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So rassistisch ist Tiktok leider noch immer

Viele Filter auf Tiktok arbeiten noch immer rassistisch, aber wir als User tragen auch Mitschuld. So können wir mehr Diversity auf Tiktok bringen.

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Diversity ist auch in Social Media ein wichtiges Thema. Foto: shutterstock/ART PAL /

Tiktok ist schon seit mehreren Jahren auf dem Einmarsch in die Smartphones von GenZ und spätestens seit Corona haben sich auch Gen Y’s dorthin verirrt. Was als Musical.ly gestartet ist, gehört inzwischen zu den unterhaltsamsten Social Media Plattformen überhaupt.

Immer wieder werden allerdings Berichte laut, wie Tiktok’s Alghorithmen und Richtlinien gewollt rassistisch funktionieren und BPoC herabstufen. ByteDance, die Firma hinter Tiktok, wehrte sich stark gegen die Vorwürfe und will inzwischen alles geändert haben. Wir machen den Check: Ist Tiktok noch immer rassistisch?

Die Tiktok Filterblase

Ist dir schon mal aufgefallen, dass du offenbar einen „Typ“ hast bei Tiktok? Likest du einen hotten Surferboy, dann werden dir immer mehr Tiktoker mit ähnlichem Erscheinungsbild vorgeschlagen. Diese Beobachtung machte AI Researcher Marc Faddoul. Er legte mehrere Accounts an und likte je einen Tiktoker, alle weiteren vorgeschlagenen Profile sahen ähnlich aus.

Mögen wir automatisch Content von Usern die gleich aussehen? Tiktok ist doch keine Dating-Plattform.

Dabei ist nicht nur Geschlecht und Ethnizität wichtig, sondern auch Haarfarbe, Gesichtsbehaarung, Alter und Figur. Damit outet sich Tiktok als extrem oberflächlich und geht somit davon aus, dass man bestimmten Usern rein des Aussehens wegen folgt und nicht wegen deren Inhalten. Das ist übrigens auch ein Grund, warum es Filmemacher und Fotografen so schwer haben auf Tiktok trotz High Quality Content. Menschen werden einfach lieber gesehen.

Die Kritik an Filterblasen gab es schon vor Tiktok. Zum Einen sorgen sie dafür, dass Nutzer zufriedengestellt werden und ihre Interessen im Fokus stehen, zum anderen schirmen sie aber auch ab. Bei manchen Plattformen mag das positiv sein. Ich finde es zum Beispiel super, dass Spotify mir in meinen wöchentlichen Empfehlungen nur Musik empfiehlt, die meinen bisherigen Favoriten gleicht. 

Allerdings gibt es zwischen Spotify und Tiktok eben einen gewaltigen Unterschied: Spotify geht nach Inhalt, Tiktok nach Aussehen. Diversity geht auf jeden Fall anders. Wenn ich Lehrerwitze mag, dann ist mir doch egal, wie der Comedian aussieht. Ich will die möglichst besten Lehrerwitze. 

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Junge, hübsche, weiße Mädchen haben es bei Tiktok besonders einfach viral zu gehen, weil es so in den Moderatoren Richtlinien steht.(Photo: imago images/Hollandse Hoogte)

Collaborative Filtering

Aber nicht nur du baust dir deine eigene Filterblase auf, sondern auch die anderen Nutzer. Collaborative Filtering ist eine Strategie, Verhaltensmuster einer ausgesuchten Nutzergruppe ganzheitlich auszuwerten, um auf die einzelnen Nutzer zu schließen. ByteDance hat zugegeben auch nach diesem Filtersystem zu arbeiten. Was heißt das genau?

Wenn in Deutschland mehr weiße deutsche Tiktoker geliked werden, dann schließt Tiktok daraus, dass die Deutschen diese bevorzugen. Und da wird es schon wieder gefährlich, denn natürlich gibt es mehr weiße deutsche Tiktoker als Schwarze (auf die Gesamtbevölkerung verteilt),  ergo werden auch mehr geliked. Aber heißt das, dass wir alle Nicht-weißen Tiktoker damit direkt disliken? Nein.

