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Techniker Krankenkasse veröffentlicht Statement zu Porno: Diese Worte machen die User sauer

Die Techniker Krankenkasse hat ein Statement zu ihrem „Aufklärungs-Porno“ gepostet. User:innen reagieren sauer. Lies hier, was sie kritisieren.

TK Porno Hodenkrebs
Die Techniker Krankenkasse hat einen Porno gedreht, zur Hodenkrebs-Vorsorge versteht sich.

Die Techniker Krankenkasse hat die Pornodarstellerin Anny Aurora gecastet und einen Film veröffentlicht, der auf den ersten Blick wie ein Lustfilmchen wirkt. Auf den zweiten Blick wird jedoch schnell klar: Hierbei soll es sich um Aufklärung handeln – und zwar darüber, wie man die Hoden eines Mannes im Zuge der Krebsvorsorge abtasten kann. Nutzer:innen in den sozialen Medien zeigten sich entsetzt und drohten mit Kündigung. Die TK reagierte mit einer Stellungnahme – doch die scheint alles noch schlimmer zu machen …

„Die Hoden abtasten – so geht’s richtig“

Anmerkung der Redaktion: Das Video zur Kampagne wurde auf der Seite der Techniker Krankenkasse mittlerweile entfernt und auch der Ankündigungspost zur Kampagne wurde auf Instagram durch eine Stellungnahme seitens der TK ersetzt. Hier distanziert man sich klar von dem Sexismusvorwurf, schreibt aber auch: „Wenn auch nur ein Hodenkrebsfall durch diese Aktion rechtzeitig erkannt und erfolgreich behandelt wird, hat sie sich gelohnt!“ Auf YouTube ist das Video weiterhin zu finden:

https://www.youtube.com/watch?v=rhmU5K7vVuU

Der Clip beginnt wie ein gewöhnlicher, wenn auch schlechter Porno: Der neue Nachbar klopft an der Tür. Eine knapp bekleidete Frau öffnet ihm und kurz darauf knutschen die beiden wild auf der Couch. Doch was dann kommt, passiert selten im Porno. Die junge Frau tastet dem Mann die Hoden ab – und zwar nicht zu seiner Befriedigung, sondern um über die Früherkennung von Hodenkrebs aufzuklären.

Die TK möchte mit diesem Video auf eine der häufigsten Krebserkrankungen bei jungen Männern aufmerksam machen. Da es für Hodenkrebs keine gesetzliche Früherkennung gibt, sollen Männer präventiv dazu angehalten werden, sich monatlich selbst abzutasten.

In der jugendfreien Version, welche auf der Seite der Techniker Krankenkasse zu finden war, stoppt das Bild, kurz bevor der Mann seine Hosen runterlässt. Die Pornodarstellerin Anny Aurora demonstriert das richtige Abtasten hier anhand einer Silikonform und erklärt Schritt für Schritt, wie man sich abtasten soll.

„Am besten kannst du die Untersuchung nach einer warmen Dusche oder einem warmen Bad machen, weil dort die Haut des Hodensacks am meisten entspannt und die Hoden am besten zu fühlen sind“, rät die Pornodarstellerin. Wer mehr über Anny Aurora erfahren möchte, wird hier fündig.

Gegenüber RTL betont der Urologe und Professor Klaus-Peter Dieckmann, wie wichtig eine solche Früherkennung durch eigenes Abtasten ist: „Wenn ein Hodentumor noch sehr klein ist, dann hat er meist noch nicht gestreut und man kann ihn viel besser behandeln, als wenn er faustgroß ist. Dann ist die Heilung schon schwieriger.“ Und so rät die Techniker Krankenkasse, dass man bereits ab dem 20. Lebensjahr mit der regelmäßigen Selbstuntersuchung starten sollte.

Ist das noch Aufklärung oder schon Sexismus? So reagiert das Netz

Eine Sprecherin der TK, Maike Bangartz, erklärt im Interview mit RTL, dass man sich für diese recht spezielle Art, das wichtige Thema der Krebsvorsorge, anzusprechen entschieden habe, „um das Ganze locker verpackt rüberzubringen und um dort stattzufinden, wo unsere Zielgruppe ist. Wir verstehen uns als Gesundheitspartner. Wir wollen den Männern dort begegnen, wo sie sind.“

Man möchte Männern dort begegnen, „wo sie sind“. An dieser Stelle muss man sich unweigerlich fragen, ob denn wirklich alle Männer auf Pornowebsites unterwegs sind oder ob diese Annahme sexistisch ist. Zumindest wird darüber hitzig in den sozialen Medien diskutiert. So meldete sich unter anderem @wastarasagt mit einem kurzen Reel auf Instagram zu Wort. Sie sagt: „Diese Werbung der TK ist sexistisch und nicht witzig, weil sie sexistisch und nicht witzig ist!“

Mitglieder drohen mit Kündigung

Unter diesem Beitrag finden sich zahlreiche Kommentare von Nutzer:innen, die deutlich zeigen, dass der TK hiermit weniger ein „Coup“ gelungen ist, als vielmehr ein Shitstorm. So schreibt eine Nutzerin: „1950 hat angerufen und will seinen Sexismus zurück. Danke Tara, Kündigung ist raus.“ Und auch andere Nutzer:innen meinen, dass sie der Techniker Krankenkasse ihr Entsetzen per Mail geäußert haben und gar einen Wechsel der Versicherung in Erwägung ziehen.

