Es ist ein Dienstjubiläum wie für die Ewigkeit. Am 6. Februar sitzt Queen Elizabeth II. (95) seit 70 Jahren auf dem Thron – in der über 1000-jährigen Chronik der englischen Monarchie ein All-Time-Rekord.
In der gesamten Weltgeschichte erreichten nur drei weitere Monarchen diese magische Zahl: Der persische Großkönig Schapur II. (309-379) „schaffte“ 70 Jahre, war aber von Geburt an Herrscher; Bhumibol Rama IX. (1927-2016) war 70 Jahre und 126 Tage König von Thailand; der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) herrschte sogar 72 Jahre und 110 Tage über Frankreich, allerdings wurde er bereits als Vierjähriger inthronisiert und bis zu seinem 13. Lebensjahr war seine Mutter, Anna von Österreich (1601-1666), die offizielle Regentin. Rein statistisch ist die Queen also eine historische Einmaligkeit.
Hinter ihr liegen schwierige Zeiten
Der Tag, an dem Elizabeth Alexandra Mary Windsor Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland wurde, war der bis dahin schlimmste und traurigste in ihrem jungen Leben. An jenem 6. Februar 1952 war sie 25, seit 1947 mit Philip (1921-2021), dem Duke of Edinburgh, verheiratet und zweifache Mutter (Prinz Charles, damals 3 und Prinzessin Anne, damals 1).
Elizabeth war zu diesem Zeitpunkt nicht nur auf Rosen gebettet. Am liebsten wäre die junge Frau Tierärztin geworden oder Landwirtin, die mit ihrer Familie, den Pferden und Hunden irgendwo auf dem Land lebt und dort glücklich ist. Auf den englischen Thron war sie nie erpicht, er war eine Pflicht, mehr noch: eine schwere Bürde, die ihr schicksalhaft zufiel und die sie sich nicht aussuchen konnte.
Bereits als Kind hatte sie miterlebt, wie 1936 ihr Onkel Edward VIII. (1894-1972) nach nur elf Monaten als König (und Oberhaupt der anglikanischen Kirche) abdankte, weil ihm nicht erlaubt wurde, die (geschiedene) Frau zu heiraten, die er liebte. Stattdessen wurde ihrem Vater George (1895-1952) die Krone aufgesetzt, was der sich auch nicht ausgesucht hatte. Damit war Elizabeth auf einmal Thronfolgerin.
Es war eine schwere Zeit, in der George VI. regieren musste: England befand sich im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland, London war regelmäßig deutschen Luftangriffen ausgesetzt, auch die königliche Familie musste mit den zugeteilten Lebensmittelrationen auskommen. Mit 14 hielt Elizabeth ihre erste Rundfunkansprache und wandte sich an die Kinder, die aus den Städten evakuiert wurden.
Sie übernahm die Aufgaben des kranken Königs
An ihrem 21. Geburtstag versprach die Kronprinzessin im Rundfunk, ihr ganzes Leben, „sei es lang oder kurz“, in den Dienst des Volkes und des britischen Empires zu stellen. Es waren ernsthafte Worte einer blutjungen Frau, die wusste, dass ihr keine märchenhafte Zukunft bevorstand.
Das ist die Situation vor jenem 6. Februar 1952. Der König, für Elizabeth und ihre jüngere Schwester Margaret (1930-2002) ein nachsichtiger und liebevoller Vater, ist seit längerer Zeit todkrank. Der Kettenraucher leidet an Lungenkrebs, Elizabeth muss für ihn Repräsentationsaufgaben wahrnehmen, sie fliegt zum Beispiel nach Kanada und trifft in den USA Präsident Harry S. Truman (1884-1972). Die nächste Reise soll nach Australien, Fidschi und Neuseeland gehen, zunächst aber nach Kenia.
Die Prinzessin fliegt mit Philip, die Kinder sind zu Hause geblieben. Elizabeths Freundin Pamela Mountbatten (92), eine Cousine ihres Mannes, berichtet der Süddeutschen Zeitung: „Am 31. Januar 1952 brachen wir in London auf. Ein müder König verabschiedete uns am Flughafen. Eigentlich sollte er die Reise unternehmen, aber weil er sich nicht gut fühlte, hatte er seine älteste Tochter geschickt. Es war das letzte Mal, dass wir George VI. erlebten. Wir – das waren Prinzessin Elizabeth, Prinz Philip, ein Kammerdiener, eine Garderobiere und Commander Mike Parker, Philips Adjutant. Elizabeth hatte mich in einem Brief gebeten, sie zu begleiten, und versprochen, dass wir Spaß haben und auch miteinander giggeln würden.“
In Nairobi besucht Elizabeth ein nach ihr benanntes Hospital und nimmt weitere offizielle Termine wahr. Dann fährt die britische Delegation zur Sagana Lodge am Fuß des Mount Kenya, die Elizabeth und Philip zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten. Lady Pamela erzählt: „Es waren wunderbar entspannte Tage, teils gemeinsam, teils getrennt: Philip und Mike gingen manchmal fischen, während sich Elizabeth und ich Polizeipferde liehen und wir ausritten.“
Die Gruppe fährt zum Treetops Hotel, das inmitten der überwältigenden Natur des Aberdare-Nationalparks liegt, ein Höhepunkt der Reise: Man übernachtet in einem Baumhaus, Elizabeth filmt Waldelefanten, erlebt einen traumhaften Sonnenuntergang und beobachtet die halbe Nacht wilde Tiere im fahlen Mondlicht. Lady Pamela: „Sie war ganz außer sich vor Freude.“
Sie erfuhr erst spät von Tod ihres Vaters
Am Morgen des 6. Februar, so beschreibt es der britische Historiker Hugo Vickers in der Zeitung „The Telegraph“, fahren die Prinzessin und ihre Begleitung zurück zur Sagana-Lodge.
