Olivia Jones (51) ist kein Beziehungsmensch, wie sie in ihrer Autobiografie „Ungeschminkt: Mein schrilles Doppelleben“ (Rowohlt) erzählt. Darin schreibt sie aber auch, dass sie sich einen Partner fürs Leben wünscht. Was der mitbringen muss und wie es Oliver Knöbel erging, bevor es Olivia Jones gab, verrät die Dragqueen im Interview mit spot on news.
Gerade hat für Schlagzeilen gesorgt, dass Sie für Dragqueen Vanity Trash einen Mann suchen. Waren Sie schon erfolgreich?
Olivia Jones: Es gibt einige Bewerber. Für eine Dragqueen gestaltet es sich gar nicht so einfach, einen Partner zu finden. Das weiß ich ja von mir selbst. Da bekommt man zwei Personen zum Preis von einer, nicht nur Vanity, sondern auch Kevin, nicht nur Olivia, sondern auch Oliver. Das ist für viele Partner eine große Herausforderung.
In „Ungeschminkt“ schreiben Sie, dass Sie kein Beziehungsmensch sind, aber auch, dass Sie sich einen Partner fürs Leben wünschten. Was müsste der mitbringen?
Olivia Jones: Mein Partner müsste Olivia und Oliver bändigen können. Er muss sehr selbstbewusst sein, damit er gegen Olivia ankommt. Und er muss Humor haben. Das ist das Wichtigste in meinem Leben. Wer sein Leben nicht mit Humor meistert, hat an meiner Seite nichts zu suchen. Und einen Couchpotato kann ich auch nicht gebrauchen. Ich bin sehr aktiv, bewege mich gerne, mache viel Sport. Da sollte der Partner schon mithalten können. Aber eigentlich habe ich gar keine Zeit für eine Beziehung. Im Grunde ist Oliver mit Olivia verheiratet und hat sogar eine eigene Patchwork-Familie. Die schrillste Deutschlands. Die Olivia-Jones-Family. Wir sind sozusagen die Kellys vom Kiez mit Burlesque-Tänzerinnen, Drag Queens und Kult-Koberern.
Als Sie nach Hamburg gingen, um Travestiekünstlerin zu werden – und nicht Versicherungskaufmann – kam es zum Bruch mit Ihrer Familie. Wie ist das Verhältnis heute?
Olivia Jones: Heute ist das Verhältnis zu meiner Mutter wieder super. Wir fahren sogar regelmäßig zusammen in Urlaub. Damals war das für mich aber sehr schwer und verletzend. Sie hat sich offen für mich geschämt und das auch gezeigt. Es ist für einen jungen Menschen schwierig, wenn er so viel Gegenwind hat, in der Schule, in der Familie. Deshalb musste ich ganz früh lernen, den Gegenwind als Rückenwind zu nutzen, meinem Herzen zu folgen und an mich selbst zu glauben.
Heute verstehe ich, wie schwierig es für meine Familie war, vor allem für meine Mutter, die selbst angefeindet wurde von Freundinnen oder von Eltern meiner Mitschüler. Sie musste sich anhören, dass etwas an ihrer Erziehung nicht stimmen könne bei so einem Kind. Jetzt ist für mich klarer, warum sie mich nicht unterstützt haben, sie hatten Angst und gedacht, dass ich niemals von Auftritten als Travestiekünstlerin leben kann und auf die schiefe Bahn gerate. Im Nachhinein verstehe ich diese Gedanken.
Sie haben in Hamburg tatsächlich auch erst Existenzsorgen und mit Mobbing zu kämpfen gehabt.
Olivia Jones: Viele sahen mich ganz klar als Konkurrenz und haben mir versucht, Steine in den Weg zu legen. Aber das hat mich erst recht angestachelt. Gegenwind, Ausgrenzung und Mobbing bin ich schon mein ganzes Leben lang gewohnt, das kenne ich nicht anders. Ich habe mir einen dicken Panzer zugelegt. Und wir versuchen mit der Olivia-Jones-Familie ein anderes Signal zu setzen, nämlich, dass man miteinander viel weiter kommt.
Wir gehen sogar für das Projekt „Olivia macht Schule“ an Schulen oder auf Kongresse und geben dort mit Unterstützung großer Sponsoren wie Nivea oder Rossmann Nachhilfe in Toleranz, Vielfalt und Respekt. Wir impfen Kinder gegen Hass und Ausgrenzung. Allen voran unsere Olivia-Jones-Familienbotschafterin Veuve Noire. Das macht mich sehr stolz, denn mein Ziel war es immer, dass es andere mal leichter haben als ich zu meiner Zeit.
Sie schreiben auch über Ihre operativen Eingriffe, unter anderem erzählen Sie, wie schmerzhaft es war, sich die Beine verkürzen zu lassen. Haben Sie noch weitere Pläne in diesem Bereich?
Olivia Jones: Erst mal finde ich es ganz wichtig, dass man dazu steht. Alles andere wäre albern, gerade im Entertainment-Business macht das im Grunde genommen jeder. Und viele verleugnen das trotzdem. Man muss aber bei den Eingriffen wirklich mit der Dosierung aufpassen, sonst wird es schnell zur Sucht und man sieht irgendwann aus wie eine Barbiepuppen-Fehlpressung. Man muss sich immer wieder klarmachen, dass es große Eingriffe sind. Geplant habe ich derzeit nichts, aber wenn irgendetwas abfällt oder absackt, dann versuche ich es wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.
Haben Sie Ihre Nasenkorrektur schon hinter sich gebracht?
