einem länger anhaltenden Husten nach der Rückkehr schnell einen Arzt aufsuchen.

Wie wird Tuberkulose behandelt und ist die Krankheit heilbar?

Dietrich: Ja, Tuberkulose ist heute mit Antibiotika gut behandelbar, insbesondere wenn die Krankheit frühzeitig diagnostiziert wird. Allerdings sind die Tuberkulosebakterien ziemliche Überlebenskünstler, die sich gut im Körper verstecken können. Daher muss eine Behandlung immer mit einer Kombination aus mindestens vier wirksamen Medikamenten über mindestens sechs Monate durchgeführt werden. Werden weniger Medikamente verwendet oder wird die Therapie vorzeitig abgebrochen, können die Bakterien eventuell überleben und Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln. Ohne Behandlung stirbt jeder dritte Betroffene. Von den Überlebenden behält jeder Zweite bleibende Schäden an den inneren Organen.

Wo ist Tuberkulose am weitesten verbreitet?

Dietrich: Tuberkulose betrifft besonders Menschen, die in Armut leben. Mangelernährung, schlechte Hygienebedingungen, enge Wohnverhältnisse und anhaltender Stress begünstigen eine Erkrankung. Daher kommt die Krankheit heute sehr häufig in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern vor, vor allem auch in dichtbevölkerten Slums, in Flüchtlingscamps und zum Beispiel auch in Gefängnissen. Die WHO schätzt, dass etwa zehn Millionen Menschen jährlich an Tuberkulose erkranken und etwa 1,4 Millionen Menschen pro Jahr an der Krankheit sterben. Besonders beunruhigend ist, dass eine Form der Tuberkulose, die gegen viele Medikamente resistent ist, in den letzten Jahren sehr stark in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion vorkommt.

Sollte man Ihrer Meinung nach hierzulande häufiger über die Infektionskrankheit sprechen?

Dietrich: Ja, denn unbehandelt ist Tuberkulose nach wie vor eine sehr gefährliche Krankheit. Da ist der Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März ein guter Anlass, um darauf aufmerksam zu machen. Vor allem aber ist TB global betrachtet ein riesiges Gesundheitsproblem, das nicht nur viele Menschenleben fordert, sondern auch immensen wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Wie bei Corona auch, müssen wir als Weltgemeinschaft aktiv werden und sektorübergreifend zusammenarbeiten. Beispielsweise gibt es auch heute noch keine gute wirksame Impfung, die vor einer Infektion schützen kann, und die Therapie ist immer noch sehr langwierig. Da fehlt es an Forschung.

Was sind die Ziele der DAHW – auch in Bezug auf den Welt-Tuberkulose-Tag?

Dietrich: Als Spezialisten für armutsbedingte und vernachlässigte Krankheiten wissen wir: Der einzige Weg, die Tuberkulose nachhaltig zu eliminieren, ist es, die Lebensverhältnisse der Menschen insgesamt zu verbessern – denn Medikamente alleine werden nicht helfen. In unseren Projekten arbeiten wir eng mit den nationalen TB-Kontrollprogrammen, lokalen Partnerorganisationen und betroffenen Gemeinden zusammen. Wir unterstützen beim Aufbau der Kapazitäten, beispielsweise durch Schulungen des Personals, durch technisch-medizinische Ausstattung und bei der aktiven Fallsuche in entlegenen Regionen. Gleichzeitig sensibilisieren wir für TB, um dem großen Stigma der Krankheit entgegenzuwirken, und begleiten Patient*innen während der anstrengenden Behandlung. Das alles ist uns nur mithilfe von Spendengeldern möglich. Um diese zu erhalten, müssen die Menschen von der weltweiten Verbreitung der Tuberkulose und von unserer Arbeit erfahren. Da helfen Anlasstage wie der Welt-Tuberkulose-Tag.

(eee/spot)