Zur gleichen Zeit wollen in England Bedienstete ihren Monarchen in der königlichen Residenz Sandringham zum Frühstück wecken – und finden den 56-Jährigen tot im Bett vor. Premierminister Winston Churchill (1874-1965) wird informiert, um 10:45 Uhr Ortszeit erfährt das Volk via Rundfunk: „Der König, der sich letzte Nacht in seinem üblichen Gesundheitszustand zurückgezogen hat, ist heute früh im Schlaf friedlich verstorben.“
Da ist es in Kenia 13:45 Uhr, und Elizabeth ahnt nichts von dem dramatischen Geschehen in England. In der Sagana-Lodge wird dem Thronfolger-Paar der Lunch serviert, danach sitzen Elizabeths nachgereister Privatsekretär Martin Charteris und der Hotelmanager Norman Jarman bei einem Sherry zusammen, als sie ein Anruf des Herausgebers der Zeitung „Nairobi Standard“ erreicht. Der Mann teilt ihnen mit, dass über Fernschreiber die Nachricht vom Tod des Königs eingetroffen sei und ob die Prinzessin das bestätigen könne.
Als sich schließlich ein weiterer Journalist meldet und ebenfalls um eine Bestätigung der Todesnachricht bittet, ruft der Hotelmanager den Buckingham Palast an. Dort ist man schockiert, dass die Thronfolgerin immer noch nicht über den Tod des Vaters informiert wurde.
Der Buckingham Palast hatte zuvor eine verschlüsselte Nachricht an den britischen Gouverneur in Nairobi geschickt, doch er war verreist und hatte den Verschlüsselungscode mitgenommen.
Inzwischen hat Philips Adjutant Mike Parker ein Radiogerät eingeschaltet und hört Trauermusik auf BBC. Das sagt alles. Parker geht zu seinem Chef, der sich zur Mittagsruhe zurückgezogen hat. „Als Philip es von Mike erfuhr, wurde er bleich. Er ließ die Zeitung auf sein Gesicht sinken und blieb so bestimmt 15 Minuten lang liegen“, so schildert es Pamela Mountbatten.
Elizabeth wird mit 21 Jahren Königin
Schließlich geht Philip zu seiner Frau, nimmt sie in den Arm und führt sie in den Garten. Sie spazieren lange auf und ab und sprechen miteinander. Elizabeth weiß jetzt endlich, dass ihr geliebter Vater gestorben ist, zusätzlich wird ihr eine überschwere Last auferlegt: Sie weiß auch, dass sie laut Act of Settlement von 1701 von sofort an Königin ist. Als ihr Privatsekretär Charteris sie fragt, welchen Namen sie als Königin wähle, antwortet sie: „Meinen eigenen natürlich!“
Als Elizabeth dann vor Pamela steht, fällt die ihr spontan um den Hals. Hinterher fragt sie die Freundin: „Was mache ich da? Ich durfte die Königin doch nicht umarmen! Ich entschuldigte mich und machte eine Verbeugung. Sie kommentierte das nicht.“
Es folgt ein hektischer Aufbruch. Die Gruppe wird über holprige Pisten zum Flughafen nach Nyeri gefahren, unterwegs winken in zahllosen Dörfern die Menschen der neuen Königin zu. Die Nachricht hatte sich in Windeseile auf dem gesamten afrikanischen Kontinent verbreitet.
Der Flug geht zunächst nach Entebbe in Uganda, dort herrscht schlechtes Wetter, der Flugkapitän weigert sich zu starten: „Ich habe jetzt eine Königin an Bord, da riskiere ich nichts!“ Schließlich hebt die Maschine Richtung London ab, Elizabeth zieht sich in ihre Kabine zurück. „Ich hoffe, sie hat dort geweint“, sagt ihre Freundin Pamela.
In Trauer auf den Thron
Am nächsten Tag, dem 7. Februar, betritt Elizabeth auf dem Londoner Flughafen zum ersten Mal als Königin englischen Boden. Sie trägt schwarze Trauerkleidung, die ihr der Diener in Afrika besorgt hat, und geht nun auf Premierminister Churchill zu, der unten an der Gangway wartet, gemeinsam mit Gesandten des Accession Councils, des Thronbesteigungsrates.
Am folgenden Tag wird sie im St. James Palast offiziell als Königin proklamiert. Aus Rücksicht auf die Trauer um ihren Vater wird ihre Krönung in der Westminster Abbey erst über ein Jahr später am 2. Juni 1953 stattfinden.
70 Jahre später ist die mittlerweile 95 Jahre alte Königin wie vor ihrer Krönung in Trauer: Erst im vergangenen Frühjahr ist ihr Mann Prinz Philip nach über 73 Ehejahren gestorben. Der wohl gravierendste Todesfall in ihrem langen Leben. Doch bis zu den öffentlichen Feierlichkeiten zu ihrem Thronjubiläum hat sie noch etwas Zeit. Diese werden vom 2. bis 5. Juni stattfinden, also nach dem Trauerjahr.