Olivia Jones: Ich kam mir vor wie Michael Jackson für Arme, als mein Nasenchirurg anrief und sagte, dass er ein Bild von mir gesehen habe und meine Nase abgesackt sei. Das muss ich tatsächlich noch machen lassen, ich schiebe es noch vor mir her. Aber zumindest ist es umsonst…
Hat das Laufen auf den hohen Schuhen nach so vielen Jahren irgendwelche Auswirkungen?
Olivia Jones: Ja, extreme Auswirkungen sogar. Ich habe schon meine Freundin Barbara Schöneberger angerufen und sie gefragt, wie sie das in den langen Sendungen macht. Sie moderiert ja auch viele Shows, bei denen man mehr steht und geht als sitzt. Und sie hat zu mir gesagt, seitdem sie ein bisschen weniger wiegt, ist es einfacher. Aber ich habe da ständig Probleme und Blasen an den Füßen. Schön ist es in TV-Sendungen, wenn ich sitzen kann, dann trage ich ganz hohe Schuhe. Nach drei, vier Stunden wird es allerdings generell schwierig. Aber gut, wer schön sein will, muss leiden. Ich würde mir nur wünschen, dass die Männer dann auch irgendwann mal so unbequeme Schuhe tragen müssen.
Nachdem Sie in Hamburg richtig erfolgreich geworden sind, hatten Sie einen Burnout und sind in Therapie gegangen. Wie profitieren Sie heute noch von dieser?
Olivia Jones: Ich versuche immer, mich selbst zu optimieren, indem ich viel lese oder Entspannungstherapien und Achtsamkeitstraining mache. Für mich ist es ganz wichtig, im Moment zu leben, nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft. Aber das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass ich mir Auszeiten nehme und meine Batterien auflade. Das braucht der Körper. Da muss man streng sich selbst gegenüber sein und das Handy ausschalten und auch nicht vor dem Fernseher herumhängen.
Seit einem Jahr leben wir in der Corona-Pandemie. Wie steht es um Ihre Kieztouren und die Läden?
Olivia Jones: Wir werden mit zwei blauen Augen davonkommen und freuen uns, dass es jetzt auch langsam durchs Impfen und Modellprojekte ein bisschen Licht am Ende des Tunnels gibt. Wir hadern nicht mit der Situation, wir gucken in die Zukunft. Wir arbeiten an unseren Shows, an den Kostümen, renovieren die Läden und warten auf das, was die Experten sagen: dass es irgendwann eine Explosion der Lebensfreude gibt. Da werden wir natürlich sofort die Lunte zünden und ganz weit vorne dabei sein. Auf diesen Tag fiebern wir hin. Wir sind zudem ins Netz gegangen. Wir bringen den Menschen, die uns nicht besuchen können und denen jetzt zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, unser Kiez-Feeling ins Wohnzimmer. Mit unserem Lockdown-Livestream „The DRAG Attack“ bei Twitch. Das Projekt ist so erfolgreich, dass unsere Olivia-Jones-Familienbotschafterin Veuve Noire es auch nach der Pandemie weiterführen wird. Die ganze Olivia-Jones-Familie setzt sich ein. Unser „Bunny Burlesque“-Star Eve Champagne hilft zum Beispiel im Impfzentrum, Lex Dildo, der bei uns normalerweise unsere „Porno Karaoke Bar“ schmeißt, fährt für die Tafel Essen an Bedürftige aus oder tritt mit Vanity Trash in Altenheimen auf. So geben wir eine ganze Menge zurück und fallen nicht in eine Pandemie-Depression.
Sie bewundern Angela Merkel. Wie beurteilen Sie ihre Führungsstärke in der Pandemie?
Olivia Jones: Ich will wirklich nicht in ihrer Haut stecken – mit diesen ganzen Ministerpräsidenten, denen es ja oftmals gar nicht so sehr um die Lage, sondern eher um ihren Wahlkampf geht, auch im Hinblick auf die Kanzlerschaft. Ich finde, dass es im Moment sehr schwierig ist, aber ich bin froh, dass wir in einer Demokratie leben, es vielfältige Meinungen gibt und diskutiert wird. Nichtsdestotrotz verstehe ich nicht, warum so viele Menschen vergessen werden, gerade Künstler und der ganze Entertainmentbereich.
Und ich verstehe auch nicht, warum die Außengastronomie jetzt nicht langsam unter Auflagen aufmachen kann und Open-Air-Stadtführungen wieder starten dürfen. Man muss langsam mal gucken, dass die Menschen rausgehen können, und sich nicht drinnen treffen. Je weniger wir draußen im öffentlichen Raum erlauben, desto mehr findet hinter privat verschlossener Tür in Innenräumen statt. Und das ist doch nachweislich einer der Haupt-Pandemietreiber. Die Gastronomie hat so viel umgesetzt, auch wir haben so viel gemacht in Sachen Hygiene-Konzept und gemerkt, dass es funktioniert. Und die Menschen brauchen es, zumindest draußen irgendwo auch mal einen Kaffee trinken zu können.
Es wird Zeit für Lockerungen. Wir sind jedenfalls ab Mai startklar mit neuen Shows und bewährten Konzepten und freuen uns auf die prognostizierte Explosion der Lebensfreude. Das gibt ’nen riesen Bums und die Olivia-Jones-Familie ist auf St. Pauli an vorderster Front dabei. Und damit einem bis dahin nicht langweilig wird: Am besten jetzt schon Vorfreude mit Umbuch-Garantie vorbestellen, uns im Netz bei Twitch folgen oder „Olivia Jones Ungeschminkt“ lesen: Mit unveröffentlichten Bildern, Skandälchen, viel zu lachen, was fürs Herz und einer Menge Schluder-Futter.