Die Moderatoren bestimmen, welche Videos viral gehen

Neben dem Algorithmus bestimmen Moderatoren, welche Videos in welchen Ländern viral gehen. Dafür gibt es Richtlinien, denen diese folgen müssen. Ein geleaktes Dokument von 2019 sah vor, dass keine Videos promoted werden dürfen, die folgende Inhalte zeigen:

  • „Abnormale Körperfiguren“, dazu gehört ein Bierbauch, Übergewicht oder auch schon der lockere Begriff „chubby“ und „too thin“.
  • „Hässliche Gesichter & Gesichtsausdrücke“, diese sind ebenfalls weit gefasst und darunter fallen zum Beispiel fehlende Vorderzähne, zu viele Falten, Narben, Augen-Fehlstellungen wie das Schielen. Aber auch offensichtlich behinderte Menschen mit etwa dem Down-Syndrom.

Die Begründung: In Videos, in denen die Menschen im Vordergrund stehen (so genanntes non-diversified content) ist das Video nicht gut, wenn der Charakter nicht attraktiv ist und damit ist es nicht Wert gepusht zu werden.

  • Heruntergekommene Drehorte wie etwa Slums, Baustellen, aber auch Innenräume mit Rissen in der Wand, alter Deko oder „messy“-Wohnungen. 

Die Begründung: Der Content taugt nicht für neue Nutzer und ist nicht so ansprechend.

Außerdem nicht gern gesehen sind Slideshows, da das nicht die Idee hinter Tiktok ist. Ist das allein rassistisch? Auf jeden Fall ist es Bodyshaming, elitär und behindertenfeindlich. Inzwischen beharrt Tiktok, dass die Richtlinien veraltet sind, hat aber keine Angaben zu den Neuen gemacht.

Mit der #perfectingedients Challenge nehmen sich Tiktoker eingentlich selbst aufs Korn.

Rassismus & Diskriminierung bei Tiktok

Tiktok hat sehr strikte Richtlinien um vor vulgärem und anstößigem Content zu schützen. So dürfen Frauen keine Bikinis tragen, wenn nicht offensichtlich ein Pool oder Strand im Hintergrund ist. Weibliche Nippel dürfen nicht gezeigt werden oder andere „anstößige“ Körperteile.

Auch LGTBQ+-Inhalte werden teils stark zensiert. In islamischen Ländern werden diese beispielsweise komplett blockiert. Auch politischer Content wurde lange zensiert. Gegen die #blacklivesmatter-Bewegung hat allerdings noch nicht einmal Tiktok genug Macht.

Gegen rassistischen Content aber leider auch nicht, denn immer wieder tauchen extrem menschenunwürdige Videos auf, die über Meinungsfreiheit hinausgehen und diese werden nicht oder viel zu spät gesperrt. Der bekannteste Fall ist der eines Highschool-Pärchens aus Georgia, die die #perfectingredients Challenge benutzen, um einen Schwarzen zu kreieren. Dabei nutzen sie das N-Wort. Die Zutaten: Schwarz, Hass auf Weiße, kein Vater, Menschen beklauen und viel mehr. Leider ging das Video viral, bevor es gelöscht wurde. Die beiden sind inzwischen von der Schule geflogen.

Ein lustiger Trend wurde rassistrisch motiviert missbraucht.

Wieso schaffen es die Moderatoren hier nicht, ebenso gut auszusortieren wie nach Aussehen?

Charlie D’Amelio & der Regenade Dance

In der Vergangenheit hatte die Presse, aber auch User selbst Tiktok immer wieder vorgeworfen, rassistisch zu sein und dünne, weiße, blonde, reiche, junge Mädchen (Stichwort Beachgirl) zu favorisieren. Besonders schwarze User sollen benachteiligt worden sein, wie im Fall von Charli D’Amelio und dem Renegade Dance: 

In der Mitte ist Jalaihe, die eigentliche Erfinderin des Renegade Tanzes, rechts Charlie D’Amelio, die damit berühmt wurde.

