Die islamistischen Taliban sollen gestern eine Frau erschossen haben, da sie in der Öffentlichkeit keine Burka getragen hatte. Und das, obwohl sie nur Tage zuvor versprochen hatten, den Afghan:innen nach ihrer Machtübernahme friedlich entgegenzutreten.
Die Taliban in Afghanistan: Nun sind sie an der Macht
Die Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen. Seit Wochen ist die extremistische Gemeinschaft dabei, das Land einzunehmen. Nun haben sie es nach Kabul geschafft: Die Taliban sind seit vergangenem Dienstag an der Macht und nun die Entscheider:innen im Lande.
Obwohl bereits viele Menschen, Soldat:innen wie Zivilist:innen, bei den Einsätzen gegen die Taliban ums Leben gekommen sind, machen die radikalen Islamist:innen immer noch gute Miene zum bösen Spiel. So wollten sie der Welt weismachen, dass sich durch die Machtübernahme für die Zivilgesellschaft im Grunde nichts ändern würde. Das öffentliche Leben solle, so der Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid, weiterhin stattfinden. Auch die Frauen sollten dem Sprecher zufolge respektiert werden.
In einer Pressekonferenz in Kabul erklärte ein Vertreter der neuen Taliban-Regierung, dass man sich „keine Feinde machen würde.“ Frauen dürften weiterhin arbeiten und Mädchen (auch nach dem 12. Lebensjahr) zur Schule gehen. Allerdings nur dann, wenn sie sich islamisch „verhalten“ würden.
Frau ohne Burka wird erschossen
Trotz der großen Versprechungen zeigte die Taliban nur wenige Tage nach ihrer Machtübernahme, dass es mit der neuen „progressiven“ Linie nicht viel auf sich hat. Eine Frau soll mitten auf der Straße erschossen worden sein, so berichtet die Zeitung Fox News, da sie sich nicht verschleiert hatte. Es ist nicht klar, wer genau die Frau erschossen hat, es soll sich aber um eine Gruppe von Kämpfern in der Provinz Takhar handeln. Die Bilder des kaltblütigen Mordes gehen durch Mark und Bein: Man sieht eine junge Frau, die in ihrem eigenen Blut liegt. Ihre Familie und ihre Freund:innn versuchen ihr zu helfen – vergeblich.
Was bedeutet es eigentlich, sich „islamisch zu verhalten“?
Was ist gutes „islamisches Verhalten“ aus Sicht der Taliban? Im Podcast Apokalypse & Filterkaffee spricht der Afghanistan-Experte Emran Feroz über die Vorhaben der Taliban. Seiner Meinung nach ist die extreme Auslegung des Islam in Afghanistan bereits in jedem Teil des Alltags zu spüren. Nicht nur, dass hier der Hjiab für Frauen als ganz normal angesehen wird. Afghanistans Rechtsprechung habe, so Emran, bereits vor der Machtübernahme der Taliban eher islamistisch als islamisch entschieden.
Wer sich nicht ganz sicher ist, was der Unterschied zwischen islamistisch und islamisch ist, findet hier die Antwort.
Frauen in Afghanistan: Das Leben verändert sich jetzt
Emran berichtet weiterhin davon, dass Frauen schon jetzt mehr unter der neuen „Regierung“ zu leiden haben. So seien ihm Bilder aus Kabul im Gedächtnis geblieben, auf denen scheinbar unabhängige Nachrichtensprecherinnen und Reporterinnen zu sehen sind. Kurz vor der Machtübernahme waren sie noch ohne Kopftuch (Hijab) im Fernsehen aufgetreten. Nur wenige Stunden nach der Machtübernahme haben sich dieselben Frauen in ein Kopftuch gehüllt.
Kleidungsvorschriften im Islam für Frauen
Die islamistischen Taliban haben sich klar ausgedrückt: Frauen soll nichts Schlechtes widerfahren, wenn sie sich streng an den die Regeln halten. Was genau das bedeutet, können nur die einzelnen Vertretenden der Taliban wissen. Immerhin gibt es viele verschiedene Auslegungen des Islams. Ob jemand sich also dem Islam gerecht kleidet oder nicht, liegt im Auge des Betrachtenden. Viele Afghan:innen in der Diaspora sind zwar muslimisch, aber tragen nicht einmal ein Kopftuch. Anderen tragen eine Burka und empfinden das als islamisch korrekt.
Auch wenn es (theoretisch) jede:m selbst überlassen ist oder sein sollte, welche Vorschriften er oder sie einhält, beruft man sich in einer strengen Auslegung der Religion auf folgende „Regeln“ im Koran:
- Männer: Körper vom Bauchnabel bis zu den Knien bedecken
- Frauen: Körper außer Gesicht, Hände und Füße bedecken
- Frauen müssen ein Kopftuch tragen
- In manchen Kulturkreisen tragen Frauen eine Bedeckung über Gesicht, Händen und Füßen
- Generell soll durch Kleidung nicht die menschliche Sexualität angeregt werden
Übrigens: Der Hijab, das Kopftuch, war nicht immer ein Zeichen der Enthaltsamkeit der Frau. Früher galt er auch als Symbol der Würde und der Überlegenheit. So trugen vor allem Frauen aus höheren Schichten einen Hijab.