„Kinder, die nicht lesen, verpassen alles“, sagt Margit Auer (54), Schöpferin der Kinderbuchreihe „Die Schule der magischen Tiere“. Die Schriftstellerin wird beim „White Ravens Festival für internationale Kinder- und Jugendliteratur“ (11.-15. Juli 2021) der Internationalen Jugendbibliothek dabei sein, das am Sonntag in Schloss Blutenburg in München startet. Im Interview mit spot on news erklärt sie, wie Eltern ihre Kinder fürs Lesen begeistern und welche Werke jedes Kind lesen sollte.
Sie wirken beim „White Ravens Festival“ mit. Was ist das Besondere an der Veranstaltung?
Margit Auer: Dass sie stattfindet! Das letzte Jahr war zermürbend. Keine Einladungen, immer nur Absagen, Absagen, Absagen. Auch dieses Festival stand lange auf der Kippe. Dass es jetzt wieder echte Begegnungen mit Leserinnen und Lesern gibt, ist einfach schön. Vermisst habe ich auch den Tratsch aus der Branche, das Reden über Bücher, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Das werde ich in München ganz besonders genießen. Endlich wieder kreative Menschen treffen, statt in der Bude einsam vor sich hin zu schreiben, darauf freue ich mich.
Im Mittelpunkt steht die Begegnung zwischen Autoren und jungen Lesern. Sie schreiben seit über zehn Jahren erfolgreiche Kinderbücher. Hat sich die Begeisterung der Nachwuchsleser für Bücher in den vergangenen Jahren verändert?
Auer: Oft ist von mangelnder Leselust die Rede, ich kann das nicht bestätigen. Die Kinder lesen sogar mehr als je zuvor. Während der Pandemie haben die Kinderbuchverlage ein Plus gemacht. Kinder lieben gute Geschichten, nach wie vor. Natürlich gibt es Mädchen und Jungen, die Förderung brauchen: Weil das Elternhaus sie nicht unterstützt, weil sie Probleme mit der Sprache haben, weil es verführerisch ist, vor dem Computer oder Fernseher zu chillen. An den Schulen können wir die Kinder am besten erreichen: Hier müssen wir dringend in Personal und Leseprogramme investieren. Die Steuergelder sind nirgendwo anders besser angelegt – außer vielleicht in Bibliotheken!
Wie können Eltern zu Hause bei den Kindern Begeisterung fürs Lesen wecken?
Auer: Vorbild sein! Selbst lesen, anstatt aufs Smartphone zu starren. Mit den Kindern in Büchereien und Buchläden gehen. Blättern, plaudern, vorlesen. Gibt es etwas Schöneres, als mit dem Kind auf dem Sofa zu sitzen und „Pettersson und Findus“ vorzulesen?
Bei älteren Kindern gehören Smartphone und Spielekonsole zur Grundausstattung. Laufen diese Dinge den Büchern den Rang ab und wie verhindern Eltern das?
Auer: Smartphone und Spielekonsole sind die Killer von Kreativität und Fantasie. Leider beobachte ich das immer wieder: Kaum hat das Kind ein Handy, bleiben die Legosteine und Playmobilfiguren in der Kiste. Mit einem Schlag ist die unbeschwerte Kindheit vorbei. Ich plädiere stark dafür, möglichst spät ein Smartphone anzuschaffen und die Zeiten streng zu begrenzen. Ein Trick, um Kinder zum Lesen zu motivieren, klappt eigentlich immer: Wer abends liest, darf ein halbes Stündchen länger wachbleiben. Ansonsten heißt es: Licht aus!
Welche fünf Bücher sollte ein Kind auf alle Fälle gelesen haben, bevor es erwachsen ist?
„Michel aus Lönneberga“ von Astrid Lindgren.
„Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler.
„Gips oder wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte“ von Anna Woltz.
„Harry Potter“ von Joanne K. Rowling.
„Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee.
Was verpassen Kinder, die nicht lesen?
Auer: Alles! Sie lernen nicht, wie man sich binnen Minuten in eine andere Welt beamen kann. Ein gutes Buch hilft, wenn man an einem ungemütlichen Ort festsitzt oder Kummer hat. Es hilft, andere Lebensentwürfe kennenzulernen und in fremde Köpfe zu gucken. Ah, auch so kann man also die Welt sehen, faszinierend!
„Die Schule der magischen Tiere“ kommt nun auf die große Leinwand. Was bedeutet das für Sie, wie sehr waren und sind Sie involviert?
Auer: Ich habe beim Drehbuch streng darauf geachtet, dass „mein“ Kosmos genau wiedergegeben wird. Die Kinder im Kinosessel sollen sofort die Welt wiederfinden, die sie aus den Büchern kennen. Man leidet mit Jo mit, wenn er Mist baut. Ida möchte man gern als Freundin haben. Mir kam es nicht darauf an, dass der Plot von Band 1 exakt wiedergegeben wird, das wäre vielleicht sogar langweilig geworden. Aber die Wärme, der Witz, die Figuren, das muss passen. Die Kinder sollen aus dem Kino gehen und seufzen: Ach, wie schön wäre es, wenn es diese Schule tatsächlich gäbe! Und hätte nicht jeder gern ein magisches Tier?
Welche Projekte stehen in den kommenden Monaten bei Ihnen darüber hinaus an?
Auer: Ich habe ein Schultheaterstück geschrieben, das über eine erste Testaufführung noch nicht hinausgekommen ist. Wie auch? Das Schulleben lag total brach. Keine einzige Theater-AG durfte proben. Schulchor oder Schulband gab es nicht. Schlimm, oder? Ich wünsche mir, dass das Stück „Ashanti ist weg“ endlich bei Schulfesten gespielt wird. Und dass es endlich wieder Schulfeste gibt! Ich selbst nehme mir nichts Besonderes vor: Nach Monaten der Flaute prasseln gerade Unmengen an Einladungen und Anfragen auf mich ein. Ich muss genau sortieren, was ich annehme. Mein Hauptberuf besteht schließlich darin, Bücher zu schreiben.
Das ist das „White Ravens Festival“
Zum 6. Mal veranstaltet die Internationale Jugendbibliothek das „White Ravens Festival für internationale Kinder- und Jugendliteratur“ und lädt vom 11.-15. Juli 2021 zu Begegnungen mit Autorinnen und Autoren sowie Illustratoren aus dem In- und Ausland ein (Tickets via MünchenTicket sowie vor Ort in Schloss Blutenburg). Hauptveranstaltungsort ist die Internationale Jugendbibliothek in Schloss Blutenburg. Darüber hinaus treten die Kinder- und Jugendbuchautoren und -illustratoren in München und bayernweit in Schulen und bei Open Air-Veranstaltungen auf. Am 11. Juli wird die Veranstaltung mit dem „White Ravens Literaturspektakel. Krach, Magie und Worttamtam“ in Schloss Blutenburg starten.