Alles ist anders geworden. Auch seine Frisur, einst ein Markenzeichen. Die Haare sind nicht mehr straff zurückgebürstet, das Gel ist schon seit Jahren raus. Er hat, so könnte die optische Botschaft lauten, das Gelackte abgelegt. Und das ist auch gut so, denn Karl-Theodor Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg ist mittlerweile in ein Alter gekommen, in dem einer mit gegelter Mähne peinlich deplatziert wirkt, als wäre er aus der Zeit gefallen. Am 5. Dezember feiert er seinen 50. Geburtstag.
Natürlich sieht er jünger aus, doch das ist heutzutage bei fast allen 50-Jährigen so. In seinem Fall hat man dennoch irgendwie das Gefühl, dass seine Zukunft schon hinter ihm liegt. Seine Popularität erreichte einst Höhen, die in jungen Jahren nur Rockstars, Models, Sportler oder Filmschauspieler erreichen.
Beliebtester Politiker und „Mann des Jahres 2010“
Er war Bundeswirtschaftsminister (2009), dann Verteidigungsminister (2009-2011). Er war der mit Abstand beliebteste Politiker, und die meisten Deutschen hätten ihn, diversen Umfragen zufolge, am liebsten als Nachfolger von Angela Merkel (67) im Bundeskanzleramt gesehen. Das ist nun die gefühlte Ewigkeit von zehn Jahren her.
Es schien, als sei er direkt einem jener Hochglanzmagazine entsprungen, die ihm und seiner Familie huldigten: Sprössling des alten fränkischen Adelsgeschlechts Guttenberg, die Mutter eine Gräfin von und zu Eltz, deren Stammburg einst den 500-D-Mark-Schein zierte, der Vater Enoch Freiherr von und zu Guttenberg (1946-2918), ein berühmter Dirigent und Bach-Interpret, der gleichnamige Großvater ein Urgestein der CSU. Zudem war er mit der schönen, blonden Stephanie (45) verheiratet, auch sie aus besten Kreisen, denn sie ist eine geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen. Ein Powercouple, strahlend jung und fotogen wie kein zweites.
Es war die Zeit der Lobpreisungen, die wie ein funkelnder Sternschnuppenschauer auf ihn niedergingen. 2009 wählte ihn das PR-Fachmagazin „Politik und Kommunikation“ zum „Politiker des Jahres“, während die Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ des Freiherrn rednerische Begabung sowie seinen „ehrlichen Umgang“ mit der Sprache rühmte und ihn zum „Sprachwahrer des Jahres 2009“ ausrief.
Für „Focus“ war er der „Mann des Jahres 2010“ und für das Magazin „GQ“ der „bestangezogene Deutsche“. Die Stadt Oldenburg kürte ihn zum „Grünkohlkönig“, die Stadt Rehau in seiner oberfränkischen Heimat verlieh ihm die „Goldene Kartoffel“ und der Aachener Karnevalsverein den „Orden wider den tierischen Ernst“ wegen seines „Mutes zum Widerspruch und zum akrobatischen Querdenken“.
Doch kein Doktortitel
Letztere Auszeichnung nahm sein jüngerer Bruder Philipp Franz zu Guttenberg entgegen, weil zu diesem Zeitpunkt – im Februar 2011 – der Stern von Karl-Theodor im Zeitraffer schon zu sinken begann. Da war er noch nicht einmal 40 Jahre alt. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass der Herr Bundesminister für Verteidigung Dr. Karl-Theodor von und zu Guttenberg den Doktortitel zu Unrecht trägt. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften (1. Staatsexamen) an der Universität Bayreuth wurde er mit einer Dissertation zum Thema „Verfassung und Verfassungsvertrag“ 2007 mit der Note „summa cum laude“ (höchstes Lob) zum Doktor der Rechte promoviert.
Doch 2011 kam raus: Guttenberg hatte in seiner Doktorarbeit zu großen Teilen fremde Texte verwendet, ohne dies anzugeben. In seiner Rücktrittserklärung, die unter anderem die „SZ“ im Wortlaut veröffentlichte, räumte er zwar „schwere Fehler“ ein, bestritt aber, vorsätzlich gehandelt zu haben. Am 23. Februar 2011 entzog ihm die Universität Bayreuth den Doktortitel, eine Woche später trat Guttenberg aufgrund der heftigen Kritik von allen politischen Ämtern zurück. „Der schmerzlichste Schritt meines Lebens“, wie er seinerzeit kommentierte.
Auswanderung in die USA
Der ehemals so große Hoffungsträger der CSU hatte sich nicht nur quasi über Nacht verabschiedet, er war sogar ganz von der Bildfläche verschwunden. Die Familie zog in die USA, von Neuanfang war die Rede, und das klang so: Alles, nur keine aktive Politik mehr. Wirtschaftlich gab es keinen Anlass zur Sorge. Die Guttenbergs gelten als außerordentlich wohlhabend und zählen zu den größten Waldbesitzern Deutschlands, außerdem gehörten ihnen beträchtliche Anteile des Rhön-Klinikums sowie des Pfälzer Weinguts Reichsrat von Buhl, deren Verkäufe die Familie nicht ärmer gemacht haben.
Zunächst arbeitete der Ex-Minister ehrenamtlich in Washington, D.C., als „Distinguished Statesman“ („angesehener Staatsmann“) für das Center for Strategic und International Studies. 2013 gründete er in New York das Beratungs- und Investmentunternehmen Spitzberg Partners, das unter anderem auch den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard als Kunden hatte. Außerdem berät er die Lufthansa und die EU-Kommission.
Die Familie hat Wohnsitze in Greenwich (US-Bundesstaat Connecticut), Berlin und im oberfränkischen Guttenberg im Stammschloss. Seit der Rückkehr nach Deutschland gehört auch ein Gutshof in Hasbergen bei Osnabrück/Niedersachsen zum Besitz.
Rückkehr nach Deutschland
Ehefrau Stephanie, von Beruf Textilbetriebswirtin, ist mittlerweile Gesellschafterin des Bonner Social Impact Start-ups BG 3000 für digitale Bildung. Sie gilt als Pionierin für digitale Bildung und möchte vor allem Jugendliche für einen verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten im Internet sensibilisieren. Die beiden Töchter Mathilda und Anna sind inzwischen zu jungen Frauen herangewachsen. Mathilda (18) ist eine glänzende Dressurreiterin, wie sie auf Instagram zeigt, und studiert an der University of California in Los Angeles. Ihre ältere Schwester Anna (20) ist mit den Eltern nach Deutschland zurückgekehrt, lebt jetzt in München, wie das „Gala“-Magazin meldete, und ist Springreiterin, wie auf ihrem Instagram-Account mitzuverfolgen ist.
Karl-Theodor Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg ist nun in einem Alter, in dem bei anderen die politische Karriere gerade erst richtig Fahrt aufnimmt. Man könnte auch sagen: Die besten Jahre liegen, politisch betrachtet, noch vor ihm – wenn er denn will. Am Doktortitel sollte es nicht scheitern, denn den hat der Freiherr wieder. 2019 hat er an der englischen Universität von Southampton ein Studium der Wirtschaftsgeschichte mit einer 488 Seiten starken Dissertation über das „Korrespondenzbankwesen“ beendet. Das meldete die „Bild“-Zeitung im August 2020. Sein neuer akademischer Grad: „Doctor of Philosophy“.