Sie ist inzwischen die bekannteste Tiktokerin, hat Verträge mit großen Brands und ist im Fernsehen, alles nur dank dieses einen Videos mit dem Renegade Dance. In ihrem Profil steht sie als CEO (also Erfinder) des Tanzes drin. Allerdings kommt die Choreografie von der 14-jährigen Jalaiah Harmon, einer schwarzen Hip-Hop-Tänzerin. Man kann Charli D’Amelio nicht dafür verantwortlich machen, dass sie viral gegangen ist, wohl aber, dass sie Jalaiah nicht einmal verlinkt hat und sich selbst als die Choreografin ausgab. Dafür entschuldigt hat sie sich bis heute nicht. 

Hinzu kommt die Frage: Warum ist Jalaihas Video nicht viral gegangen? Vermutlich war die Qualität nicht gut genug, das Zimmer nicht reich genug, sie nicht fancy genug angezogen und, naja, eben nicht weiß genug. Denn gegen die oben genannten Richtlinien hat sie auf keinen Fall verstoßen. Von „hässlich“ oder „ärmlich“ war keine Spur. Weiß und reich, war es aber eben nicht.

Inzwischen ist Jalaiha als CEO des Regenare Dances bekannt.

Dank einer Journalistin der New York Times hat Jalaiha inzwischen einen Teil der Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient und war unter anderem bei Ellen DeGeneres in der Show.

Hat sich was geändert bei Tiktok?

Inzwischen sollen rassistische und body-phobe Richtlinien nicht mehr greifen, aber merkt man das auch? Wirft man einen Blick auf die internationalen Top-Tiktoker dann finden wir immerhin auf Platz 12 Will Smith, auf Platz 17 Dwayne The Rock Johnson und auf Platz 29 Jason Derulo. Das war’s mit Black Power auf den ersten 30 Plätzen. Was fällt auf? Es ist kein einziger schwarzer „Nur“-Tiktoker dabei, sondern nur bekannte Promis. Auch unter deutschen Top-20-Tiktokern ist Diversity nicht drin. Angeführt werden sie von blonden, hübschen Mädels und ein paar cuten Skaterboys. 

In meinem persönlichen Feed finden sich alle möglichen sexuellen Orientierungen, Sprachen und Hautfarben. Aber das ist vermutlich auch meine eigene Filterbubble. Sexistischen oder rassistischen Content gibt es auf meiner „For You“-Page nicht. Wenn ich gezielt danach suche allerdings schon. Himmel, gibt es da gruselige Dinge.

Dennoch: Selbst wenn Tiktok offiziell weder Algorithmen noch Moderatoren bewusst zu rassistischer Selektion animiert, werden Filterbubbles und auch das Collaborative Filtering immer dafür sorgen, dass der Mainstream und das ist zumindest in Deutschland optisch Weiß, bevorzugt wird. Hier sollte dringend ein Umdenken stattfinden zu High Quality Content anstatt Model-Tiktokern.

Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen, dass Tiktok auch nur unseren Nutzerdaten folgt. Wenn wir als Mehrheit, People of Color keine Plattform geben, egal ob ungewollt oder nicht, werden sie auch keine bekommen, denn wir geben den Ton an für die Algorithmen.

Wie sollte man Tiktok richtig nutzen für mehr Diversity?

Wenn man weiß, wie Tiktok funktioniert, dann kann und sollte man bewusster nach unterhaltsamem Content browsen. Wie bei allen Medien ist der richtige Umgang damit wichtig. Frage dich selbst mal, ob du einen speziellen „Typ“ Tiktoker hast, die du likest. In welchen Punkten ähneln sie sich? Welche Menschen und Content bekommst du gar nicht zu sehen? Liegt das daran, dass es sie nicht gibt oder weil sie nicht in deiner Filterbubble sind?

Wenn du #blacklivesmatter folgst, dann schaue dich auch auf Anti-Hashtags wie #whitelivesmatter um. Melde Content und User, die rassistische, sexistische und bodyphobe Gedanken verbreiten. Tiktok geht mit Trends und mit der Mehrheit und die schaffen wir als User. Wenn wir alle aufmerksamer sind und unangemessenem Content keinen Platz mehr geben, dann sind wir die Veränderung, die wir uns wünschen.

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