Auch Louisa Dellert meldete sich unter dem Posting der Techniker Krankenkasse zu Wort: „Bitte das nächste Mal von einer anderen Agentur beraten lassen oder nochmal im Kollektiv über die Postings entscheiden. Ich denke, dass es nicht eure Absicht war. Aufklärung ist super wichtig & der Humor dabei auch. Aber nicht so.

Das Kernproblem sehen die Nutzer:innen darin, dass zwar ein wichtiges Thema bedient wurde, jedoch leider auf „undiverse, unkreative und sexistische“ Art und Weise. So fragen sich manche völlig zu Recht, warum dieses Thema erotisiert werden musste und warum eine Frau nun für das Abtasten des Hodens verantwortlich gemacht wird.

So reagiert die Techniker Krankenkasse

Die TK hat sowohl das Video als auch den Post auf Instagram entfernt. Die Pornodarstellerin Anny Aurora hat den Post dagegen noch nicht entfernt. Außerdem hat die TK eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es heißt: „Eines möchten wir vorweg gerne deutlich machen: Diversität, Gleichstellung und respektvolles Miteinander sind uns sehr wichtig. Sexismus in jeglicher Form lehnen wir ab.“

Die Techniker Krankenkasse gesteht ein, dass sie für das wichtige Thema der Hodenkrebsvorsorge mehr Aufmerksamkeit schaffen wollten und daher einen „ungewöhnlichen Ansatz gewählt und die Aufklärung darüber in einem pornografischen Umfeld platziert“ hat. Weiter schreibt sie: „Uns war bewusst, dass dieser ungewöhnliche Ansatz für Diskussionen sorgt. Wir verstehen, dass das zu Irritationen führen kann, halten das Thema aber für so wichtig, dass es auch in diesem Umfeld angesprochen werden sollte.“

Die Worte und die Taten der Techniker Krankenkasse stehen im Kontrast zueinander. Zum einen rechtfertigt sich das Unternehmen und verpasst die Chance, sich zu entschuldigen. Das Video wurde allerdings zumindest auf der Website und auf Instagram entfernt, was als Zeichen der Einsicht verstanden werden kann.

Die Stellungnahme gießt Öl ins Feuer

Auch die Kommentare unter der Stellungnahme sind zwiegespalten.
Während manche betonen, dass sie das Video nicht sexistisch, sondern wichtig finden, schreibt eine Nutzerin: „Dieses Kalkül auch. Wir produzieren absichtlich eine Werbung, von der wir bereits wissen, dass sie viele Menschen verletzt, aber wir nehmen uns das raus, weil wir unser Anliegen für wichtiger halten. Da wird einem echt schlecht.

Andere Nutzer:innen belassen es bei einem kurzen „LOL“ oder schreiben erzürnt: „Dass man den gestrigen Post nochmal toppen kann, war mir vor diesem echt nicht klar.“ Auch @wastarasagt, die sich zuvor über das Video auf Instagram und auf LinkedIn ausließ, kommentiert kurz und knapp. Sie schreibt: „Och manno.“

Konstruktiver fällt der Kommentar dieser Nutzerin aus: „Es geht nicht darum, dass ihr einen „ungewöhnlichen“ Ansatz gewählt habt. Es geht darum, dass ihr einen absolut sexistischen Ansatz gewählt habt. Vielleicht wäre es mal wichtig darüber nachzudenken, warum ihr glaubt, dass ihr „junge Männer“ nur durch diese absoluten sexistischen Stereotype erreicht?“

Auch ein nächster Post fasst zahlreiche kritische Stimmung gut zusammen: „Ja, das Thema Hodenkrebs ist wichtig, keine Frage. Dass durch solch „ungewöhnliche Ansätze“ aber eben Sexismus reproduziert wird und Frauen vor allem als Sexobjekte wahrgenommen werden, verschärft doch aber ein anderes Problem.“

„Das Problem ist nicht der ‚ungewöhnliche Ansatz‘ Pornodarsteller*innen zu casten, sondern u.a. die sexistische Darstellung derselben und die Sexualisierung einer medizinischen Untersuchung. Irgendwie ist nichts der geäußerten Kritik bei euch angekommen, why?“, schreibt eine weitere Nutzerin. Diese Frage lassen wir nun einfach mal im Raum stehen und sind gespannt auf die weiteren Schritte der Techniker Krankenkasse.

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